Judith W. Taschler - Die Deutschlehrerin

  • Kurzmeinung

    SirPleasant
    Unschuldig, unscheinbar, leise am Anfang, näher zum Ende kaum noch aus der Hand zu legen.
  • Kurzmeinung

    serjena
    Zuerst klingt es etwas holperig (Hörbuch) dann jedoch entwickelt es sich zu einer ganz annehmbaren Geschichte.
  • Klappentext:
    Mathildas große Liebe, Xaver, hat sie verlassen. Daraufhin erleidet die junge Frau einen Nervenzusammenbruch. Sechzehn Jahre später scheint sie endlich einen Platz im Leben gefunden zu haben: Mathilda ist Deutschlehrerin in einer anderen Stadt. Da taucht Xaver, inzwischen gefeierter Jugendbuchautor, plötzlich wieder auf. Die beiden rekapitulieren ihre gescheiterte Beziehung. Die Geburt von Xavers Sohn nur wenige Monate nach der Trennung und dessen Entführung werden zum Angelpunkt ihrer Begegnung. Ein raffiniertes und fesselndes Spiel um Liebe, Rache Schuld nimmt seinen Lauf. (Amazon)


    Zur Autorin:
    Judith W. Taschler, 1970 in Linz geboren, im Mühlviertel aufgewachsen. Studium der Germanistik und Geschichte. Sie lebt mit ihrer Familie in Innsbruck, arbeitete als Lehrerin und ist freie Schriftstellerin. Im Picus Verlag erschienen ihr Roman »Sommer wie Winter«, 2013 der Bestseller »Die Deutschlehrerin«, der Erzählband »Apanies Perlen« sowie zuletzt »Roman ohne U« (2014). (von der Picus-Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Mix aus Mailkorrespondenz, Rückblenden, Dialog und Erzählung
    Verschiedene Erzählperspektiven
    225 Seiten
    Für diesen Roman erhielt die Autorin im Jahr 2014 den Friedrich Glauser-Preis


    Meine Meinung:
    Was der Klappentext nur halbrichtig beschreibt: Xaver taucht nicht plötzlich zufällig in Mathildas Dunstkreis auf; im Rahmen eines Schulprojekts, zu dem jeweils ein Autor einer Schule zugeteilt wird, um dort eine Schreibwerkstatt zu leiten, wird er an die Schule vermittelt, an der sie Deutsch unterrichtet. Durch Mails, die beide vor dem ersten Arbeitstreffen austauschen, erfährt er, dass es sich bei der M.K., die ihm als Verbindungslehrer genannt wird, um seine ehemalige Lebensgefährtin handelt.


    Xaver darf ein richtiger Fiesling sein! Er schreibt seine Debüt-Trilogie mit Mathildas Hilfe, bringt sie aber allein unter seinem Namen heraus. Er hat während der 16 Jahre langen Beziehung zu ihr unzählige Affären nebenher: Er verweigert ihr das ersehnte Kind, und die Frau, wegen der er Mathilda Knall auf Fall ohne klärendes Gespräch verlässt, ist bei der Hochzeit kurz später schon schwanger.
    Die arme Mathilda! Ausgestattet mit geringem Selbstbewusstsein ordnet sie sich Xaver, seinen Wünschen und Bedürfnissen unter, verzichtet auf ihre Träume und ihre Zukunftsplanung und hofft, dass sie sich irgendwann mit denen von Xaver decken. Bis sie eines Tages in eine halbleere Wohnung kommt und ein paar Wochen später in einer Zeitschrift ihren Geliebten mit einer schwangeren Verlobten entdeckt.
    Durch die Presse erfährt sie auch, dass sein Sohn aus dem Kinderwagen im Garten verschwindet und man nie mehr etwas von ihm hört.


    Die einzelnen Handlungssegmente sind auf originelle Weise zueinander komponiert und miteinander verflochten. Abseits der Chronologie wird Mathildas Geschichte erzählt, Xavers Geschichte, die alten Geschehnisse und das neue Treffen. Das Interesse des Lesers wird von einem Strang zum nächsten geleitet, die Spannung wird nicht in einem Bogen, sondern in Wellen aufgebaut und dreht sich etwa ab der Hälfte vor allem um die Frage, was damals mit Xavers Sohn passiert ist.


    In einer zweiten Geschichte wird von Richard Sand erzählt, Xavers Großvater, und die beiden Stränge verbindet vor allem die Frage, wie man mit Entscheidungen umgeht, die, irgendwann getroffen, für den Rest des Lebens richtungweisend sind.


    Eigentlich wird der Friedrich-Glauser-Preis für Krimis verliehen, aber auf die Idee, dieses Buch dem Krimi-Genre zuzuordnen, käme ich nicht. Die Entführung des Jungen wird aufgeklärt, und das Buch bezieht einen Teil seiner Spannung daraus, aber der Fall und seine Aufklärung sind nicht das Zentrum des Buches.
    Das Ende … profan – so würde ich es nennen.
    Mir gefiel Taschlers Roman „bleiben“ wesentlich besser, doch ich möchte auch die anderen Romane der Autorin lesen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Nach drei Jahren hole ich diesen Fred nochmals hoch:


    Nachdem Taschlers Name so oft im BT anzutreffen gewesen war wollte ich es auch mit einem Buch von ihr versuchen. Ich weiß nicht, ob dieses die beste Wahl war ?


    ME beginnt es etwas enttäuschend, nicht einfach lahm, sondern mich an etwas plätschernde stories erinnernd. Seicht ? Konventionnell ? Die beiden Hauptprotagonisten erschienen mir fast durchgehend etwas zu einfach gestrickt. Und so unsympathisch Xaver daherkommt, so hilflos kommt mir auch Matilda vor. Und bei allem Verständnis erweckt sie nicht nur Empathie. Bei mir.


    Die Geschichte entwickelt sich aber, und es wird etwas komplexer (auch literarisch anspruchsvoller?), auch durch den Wechsel der Erzählperspektiven wie das Hin und Her zwischen Fiktion (in der Fiktion), Schilderung, Dialog, Sprûngen zwischen Gegenwart und Vergangenheit.


    Auffallend (oder irre ich mich?), dass zwischen den Vorfahren von Xaver und Matilda und eben ihnen selbst gewiße Verhaltensmuster weitervererbt werden. Und somit das Tun der Hauptprotagonisten erklärt wird. Eventuell etwas zu offensichtlich als Hintergrundsthese ?


    Interessant fand ich das gegenseitige, gebrochene Sich Erzählen, Weiterspinnen von stories. Das wird in einem Teil des Romans zu einem richtigen Wortgefecht. Und fast zur Waffe ? Letztlich entwaffnet Matilda Xaver durch ihr Erzählen ?


    Nach anfänglichen gutmütigen zweieinhalb Sternen vergebe ich für das zweite Drittel schon gerne dreieinhalb Sterne. Insgesamt also eher drei Sterne ? Natürlich hat die Autorin alle Freiheit, gegen Ende hätte ich jedoch vielleicht die letzten 25 Seiten mit einem knackigen Kapitel zuende gebracht ? Punkt. Als ob sie da stets noch ein Kapitelchen anhängen wollte und kein Ende fand.

  • Raffiniert und außergewöhnlich fällt mir zu diesem Roman ein. Ich war positiv überrascht von dieser Geschichte. Die ist anders konstruiert, als man es gewohnt ist. Erscheint in der Erzählart etwas experimentell zu sein, ich weiß es nicht besser auszudrücken. :uups:


    Diese Geschichte ist wie ein vielseitiges Puzzle, das sich nach und nach zusammenfügt. Es geht um eine Liebesbeziehung und es geht um die Entführung eines Kindes. Außerdem werden noch Vergangenheitsstränge miteingebunden, ausgedachten Geschichten untereinander erzählt und Gegenwart spielt auch noch eine Rolle in einem gesonderten Erzählstrang. Scheint auf den ersten Blick zu viel zu sein, was man auseinander halten muss, aber es fällt dem Leser ganz leicht der Story zu folgen. Alles fließt ineinander und ergibt Sinn. :thumleft:


    Die Autorin verbindet geschickt verschiedene Textarten: E-Mail, Protokolle, Tagebucheinträge. Dieser Wechsel der Perspektiven ergibt eine spannende Lektüre.

    Ich würde den Roman keineswegs unter Krimis einordnen. Es ist ein Roman, eine Erzählung, in der Krimielemente kaum eine Rolle spielen. Dennoch ist es sehr spannend. Anfangs harmlos, doch der Schein trügt. Aufwühlend und überraschend. Von mir gibt es :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: .

    Bei mir hat die Geschichte Spuren hinterlassen.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • Dieses Buch finde ich schwierig zu bewerten. Der ständige Perspektivwechsel und der Wechsel der Erzählweise halten einerseits das Interesse wach, erfordern andererseits aber auch viel Aufmerksamkeit. Die Autorin hat viel Fantasie und behält die verschiedenen Handlungsstränge und Zeitebenen gut "unter Kontrolle", meinem Empfinden nach sind allerdings einige Entwicklungen und Zufälle zuviel des Guten und wenig glaubwürdig.

    Wenig glaubwürdig finde ich auch das Verhalten von Mathilda. Selbst vor dem Hintergrund ihrer Jugend oder vielleicht gerade vor dem Hintergrund ihrer Jugend und dem daraus resultierenden Wunsch nach einer Ehe und heilen Familie bleibt es mir absolut unverständlich, weshalb sie sechzehn Jahre mit einem so rücksichtslosen Egoisten wie Xaver verschwendet. Dass er egozentrisch, verlogen und unzuverlässig ist, hat sie ja nicht erst bei seinem plötzlichen Abgang festgestellt, sondern - wie man im Rückblick erfährt - schon früher.

    Insgesamt empfinde ich diesen ganzen Roman als sehr bedrückend, um nicht zu sagen deprimierend, gleichzeitig aber auch fesselnd. :-k

    Ich vergebe :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: .

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • vielleicht gerade vor dem Hintergrund ihrer Jugend und dem daraus resultierenden Wunsch nach einer Ehe und heilen Familie bleibt es mir absolut unverständlich, weshalb sie sechzehn Jahre mit einem so rücksichtslosen Egoisten wie Xaver verschwendet.

    Ich vermute, das passiert häufiger als man denkt. Auch in der Realität. O:-) Zunächst ist der unerschütterliche Wunsch da, dass alles sich eines Tages ändern würde. Außerdem denke ich, dass dabei auch das Selbstwertgefühl einer Frau auf ihr Verhalten auswirkt.

    Man hat ja auch in der Realität häufig die Frage: Wieso macht sie das mit? Wieso trennt sie sich nicht von ihm? :-k Scheinbar ist es nicht so einfach.

    Ein Glück, dass es Frauenhäuser gibt. Denn manche wagen den Schritt der Trennung doch. :pray:

    Und das ist eine sichere Anlaufstelle für die Frauen.

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  • Außerdem denke ich, dass dabei auch das Selbstwertgefühl einer Frau auf ihr Verhalten auswirkt.

    Davon bin ich auch überzeugt. Allerdings hat Mathilda ihr Selbstwertgefühl ja schon durch ihr erfolgreich abgeschlossenes Studium und ihren angesehenen Beruf, der ihr Freude macht und einen guten Verdienst einbringt, aufpoliert.

    Ein Glück, dass es Frauenhäuser gibt. Denn manche wagen den Schritt der Trennung doch.

    Frauenhäuser sind wirklich (traurigerweise) eine sinnvolle und notwendige Einrichtung, Mathilda wäre aber kein Fall für das Frauenhaus gewesen, da Xaver nicht gewalttätig war und sie nicht misshandelte. Sie hätte sich jederzeit von ihm trennen können und sollen.

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  • Frauenhäuser sind wirklich (traurigerweise) eine sinnvolle und notwendige Einrichtung, Mathilda wäre aber kein Fall für das Frauenhaus gewesen, da Xaver nicht gewalttätig war und sie nicht misshandelte. Sie hätte sich jederzeit von ihm trennen können und sollen.

    Ich habe es nicht auf die Hauptprotagonistin bezogen, sondern auf die Situation der Frauen allgemein. Bei Mathilda ist es zum Glück nicht zu Gewalt gekommen.

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  • Ich vermute, das passiert häufiger als man denkt. Auch in der Realität.

    Ganz sicher! Wir haben im Büro letztens darüber gesprochen, weil eine Kollegin erzählt hat, wie fies und demütigend ihr Exfreund zu ihr war. Und doch war sie elf Jahre mit ihm zusammen. Auf die Frage "Wieso bist du nicht davongelaufen? Du bist eine selbständige, selbstbewusste Frau? Wieso?" hat sie nur geantwortet, dass es ihr in dem Moment "nicht so schlimm" vorgekommen ist und außerdem wollte sie unbedingt Familie, ihr Kinderwunsch war so groß, dass es ihr im Prinzip egal war, von wem sie dieses Kind bekommt. :roll:

    Geklappt hats nicht, sie wurde nicht schwanger und hat sich irgendwann doch von ihm getrennt.

    Aber jedenfalls wurde ihr erst nach der Trennung bewusst, dass es eigentlich unerträgliche Zustände waren und dass sie sich viel zu viel gefallen gelassen hat.


    Das kann und muss man nicht verstehen.

    Allerdings hat Mathilda ihr Selbstwertgefühl ja schon durch ihr erfolgreich abgeschlossenes Studium und ihren angesehenen Beruf, der ihr Freude macht und einen guten Verdienst einbringt, aufpoliert.

    Das eine hat aber mit dem anderen gar nix zu tun. Siehe oben. Diese Kollegin steht mit beiden Beinen im Leben, hat eine großartige Ausbildung, immer tolle Jobs gehabt und dennoch lässt sie sich von einem Mann runterputzen.


    Mich hat dieses Buch unglaublich berührt. Als ich damit fertig war, bin ich mal einige Zeit nur dagesessen und habe es wirken lassen und auch jetzt noch, nach doch einigen Monaten, wühlt es mich ein bisschen auf, wenn ich daran denke und mich damit beschäftige.