Bruno Apitz - Nackt unter Wölfen

  • Entweder ich bin zu blöd zum Suchen oder es gibt tatsächlich noch keine Rezi, was mich wundert.


    Autor: Bruno Apitz
    Titel: Nackt unter Wölfen
    Seiten: 586
    ISBN: 978-3-7466-3026-7
    Verlag: aufbau verlag


    Autor:
    Bruno Apitz wurde 1900 in Leipzig geboren und kam 1917 wegen Antikriegspropaganda ins Gefängnis. Danach begann er eine Buchhändlerlehrhre und betätigte sich als Schauspieler. Seit 1927 Mitglied der KPD wurde er ab 1933 mehrfach inhaftiert. Von 1937 bis zurBefreiung war er im KZ Bucvhenwald interniert. In der DDR betätigte er sich als Redakteur, Verwaltungsdirektor der Städtischen Bühnen Leipzig und Dramaturg bei der DEFA. 1955 lebte er als freier Autor in Berlin und starb 1979. Sein erster Roman "Nackt unter Wölfen" wurde 1963 verfilmt, vor kurzem neu verfilmt.



    Handlung:
    Der Roman "Nackt unter Wölfen" erzählt die bewegende Geschichte eines dreijährigen Kindes, das unter den unmenschlichen Bedingungen des KZ Buchenwald von Häftlingen gerettet wird. Aber er handelt ebenso von den Konflikten seiner Retter, die ihrem Gewissen folgen und dabei die Gesetze des kommunistischen Lagerwiderstands brechen. (Klappentext)


    Rezension:
    Genau so wie das Werk von Bruno Apitz neu verfilmt wurde, gab der aufbau-Verlag 2015 eine neue Ausgabe eines Weltbestsellers heraus, der er anfangs gar nicht werden sollte. Als Bruno Apitz die Geschichte schrieb war er länger auf der Suche nach einem Verlag. Nicht wenige lehnten die Geschichte ab. Sie passte anfangs nicht in das Geschichtsbild und Bewusstsein, was der damals noch junge Staat DDR von sich hatte und man wusste auch noch nicht, wie man damit am besten umgehen sollte. Schließlich waren die Jahre der NS-Diktatur noch allzu frisch und der Umgang mit früheren Zeiten mehr als heikel. Zumal unter ideologischen Gesichtspunkten des ostdeutschen Staates. Nachdem zahlreiche Verlage der DDR die Geschichte abgelehnt hatten, sagte schließlich der Mitteldeutsche Verlag zu, druckte eine kleine Auflage. Nach unzähligen Änderungen. Zum Einen wurde die Geschichte der Buchenwalder Kommunisten von der Staatsführung kritisch beäugt, zum anderen war man sich uneins über bestimmte einprägsame Szenen, die den Alltag im KZ beschrieben. Zwischen Leben und Sterben. Doch der Roman avancierte schnell zum Erfolg und war bald restlos ausverkauft.


    So bewegend wie die Geschichte an sich, ist auch die des Autors und die der Entstehung des Romans, sowie des ersten Filmes. Dies rechtfertigt schon alleine diese Neuauflage, die nicht nur die weltbekannte Fassung, sondern auch alle Änderungen sichtbar macht, die Bruno Apitz zähneknirschend hinnehmen musste, um seinen Roman veröffentlichen zu können. Ergänzt wird dies durch eine Biografie des Autors sowie der Erläuterung der Entstehungsgeschichte des Romans, welche als Zusätze diese Ausgabe zu etwas Besonderen machen. Dabei wird auch auf die tatsächliche Geschichte des Stefan Jerzy "Buchenwald-Kindes" aufmerksam gemacht, die nur in der von Apitz veränderten Form zu DDR-Zeiten Beachtung fand und als Tatsache hingestellt wurde.


    Dies tut der Großartigkeit des Rimans keinen Abbruch. Er ist aufrüttelnd und spannend, sofern man davon reden mag, zugleich. Der Schreibstil tut sein übriges dazu und mehr gibt es an sich nicht zu sagen, doch empfiehlt es sich wirklich auch mit der Geschichte von Buchenwald an sich und mit der wahren Geschichte von Stefan Jerzy zu beschäftigen. Auch, wenn dies ins Uferlose führt, für ein umfassendes Gesamtbild ist dies unerlässlich. Ich kann für diese Ausgabe eine unbedingte Empfehlung aussprechen, sei es auch nur wegen der Ergänzungen, die andere Ausgaben nicht haben. Es lohnt sich.

  • Danke, dass du dieses beeindruckende und aufrüttelnde Werk hier rezensiert hast. Es ist eins von den Büchern, die mich als Schullektüre damals tief beeindruckt haben.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Ich habe dieses Buch auch kürzlich gelesen. Kannte bis dahin nur die DDR-Verfilmung. Apitz hat dieses Buch per Hand geschrieben. Wie mag er sich dabei gefühlt haben, seine schlimmen Erinnerungen so niederzuschreiben? Die dann nicht entsprechend gewürdigt, sondern instrumentalisiert wurden.


    Irgendwann möchte ich das Buch noch einmal lesen. Dann aber als Projekt zusammen mit diesen beiden Büchern:



    Tränen allein genügen nicht


    von Zacharias Zweig posthum
    und Stefan Jerzy Zweig
    mit einem Nachwort von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek


    Dieses Buch kann man (ich habe es selbst gemacht) auf seiner Homepage bestellen. Man kann es sich auch signieren lassen: http://www.stefanjzweig.de/

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)

  • Vorauszuschicken ist: Ich hörte von diesem Buch erst nach der Wende, als ich zufällig Vergleichslisten der Schulliteratur der DDR und der BRD in die Hände bekam.


    Bevor ich es jetzt endlich las, machte ich mich erst mit der Rezeptionsgeschichte vertraut, las den Anhang zuerst und dazu einige Artikel über den Autor, das „Buchenwald-Kind“ Stefan Jerzy und die weitere Geschichte des Lagers.


    Es sind normalerweise (auto)biographische Berichte, die man aus den KZs liest, wobei man natürlich weiß, dass Erinnerungen keine Abbildungen der Wirklichkeit sind. Doch dieser Roman ist anders: Auf der einen Seite der Autor, der ein Stück seines Lebens erzählt, auf der anderen Seite die Fiktion um das Kind. Und das, was aus dem gemacht wurde, was Apitz zu berichten weiß.


    Daher habe ich mit „angezogener Handbremse“ gelesen, denn es ist schwierig, seinem Kopf, der voller Assoziationen zur Realität der KZs ist, beizubringen, sich auf eine semi-fiktionale Ebene zu begeben.


    Aus diesem Grund empfand ich die angehängten „Sechs Texte über Buchenwald von Buchenwald-Häftling Nr. 2417“ aus der Feder des Autors als die bedrückendsten und aufwühlendsten Seiten des Buches.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Zu meinem Beitrag oben muss ich noch anfügen, dass mir eine Bewertung aus den angegebenen Gründen nicht möglich ist.


    Und: Dank an @maiglöckchen für die Leihgabe und das mehrmalige Verlängern der Ausleihfrist :lol: .

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  • Zu meinem Beitrag oben muss ich noch anfügen, dass mir eine Bewertung aus den angegebenen Gründen nicht möglich ist.

    Du hast das Buch dann doch ein Jahr später bewertet. Hast Du es nochmals gelesen ?

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • freddoho , manchmal muss ein Buch eine Zeitlang sacken, dann kann ich besser nachfühlen, wie das Lesen für mich war. Das ist vor allem bei Büchern so, die aufwühlen.

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  • "Nackt unter Wölfen" - ich hätte das Buch viel früher schon lesen sollen. Es hinterlässt einen bleibenden Eindruck. :cry:

    Die Geschichte der Häftlinge vom Konzentrationslager Buchenwald im Frühjahr 1945, der kommunistischen Organisation unter den Gefangenen und eines kleinen Kindes, das in einem Koffer in das Lager eingeschleust worden ist, und von Häftlingen versteckt worden ist. Dieser dreijährige Junge wurde in dem Roman zu einem Symbol für den Zusammenhalt, Mitgefühl und Kampf gegen Nazi. Der Roman ließ mich nicht kalt. :(

    Die Erzählweise hat entfernt an das Geschehen im KZ erinnert, stellenweise abgehackt, trocken und da, wo es notwendig war, sachlich. Wenn es zu emotional zuginge, hätte man solche Szenen, wie Gefangenen im Bunker, Leichen, die täglich nach Buchenwald gebracht worden sind oder im KZ hingerichtet oder verstorben waren, die Folter... gar nicht lesen können.

    Was mir noch sehr gut gefallen hat, war der Anhang. Eine ganz tolle Ausgabe des Romans, die auch die Biografie vom Autor, Geschichte der Entstehung des Romans und reale Briefe von Gefangenen des KZ, bietet. Sehr bewegend.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: Sterne und eine Empfehlung.

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • Bruno Apitz, 1900 geboren, war in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert, zuletzt acht Jahre bis zur Befreiung im KZ Buchenwald.

    Schon ziemlich zu Beginn bin ich über diesen Satz gestolpert:


    Deutsches Volk, was für ein Rindbvieh bist du ... Erst verdunkelst du dir das Gehirn und dann die Fenster.


    Wenn ich so schaue, mit was viele sich heutzutage beschäftigen, was die Masse für ein TV-Format schaut, wie die Politiker uns für dumm verkaufen und nur noch eine Politik des Geldes betreiben, dass der Paragraf 1 des Grundgesetzes schon längst überholt ist, was uns alles verschwiegen wird, was für Kriegstreiber wir eigentlich sind, da finde ich das Zitat beängstigend aktuell.


    Zweiter Weltkrieg, die letzten Monate vor der Befreiung.


    Ein kleiner Junge wird von einem polnischen Häftling mit ins KZ Buchenwald geschmuggelt. Ein paar Männer verstecken ihn entgegen den Befehlen des illegalen Internationalen Lagerkomitees, als der Pole nach Bergen-Belsen verlegt wird. Das wäre das Todesurteil des Jungen gewesen.


    Dieser kleine Junge bringt aber nun alle, die von ihm wissen, in Gefahr. Und der Kreis derer, die Bescheid wissen, wird immer größer. Pippig nimmt die Sache in die Hand. Kümmert sich; sogar Milch treibt er für den Kleinen auf.


    Dann taucht ein Zettel auf, der in die falschen Hände gerät. Im Lager soll ein Kind versteckt sein. Höfel und Kropinski, die in der Effektenkammer arbeiten, werden aufs Schwerste gefoltert. Die Genossen, die sich im Geheimen treffen, überlegen, wie ihnen geholfen werden kann.

    Die Effektenkammer bekommt einen Neuen. Als Ersatz für Höfel und Kropinski. Doch die Männer bekommen raus, dass dieser Wurach ein Zinker ist.

    Und wieder ist es Pippig, der sich in Gefahr begeben muss. Versteckte Waffen müssen umgelagert werden.


    Höfel und Kropinski befinden sich immer noch in Zelle Nr. 5. Höfel lag nach der Tortur mit der Leimzwinge mit hohem Fieber auf dem nasskalten Zementboden. Seine Peiniger stehen um ihn herum und horchen, ob er in seinem Fieberwahn seine Geheimnisse preisgibt.


    Neue Häftlinge werden gesucht, aus denen man etwas herauspressen könnte: Rose, der vor Angst schlottert, und Pippig.


    Die Befreier rücken immer näher. Aber schaffen sie es rechtzeitig? Ich fiebere mit ihnen mit. Wage mir nicht auszumalen, was nun mit Pippig geschieht. Oder mit Höfel, über den Reineboth gerade sagt:


    Heb ihn und den Polen noch auf, die laufen uns nicht davon. Lass den Mandrill noch eine Weile mit ihnen spielen, vielleicht quetscht er doch noch was aus ihnen raus. Umlegen kann er sie am letzten Tage noch. Abgeschrieben sind sie ja bereits...


    Mir kommen die Tränen bei so viel Menschenverachtung.


    Plötzlich geistert das Wort "Evakuierung" herum. Was sollen die Genossen tun? 50.000 Menschen evakuieren lassen und damit unweigerlich in den Tod schicken? Diese Entscheidung muss das ILK treffen.


    Pippig holten sie zum Verhör und Rose bleibt in der Zelle alleine zurück. Er erinnert sich an die ersten Jahre im Lager:


    Den Graben hatten wir zuzuwerfen, das war unsere Arbeit. Wie harmlos das klingt! Haben Sie eine Ahnung! [...] Aber da gibt's noch Schlimmeres. Die verfluchte Scheißerei! Du möchtest dir die Hosen herunterreißen und an Ort und Stelle ... Das ist verboten. Du musst dich beim Posten abmelden und in den Wald gehen. Hahahaaa, in den Wald ... Das heißt: über die Postenkette, und wer da drübergeht, wird auf der Flucht erschossen. Nun scheiß mal ... Aber der Wanst will dir auseinanderplatzen! Im letzten Moment, wenn es schon in die Hosen abgehen will, ist dir alles egal. Scheißen ist notwendiger als sterben. Du lässt die Picke fallen, stolperst über den Erdhaufen zum Posten, die Sensenmesser zerschneiden dir den Rücken, zitternd ziehst du vor dem Knaben dein Krätzchen. "Häftling bittet austreten zu dürfen..."


    Kauerst du dich nun zu nah bei dem nieder, dann springt er auf dich los, kracht dir den Kolben ins Kreuz: "Schwein! Willst du mir deinen Mist vor die Nase setzen?" Gehst du aber einen Meter zu weit, dann reißt er vielleicht den Karabiner an die Backe...


    In der Neuauflage vom Aufbau-Verlag stehen viele Wörter, Satzteile und Sätze in Klammern, die in vorherigen Ausgaben nicht vorhanden sind. Es sind meist Passagen, die sehr krass klingen. Die die Gefahr und den Ernst der Lage noch deutlicher wiederspiegeln. Auch wie die SS mit den Gefangenen umgeht, wird mit solchen Passagen deutlicher.


    Das Schlimme ist ja: Die politischen Gefangenen mussten in den KZ Ungeheuerliches erleiden. Und wenn sie das überlebt haben und dann in der DDR weitergelebt haben, haben sie unter Umständen Ähnliches wieder erleben müssen.

    Es sei denn, sie haben sich angepasst.

    Jede Diktatur hat ihre Foltermethoden und die der DDR-Stasi war gar nicht so weit entfernt von denen des Naziregimes.

    Das Makabere dabei: In den DDR-Kriegsfilmen wurde oftmals gezeigt, dass kurz vor der KZ-Befreiung noch eine Hauptfigur starb. Früher habe ich vor dem TV gesessen und geheult. Heute frage ich mich, ob es für denjenigen nicht besser gewesen ist.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)