Ich habe die günstige englischsprachige Version dieses Thrillers als eBook gelesen (Originalausgabe im nächsten Post).
Der Klappentext der deutschen Ausgabe:
Er ist kein gewöhnlicher Ermittler. Jefferson Winter ist Profiler. Und der Sohn eines berüchtigten amerikanischen Serienmörders. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, grausame Täter wie seinen Vater zur Strecke zu bringen. Doch manchmal fragt er sich, ob er etwas von dessen dunkler Seite geerbt hat. Und ob das der Grund dafür ist, dass er sich so gut in sadistische Mörder hineinversetzen kann …Für einen besonders verstörenden Fall wird er nach England gerufen: Bereits vier junge Frauen sind einem perfiden Täter in die Hände gefallen, der seine Opfer nicht tötet, sondern ihnen einen Teil des Gehirns entfernt – womit er ihr Leben faktisch vernichtet. Jetzt ist eine fünfte Frau verschwunden. Jefferson muss und wird alles daransetzen, den Täter zu finden, bevor auch ihre Seele zerstört wird.
Zum Autor:
James Carol geboren 1969 in Schottland, hat bereits als Gitarrist, Toningenieur, Journalist und Pferdetrainer gearbeitet. Er lebt mit seiner Familie in Hertfordshire/England.
Das Buch Broken Dolls ist wohl sein Debut-Werk.
Grundsätzliches:
Die englische Ausgabe hat 389 Seiten, die deutsche 384. Die Erzählung wird hauptsächlich in der Ich-Perspektive aus Sicht des Ermittlers Jefferson Winter vermittelt. Es gibt aber Szenenwechel, in denen das Schicksal des fünften Opfers aus der dritten Perspektive erzählt wird.
Meine Meinung:
Mit Broken Dolls liefert James Carol einen ziemlich spannenden Thriller ab, der nichts vollkommen neu erfindet und bekannte Stilmittel des Thrillergenre miteinander vermischt.
Hervorzuheben ist für mich der exzentrische Ermittler: Jefferson Winter ist der Sohn eines Serienmörders, hat jahrelang beim FBI gearbeitet und dort selbst gekündigt, weil seine Ermittlungsmethoden nicht immer "ins Schema passen". Jetzt ist er selbständiger Profiler, der bei schwierigen Fällen hinzugezogen wird. Und dies ist ein schwieriger Fall: ein Mörder, der seine Opfer nicht umbringt, sondern "nur" eine Lobotomie durchführt - die Opfer sind also nicht mehr wirklich menschlich, nur noch die Grundfunktionen des Körpers funktionieren - was den Untertitel der deutschen Ausgabe sehr berechtigt erscheinen lässt. Das entsprechende Werkzeug wird auf dem Cover der deutschen Ausgabe gezeigt und es ist schockierend, dass solche Verfahren in der Psychiatrie wirklich einmal angewendet worden sind!
Der Charakter von Jefferson Winter ist durchaus interessant (Sohn eines Serienmörders, Kettenraucher, weiße Haare, hochintelligent), aber ich empfand ihn auch teilweise als zu übertrieben dargestellt. Er besitzt eine m.M.n. extreme Selbstsicherheit und Arroganz, die ich manchmal als nervend empfand. Trotzdem sind seine Gedankengänge interessant und dies ist ein Buch, in dem der Profiler tatsächlich etwas bringt und bewirkt außer den ständigen Dauerphrasen ("Der Täter ist sehr kontrolliert, sehr intelligent, hat Machtphantasien" - solcher Kram), obwohl man Jeffersons Gedankengänge vielleicht nicht nachvollziehen kann.
Es stimmt auch, dass seine Ermittlungsmethoden manchmal nicht den Regeln entsprechen: Keine Zeit für einen Durchsuchungsbefehl? Na gut, dann lass uns mal einbrechen! Der Befragte wünscht einen Anwalt? Na, für so etwas haben wir aber jetzt keine Zeit! Er ist immer auf Effizienz getrimmt und das kann man durchaus manchmal verstehen. Wer nicht auf Superhelden steht, sollte unter Umständen die Finger von Carols Buch lassen.
Aus dem Rahmen fällt weiterhin, dass das Buch eigentlich erst bei dem fünften Opfer richtig anfängt. Als Leser erfährt man nicht viel von den vorherigen Taten, außer dass der Modus Operandi gleich ist.
Ins Thriller/Krimi-Lehrbuch passt dagegen wieder die bildhübsche, toughe und karrierebewusste Assistentin des Profilers. Diese fand ich aber durchaus interessant gestaltet und mir war immer unklar, wie die Beziehung am Ende aussehen könnte. Ich fand das Verhältnis zwischen Jefferson Winter und Templeton stets interessant.
Die Erzählung ist ziemlich spannend, weil immer wieder Kapitel aus der Sicht der fünften gefangenen Frau eingemischt werden und der Leser die Handlung auch aus der Sich des Opfers verfolgt. Hier sollte man sich bewusst sein, dass der Thriller eher zu denen der brutalen Sorte a la Chris Carter gehört: mit Gewalt und Psychospielen wird nicht gespart und es gab doch ein paar Wendungen, die mich überrascht und entsetzt haben. Das Buch ist durchaus mit den Werken von Chris Carter zu vergleichen, denn auch in diesen gibt es einen hochintelligenten Ermittler und einen richtig bösartigen Serientäter. Allerdings ist mir Carters Hauptcharakter doch irgendwie sympathischer. Hinsichtlich der Intelligenz liegt aber wohl Winter vorn - er zieht durchaus beeindruckende Schlüsse.
Gefesselt hat mich das Buch trotzdem - ich habe es an drei Tagen ausgelesen und ich fand nicht einmal, dass es einen für Thriller/Krimis typischen besonders langweiligen Mittelteil gab. Das Ende war leider ab einem bestimmten Punkt vorhersehbar, weil ein sehr typisches Mittel eingesetzt wurde (nicht der Täter war vorhersehbar, sondern wie das Ende gestaltet sein würde). Zumindest den Vornamen des Täters kennt man auch schon ziemlich früh - wichtig ist nur, dass die Ermittler ihn nicht kennen.
Fazit:
Empfehlenswerter Thriller, der auf einen hochintelligenten und eigentlich unsympathischen Hauptermittler setzt, der immer bekommt, was er will. Gleichzeitig ist der Täter wohldurchdacht und die Tatsache, dass er seine Opfer nicht wirklich umbringt schockierend und regt zum Weiterlesen an. Ist ruckzug weggelesen! Von mir gibt es vier Sterne.