Karen Duve - Regenroman

  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    die selbstbezogenen Charaktere interessieren mich nicht, wegen Langeweile abgebrochen
  • Klappentext:
    Als der Hamburger Schriftsteller Leon sein Traumhaus am Rande eines ostdeutschen Moores findet, scheint alles bereit für eine glückliche Idylle. Aber das Moor und der Morast menschlicher Beziehungen sind tückisch. So, wie die Schneckenplage und der unablässige Regen die Grundmauern des Hauses angreifen, so durchdringen Gleichgültigkeit und Kälte Leon und seine Ehe. Ein zugelaufener Hund und die erotischen Verwirrungen um die herbe Kay und ihre nimmersatte, fette Schwester Isadora beschleunigen den Zerfall. (Amazon)


    Zur Autorin:
    Karen Duve wurde 1961 in Hamburg geboren und lebt heute auf dem Lande bei Berlin. Sie wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, ihre Weihnachtsgeschichten "Weihnachten mit Thomas Müller" (2003) und "Thomas Müller und der Zirkusbär" (2006) sind inzwischen Klassiker. Ihre Romane "Regenroman" (1999), "Dies ist kein Liebeslied" (2002) und "Die entführte Prinzessin" (2005) - waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. (von der Eichborn-Verlagsseite kopiert)



    „Die Zeit“ sagt:
    „Der Roman hält Tempo, ohne abzustürzen, er gurgelt gewissermaßen seinem Abgrund zu, als würde er von innerem Saug- und Fliehkräften beschleunigt.“


    Elke Heidenreich sagt:
    „Eine Sprache, eine Lässigkeit, ein Witz, wie ich sie lange in Deutschland nicht mehr gelesen habe … Ich kann mich nicht erinnern, wann zuletzt ein deutsches Buch mich so unterhalten und amüsiert hat.“


    „Der Spiegel“ sagt:
    „Eine Erzählerin, die neugierig auf die Welt ist.“


    (Alle Zitate vom Buchrücken)


    Ich sage:
    Fast 300 Seiten lang habe ich mit Ekel gekämpft. Auch jetzt noch verspüre ich ein seltsames Würgegefühl im Hals. – Naja, wenn die Autorin genau das provozieren wollte, hätte sie wohl 5 Sterne verdient. -
    Ein junges Ehepaar in einem Haus weit ab von jeder Siedlung. Sie: unsicher, ess-brechsüchtig, er: arrogant, egomanisch, das Haus: baufällig, feucht. Sie bezahlen das Haus von dem Vorschuss, den Leon für das Verfassen der Memoiren von Kiez-Größe Pfitzner erhalten hat. Es regnet.


    Wie das Haus aussieht, scheint Leon und Ehefrau Martina nicht zu stören. Dass die Feuchtigkeit durch alle Ritzen sickert, aus den Wasserhähnen braune Brühe tröpfelt und der Garten aus nichts als morastigem Boden besteht, wird widerspruchslos hingenommen. Es regnet.


    Wer jemals eine Handvoll Schnecken im Salatbeet hatte und ihnen mit Bierfallen, Salz oder chemischen Keulen zuleibe rücken wollte, kann sich vorstellen, was eine Schneckeninvasion bedeutet. Und wenn durch irgendeinen bösen Umstand die in Eimern gesammelten Schnecken zerquetscht und … nein, hab keine Lust, wieder zu würgen.
    Es regnet.


    Von den beiden Frauen im entfernten Nachbarhaus erweist sich Kay als kompetente Beraterin in Sachen Trockenlegung, während die fette Isadora es auf Leons Sch**** abgesehen hat und, um an ihr Ziel zu gelangen, morgens vor Leons Fenster Moorbäder nimmt, nackt selbstverständlich. Es regnet.


    Pfitzer ist nicht damit einverstanden, dass Leon an einer Schreibblockade leidet und rückt ihm auf den Pelz. Nach einem Bandscheibenvorfall kann Leon gar nichts mehr, weder am Haus werkeln, noch schreiben, lediglich Isadora bringt Leben in eins seiner weggetretenen Körperteile. Die Schnecken stört das alles nicht. Es regnet.


    Eine zwei Seiten detailliert beschriebene Vergewaltigung, die leider nicht Leon zugefügt wird, mochte ich schon gar nicht mehr lesen; nach dem Ekel vor Schnecken, morsch-klammem Haus und der Unmöglichkeit, den eigenen Körper sauber und trocken zu halten, war das wirklich zuviel. Es regnet.


    Schade, dass ich mit Duves Humor so gar nicht klar kam, denn ihre Sprache gefiel mir außerordentlich gut. Flüssig, mit originellen Wendungen und sehr lebendig, dabei klar und (leider) überdeutlich.


    Ja, liebe @mofre, die du das Buch neulich erst gelesen und mit 4 Sternen bewertet hast, ich weiß: Man sollte das Buch wohl eher als Satire lesen. Aber in deinen warmen südlichen Gefilden ist der Begriff „Schneckenplage“ vermutlich ein Fremdwort. :|

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Schneckenplagen hatten wir hier im Süden auch schon, aber trotzdem, bäh, ich habe das Buch ähnlich empfunden wie du. Die Lektüre ist zwar schon sehr lange her, und ich meine, es gibt von mir dazu auch keine vernünftige Rezension, aber dieses unterschwellige Ürgs-Gefühl beim Lesen ist mir noch gut in Erinnerung, ebenso die allgemeine Trostlosigkeit.


    Falls Du Frau Duve noch mal eine Chance geben willst, und zwar in einem ganz anderen Genre: "Die entführte Prinzessin" fand ich tatsächlich ziemlich lustig.

  • Danke @Marie für Deine Rezi - ich musste tatsächlich grinsen beim Lesen. Ich selbst hab von Karin Duve noch nichts gelesen, aber jetzt weiß ich zumindest, womit ich bestimmt nicht den Anfang machen werde. :loool: Ich frag mich nur gerade, warum auf dem Cover ein Frosch und nicht eine der Schnecken abgebildet ist? :-,

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ich frag mich nur gerade, warum auf dem Cover ein Frosch und nicht eine der Schnecken abgebildet ist? :-,

    Der ist auch feucht und schleimig, sieht aber nicht ganz so eklig aus?


    Ich habe übrigens gerade in meiner Lesedatenbank nachgeschaut und festgestellt, dass ich dem Buch nur 1 Stern gegeben habe. Demnach hätte ich es sogar abgebrochen (hab ich wohl verdrängt).

  • Schneckenplagen hatten wir hier im Süden auch schon

    Ich meine den Süden, wo mofre wohnt, Rom. Oder wohnst du noch weiter südlich?


    Schneckenplagen in Deutschlands Süden kenne ich zur Genüge. :shock:
    Von Karen Duve kenne ich "Taxi" und "Das ist kein Liebeslied". Beide haben mich nicht vom Hocker gerissen, aber die Sprache der Autorin gefällt mir. Und die Rezensionen von "Die entführte Prinzessin" hören sich auch gut an. Ich habe es mal auf meine Wunschliste gesetzt.


    @Squirrel , Frösche kommen auch vor, aber nicht in der Menge wie Schnecken. Aber wenn man in einem Graben voller Froschlaich steht und mit dem Kopf zuerst abrutscht ... das kann auch eklig sein.

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  • @Squirrel , Frösche kommen auch vor, aber nicht in der Menge wie Schnecken. Aber wenn man in einem Graben voller Froschlaich steht und mit dem Kopf zuerst abrutscht ... das kann auch eklig sein.

    okay, ich glaub, ich brauche keine weiteren Details zum Buch :ergeben:

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Ich sage:

    Mich interessiert es mehr, was Du sagst, als was die anderen Herrschaften sagen...und ich weiß jetzt, dass ich dieses Buch gar nicht erst in Erwägung zu ziehen brauche. Vielen Dank!

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich fand keinen Hinweis in meinen Aufzeichnungen, dass ich die Dame gelesen hätte, doch vielleicht habe ich das Buch so schnell abgebrochen, vor Jahren, dass ich es gar nicht bewertet und gelistet hatte?

    Zur Autorin:...ihre Weihnachtsgeschichten "Weihnachten mit Thomas Müller" (2003) und "Thomas Müller und der Zirkusbär" (2006) sind inzwischen Klassiker.

    Das ging ja flott!

  • Der Regenroman ist eins der Bücher, das mir am längsten im Gedächtnis blieb. Diese derart dichte Stimmung war für mich atemberaubend.
    Ich habe letzte Woche mit Moor von Gunther Geltinger begonnen und würde behaupten, dass man auf seine Kosten kommt, wenn man den Regenroman mochte.


    Für mich ist Der Regenroman ein nahezu perfekt.

  • Mein dritter Karen-Duve-Roman, und mein erster Abbruch. Fräulein Nettes kurzer Sommer habe ich so gern gelesen, dass ich ihn als eines meiner Highlights für 2018 betrachte. Danach habe ich Macht gelesen, der mich auch ziemlich beeindruckt hat, weil ich nicht nur den obsessiv-durchgedrehten Bassi im Roman gesehen habe, sondern vor allem die Beschäftigung mit den zentralen Fragen, warum der Mensch eigentlich so sehr nach Macht giert und ob nicht genau diese Gier nach Macht die Welt in den Untergang führt (Ich habe während der gesamten Lektüre immer an Elon Musks Aussage denken müssen, dass die Menschheit die erste Spezies ist mit der Fähigkeit zur Selbstvernichtung: "We are the first species capable of self-annihilation"). Ich hoffe nur inständig, dass Frau Duve in diesem Roman nicht irgendwelche verdrehten eigenen Sexfantasien ausgelebt bzw. ausgeschrieben hat (nur so am Rande als beunruhigender Gedanke)



    Aber Frau Duves Regenroman sagt mir gar nicht zu, und ich habe mich entschlossen, ihn nach den ersten drei Kapiteln mit hundert Seiten abzubrechen. Als Gründe könnte ich mehrere anbieten, welche genau bzw. in welcher Kombination zutreffen, darüber bin ich mir nicht ganz im Klaren:


    1. Vielleicht sind drei Bücher hintereinander von derselben Autorin einfach zuviel?


    2. Der Regenroman ist einer ihrer früheren Romane und möglicherweise hat sich Karen Duve seitdem als Schriftstellerin positiv (für mich zumindest) entwickelt? Immerhin empfinde ich diesen Roman als nur vordergründig mit Charakteren, die ziemlich um sich selbst kreisen - ich habe mich extrem gelangweilt. Und wenn ich lese, was Marie bzgl. Ekelfaktoren im Buch geschrieben hat, dann bin ich mir sicher, dass ich darauf verzichten kann. Das ist mir als Satire dann ein bisschen zu laut und kreischend (so in etwa wie Böhmermann-Humor, den muss ich auch nicht haben, auch wenn er in bestimmten Kreisen als "vom Feinsten" deklariert wird - sind halt definitiv nicht meine Kreise ...)


    3. Möglicherweise sind die Bücher von Frau Duve sehr "modische" Bücher, die enorm gut ankommen in einer ganz bestimmten, wenige Jahre umfassende Zeit? (So in etwa wie Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins von Milan Kundera, von dem in den Jahren nach seiner Erscheinung fast ausnahmslos alle begeistert waren, und der heute die meisten Leser überhaupt nicht anspricht). Immerhin wäre das eine Erklärung, warum mir die beiden aktuellsten Romane der Autorin gefallen haben.


    Ich denke, ich lasse es mit den Büchern dieser Autorin erst mal gut sein und versuche es dann vielleicht lieber mit ihrem nächsten Roman, wenn sie wieder mal einen veröffentlicht.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog