Simon Montefiore ~ Kinder des Winters / One Night in Winter

  • Amazon~Beschreibung:



    Moskau 1945:
    Russland feiert seinen Sieg über Deutschland, da ertönen Schüsse. Ein Junge und ein Mädchen liegen tot auf einer Brücke. Man findet heraus, dass es die Kinder hochrangiger Offiziere waren, und beide gingen auf die angesehenste Eliteschule Moskaus.
    War es ein Unfall oder Mord?
    Es beginnt eine schonungslose Ermittlung. Kinder zwischen sieben und achtzehn Jahre werden verhaftet, Familien werden auseinandergerissen. Und mitten in dieser Hexenjagd beweisen zwei verbotene Lieben, dass die Angelegenheiten des Herzens einen fatalen Preis fordern können.
    Ein mitreißender Roman, der auf einer wahren Begebenheit beruht.



    Meine Meinung:



    Wie ich schon im Thread der Anonymen Büchersüchtigen erwähnt habe, habe ich etwa 1.000 ungelesene Bücher auf meinem Kindle, die allesamt irgendwann mal dort gelandet sind, weil ich die Buchbeschreibung interessant fand.
    Inzwischen habe ich die ganzen Buchbeschreibungen natürlich nicht mehr im Kopf, also lasse ich bei der Auswahl meiner jeweils nächsten Lektüre oftmals das Cover entscheiden.
    Tja, und vor einigen Tagen hatte ich Lust auf eine schöne, heimelige Winter-/Weihnachtsgeschichte und bin beim Stöbern auf meinem Lesemaschinchen über das Cover dieses Buches gestolpert und habe gedacht, dass es bestimmt ganz gut in diese Kategorie passen würde... :-,


    Lange Rede, kurzer Sinn:
    Es passt rein gar nicht in diese Kategorie, aber es hat mich trotzdem völlig begeistet! :pray:


    Die Geschichte beginnt mit der Siegesparade, auf der sich die, in der Beschreibung schon erwähnten, tödlichen Schüssen ereignen und dann werden die Ereignisse von hinten aufgerollt und aufgeklärt.
    Der Anfang liest sich ein bisschen wie "Der Club der toten Dichter":
    Ein sehr engagierter Lehrer mit einer großen Liebe zur Literatur versucht seinen Schülern diese Leidenschaft möglichst spannend und lebendig nahezubringen. Seine Schüler (bis auf eine einzige Ausnahme allesamt Kinder von reichen, privilegierten Oberschichtbürgern) lassen sich begeistert darauf ein. Sie gründen den "Club der hoffnungslosen Romantiker", treffen sich auf Friedhöfen und spielen dort Teile der Puschkin-Literatur nach. Einer der Jugendlichen hält diese Treffen in codierter Form in einem, mit Seide ausgeschlagenem Schulheft fest.
    Diese Treffen gehen so lange gut, bis es eben zu den tödlichen Schüssen kommt (Näheres will ich hier nicht verraten) und dieses codierte Schulheft in die Hände der Regierung fällt und dort als Beweis ausgelegt wird, dass "Der Club der hoffnungslosen Romantiker" eine terroristische Vereinigung sei, die Stalin höchstelbst ermorden will.


    Von da an ist schlagartig Schluss mit lustig.


    Niemand, der auch nur entfernt mit den Mitgliedern des Clubs in Kontakt war, ist fortan mehr sicher. Weder Jugend, noch hohe politische Ämter schützen die Figuren dieses Buches. Kinder werden verhaftet und unter wirklich furchtbaren Bedingungen verhört und jedem, der älter als zwölf Jahre ist, droht die Todesstrafe durch Erschießen.


    Ich möchte hier nichts über den Ausgang der Geschichte verraten, aber die Atmosphäre, die der Autor in seinem Buch rüberbringt, ist unglaublich bedrückend und extremst spannend.
    Der Leser weiß von Anfang an, dass es diese terroristische Verschwörung niemals gegeben hat und erlebt trotzdem mit, wie eine Figur nach der Anderen von dem wirklich grotesken Verfolgungswahn des stalinistischen Regimes eingeholt wird. Absolut gnadenlos. Und im schlimmsten Falle tödlich.


    Die ganze Geschichte wirkte auch deswegen so bedrückend, weil einige der Figuren im engsten Umfeld von Stalin selbst angesiedelt waren und vergnügt mit ihm dinnieren mussten, während ihre Kinder im berüchtigsten Gefängnis Russlands verhört wurden. Hätten sie sich besorgt gezeigt oder Stalin um Nachsicht für ihre Kinder gebeten, wäre ihnen das sofort als Zweifel am Regime ausgelegt worden und sie wären zwangsläufig bestraft worden.
    Denn das Regime macht keine Fehler.



    Simon Montefiore hat hier ein wirklich grandioses Buch geschrieben, das die dunklen Seiten des Kommunismus erschreckend realistisch rüberbringt und das in mir noch lange nachgewirkt hat. Weit über die letzte Seite hinaus.


    Der einzige kleine Makel (so habe ich es zumindest empfunden) waren die mehrfach vorkommenden Zeitsprünge. Eine chronologische Erzählweise hätte ich persönlich hier besser gefunden.
    Ansonsten kann ich dieses Buch nur uneingeschränkt weiterempfehlen. :thumleft:

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen.


    Für mich passt der Titel nicht ganz, da es mit Winter eigentlich nichts zu tun hat.


    Der Autor hat sehr gut recherchiert und vermittelt das schwierige Thema Stalin sehr romanhaft.

  • Gestern habe ich das Buch ausgelesen und ich weiß bis zu diesem Moment gerade noch nicht, wie ich es bewerten soll. Daher schreibe ich jetzt hier meine Meinung nieder und hoffe, dass mir währenddessen darüber klar werde.


    Was ich jetzt schon sagen kann ist, dass es sehr gutes Buch ist, welches ich dennoch nicht gerne gelesen habe.


    Der Schreibstil des Autors und Historikers Simon Montefiore gefällt mir sehr gut, ich würde ihn als klar und präzise bezeichnen. Es fiel mir allerdings schwer, den Überblick über die Vielzahl an Figuren zu behalten. Auch im Ebook gibt es ein Personenverzeichnis, was sich jedoch ganz hinten im Buch befindet und ständiges hin- und her blättern bedeutet hätte. Das ist insbesondere beim Ebook nicht sehr angenehm.


    Die ersten 50 (Ebook-)Seiten haben mich dann zuerst total gefesselt. Das Eintauchen in diese mir völlig fremde Welt war unglaublich interessant. Noch dazu sieht man am Anfang alles durch die Augen von Andrei Kurbski, einem neuen Schüler an der Schule 801 in Moskau.

    Doch dann hatte ich über viele Seiten lang einen "Hänger": ich fand den Club der hoffnungslosen Romantiker leider seltsam und unglaubwürdig.

    Es fiel mir auch sehr schwer, die Charaktere zu verstehen und dementsprechend mit ihnen mitzufiebern. Sie sind halt in einer gänzlich anderen Welt aufgewachsen und großgezogen worden, weshalb ich ihre Handlungs- und Denkweisen oft nicht nachvollziehen konnte.


    Die Skrupellosigkeit und Willkür der Partei, sogar den Kleinsten gegenüber, ist einfach unfassbar. Generell ist es auch einfach unvorstellbar, in was für einem politischen Minenfeld sich die Charaktere im Buch, aber natürlich die tatsächliche damalige Bevölkerung bewegt haben muss.


    Fesselnd wurde das Buch dann für mich ca. wieder ab Seite 170. Da zog dann auch das Tempo ein wenig an.

    Ich muss aber einfach nochmal wiederholen, was ich oben schon geschrieben habe: aufgrund der absolut beklemmenden, eher schon beängstigenden Atmosphäre im Buch habe ich es nicht gern gelesen, was jedoch nicht heißt, dass es nicht gut war. Ich habe mich nur nicht sonderlich wohl gefühlt beim Lesen und hatte eben zusätzlich das Problem, dass ich mit keinem der Protagonisten so richtig mitfühlen konnte, obwohl sie ohne Zweifel schlimmes erlebt haben. Die Geschichte wird mir aber ganz bestimmt noch lange im Gedächtnis bleiben.


    Am Ende des Buchs erzählt der Autor noch, was wahr und was Fiktion ist und wie nah die Geschichte an der Realität war: besonders die Beschreibungen der sowjetischen Familien und Zustände sind offenbar sehr realitätsgetreu geschildert.


    Wie auch immer ich es persönlich empfunden habe, würde ich das Buch dennoch absolut jedem empfehlen, der sich für die Zeit und das sowjetische Regime interessiert.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: kann ich glaube ich guten Gewissens geben.