Bernard Malamud – Der Fixer/The Fixer

  • Original : The Fixer (Englisch/USA, 1966, deutsche Übersetzung 1968)


    INHALT :
    Yakow Bok ist der «Allroundreparierer » (= Fixer), der im Jahre 1911 aus seinem shtetl nach Kiew zieht, um sein Glück zu versuchen. Er war nach kinderlosen sechs Ehejahren (und seiner Schuldzuweisung an Frau Raisl) von ihr verlassen worden und träumt nun vom kleinen Glück und einem Neuanfang : ein kleiner Posten, Zeit zu lesen und zu träumen. In Kiew verschweigt er, dass er Jude ist und gewinnt durch seine zuverlässige Weise schnell einen guten Posten. Doch als in der Nähe ein Mord an einem Jungen begangen wird erscheint er als idealer Schuldiger : alles verschwört sich im herrschenden Antisemitismus unter Zar Nikolaus II gegen ihn, bzw wird ihm, wider besseren Wissens sogar, zur Last gelegt und arrangiert, bis hin gar zu einem den Juden zugesprochenen « Ritualmord » an diesem Jungen. Bok wird festgenommen und inhaftiert, und wird während der folgenden Monate und Jahre trotz aller immer einengenderen Haftumstände und Grausamkeiten immer an seiner Unschuld festhalten.


    BEMERKUNGEN :
    Wow, was für ein Buch von einem mir bis neulich unbekannten amerikanisch-jüdischem Schriftsteller.


    Mit den ersten Zeilen stehen wir mitten im Geschehen : Aufruhr und Lärm. Bald dann finden wir die fünf Monate zurückliegende Vergangenheit : einen niedergeschlagenen, sich aber auch aufbäumenden Yakow , der nach einigen kinderlosen Ehejahren von seiner Frau verlassen wurde, und dann sogar für einen « goyim », einen Nichtjuden. Auf einen grünen Zweig gekommen war er nicht. Und er hadert mit seinem Gott, will es anders versuchen, trotz aller Ermahnungen von seinem gläubigen Schwiegervater. Hat sich eigentlich alles gegen ihn verschwört, läuft alles den Bach hinunter? Bis hin zum Klepper, der das Wägelchen nicht ziehen will, oder den Fährmann, der ihm geizig (« jüdisch »???) den letzten Rubel aus der Tasche zieht und gleichzeitig über die Juden pestet ? Oh, in Kiew hätte man einen Augenblick lang meinen können, dass ihm in unbekannter Identität gar ein Glück aufsteht : bei einem Angehörigen der « Schwarzen Hundert » (einer zartreuen, antijüdischen Bruderschaft) findet er – nachdem er ihm das Leben gerettet hat (sic!) - eine Arbeit. Die behinderte Tochter drängt sich ihm nahezu auf… Doch kann man verstecken, wer man ist, selbst wenn man sein Jüdischsein eigentlich als nicht mehr entscheidend versteht ?


    Als in der Nähe ein schrecklicher Mord an einem Jungen begangen wird finden seine Widersacher in ihm den idealen Schuldigen. Auch die wenigen « Freunde », wie halt der bislang so großzügige Judenhasser oder seine Tochter « haben es immer gewußt » und drehen den Spieß um. Er wird festgenommen und landet zunächst für einen Monat in einer Gemeinschaftszelle. Danach aber in Einzelhaft unter immer noch schrecklicheren Bedingungen. Er durchlebt Demütigungen, Schmach, Verlust des Zeitgefühls, die Härten einer feuchten, kalten, dunklen Zelle, die nahezu Gestalt annimmt... Diese Gefängniszeit nimmt gut und gerne drei Viertel des Buches ein - unglaublich! Finden wir Wiederholungen ? Sicher. Doch mit Yakow durchleben wir die Jahreszeiten und die unendliche Länge.


    Wie aber gelingt es Malamud, dass diese so niederschmetternde Schilderung eines Unschuldigen doch nicht dessen innere Widerstandskraft beugt ? Bok ist nicht ein Superheld, doch letztlich läßt er sich nicht auf die andere schuldzuweisende Spielchen ein UND beharrt doch auf seiner Unschuld. Und hier rühren wir an eine Tiefe einer Lesart, die sich vielleicht nicht auf den ersten Blick erschließt ? Es ist die Geschichte des Leidensmenschen, der auf der rechten Seite steht, oder, um auf eine biblische Gestalt zu sprechen zu kommen : eines Hiob, oder gar – denn er erkennt sich fragend und staunend im Gekreuzigten wider – des Juden Jesus. Könnte man ihm eventuell eine Herzenshärte gegen seine Frau ankreiden (er denkt später da an eine Schuld), so ist er doch immer wieder auf der rechten Seite. Kleine Gesten und Worte zeigen ihn in noch ganz anderer Weise als « Reparierer » ( = Fixer) !


    Allein wegen seiner sogar teils abgewiesenen Zugehörigkeit zum jüdischen Volk wird Bok zu einer stellvertretenden Gestalt, die sein Einzelschicksal übersteigt. Was ihm hier im zaristischen Russland von Nikolaus II geschieht und droht betrifft nicht nur ihn, sondern hat eine universelle Tragweite. Wie es an einer Stelle heißt : « Wenn wir dich nicht nehmen, nehmen wir halt einen anderen. » Es läßt erschauern, doch es ist nun mal so, dass dieser Roman von einem tatsächlichen Fall spricht, der 1911-1913 Europa empörte, siehe auch : http://de.wikipedia.org/wiki/Beilis-Aff%C3%A4re


    Hinter seinen Schreien, seinem Aufbäumen, seinem Fluchen und Leiden, hat Yakow eine unglaubliche Widerstandskraft und bleibt Mensch. Das Buch erscheint mir zeitlos aktuell und verdient einen Platz im Literaturkanon. Eine tolle Entdeckung für mich !


    Der Roman « Der Fixer » gewann 1966 den National Book Award und 1967 den Pulitzer-Preis in der Sparte Fiktion. Er wurde unter der Regie von John Frankenheimer unter dem deutschen Titel « Ein Mann wie Hiob » 1968 verfilmt.


    Hier auch noch ein Link zu einem hervorragenden Beitrag von Heinrich Böll zu diesem Roman in einem « Spiegel » von 1968 : http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45878737.html (Vorzugsweise NACH der Lektüre des Buches lesen!?)


    AUTOR :
    Bernard Malamud (* 26. April 1914 in Brooklyn, New York City; † 18. März 1986 ebenda) war ein jüdisch-amerikanischer Schriftsteller. Sein Werk, für das er zweimal den National Book Award und einmal den Pulitzer-Preis erhielt, umfasst neben fünf Romanen und dem Fragment eines Theaterstücks mehr als 40 Kurzgeschichten. Von der Literaturkritik wird Malamud, dessen Erzählungen und Romane auch international Anerkennung fanden, neben Saul Bellow und Philip Roth zu den bedeutendsten jüdisch-amerikanischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts gezählt.


    Er wurde als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer geboren. Seine Eltern Max und Bertha Fidelman Malamud betrieben sechzehn Stunden am Tag einen kleinen Lebensmittelladen in Brooklyn.


    Nach Beendigung seiner Schulausbildung an der Erasmus Hall High School studierte er am City College of New York und an der dortigen Columbia University; anschließend war er als Regierungsangestellter tätig und unterrichtete an Abendschulen. Von 1949 bis 1961 lehrte er Englisch an der Oregon State University, seit 1961 am Bennington College in Bennington (Vermont) Literatur- und Sprachwissenschaft und kreatives Schreiben.


    Erst in den späten 1940er Jahren begann er zu schreiben; zunächst Kurzgeschichten, später auch Romane. Hierfür reiste er u. a. nach Europa, in die Sowjetunion sowie nach Israel. Er schrieb zahlreiche Kurzgeschichten und einige Romane, die sich vorrangig der Stadt New York mit jüdischem Bezug widmen.


    Von 1979 bis 1981 wirkte Bernard Malamud als Präsident des amerikanischen P.E.N.-Clubs. Er verstarb 1986 an einem Herzinfarkt.
    (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_Malamud )



    Ich zitiere ebenfalls diese mE hervorragenden Bemerkungen zum Werk Malamuds aus der wikipedia :



    Broschiert: 361 Seiten
    Verlag: Piper (März 2001)
    ISBN-10: 3492115640
    ISBN-13: 978-3492115643

  • Hier ein Link zu einer Ausgabe im englischen Original :


    The Fixer

  • Danke @tom leo für Deine Rezension und dass Du immer wieder solch vergessene Schätze ausgräbst. Dieser hier ist sofort auf meiner Wunschliste gelandet. :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier