Tahmima Anam – Zeit der Verheißungen/A golden age

  • Original : A golden age (Englisch, 2007)
    Übersetzung : Anke Caroline Burger, 2010


    INHALT :
    Dhaka, Ostpakistan, am Vorabend des Unabhängigkeitskrieges. Rehana Haque ist glücklich: Wie jedes Jahr feiert sie die Rückkehr ihrer Kinder Maja und Sohail, die sie nach dem Tod ihres Mannes zu verlieren gefürchtet hatte. Im Garten ihres Hauses blühen die Rosen, ihr Spezialgericht Biryani ist gelungen, die Kinder, bald erwachsen, sind noch immer der Mittelpunkt ihres Lebens und erwidern die Liebe der Mutter respektvoll und zärtlich. Doch in der Stadt brodelt es. Der bengalische Oppositionsführer Mujib hat die Wahl gewonnen, aber die pakistanische Regierung weigert sich, ihn anzuerkennen. Aufruhr liegt in der Luft. Maja und Sohail, die in der Studentenbewegung für die Unabhängigkeit engagiert sind, zieht es zu ihren Freunden. Doch keiner von Rehanas Gästen ahnt, was folgen wird. Im Chaos des Krieges in Bangladesch muß jeder wählen, zu welcher Seite er gehören will. Rehana Haque hat zunächst nur ein Ziel: ihre Kinder zu retten. Und schließlich muß auch sie eine schwere Entscheidung treffen.
    (Quelle : amazon.de ; Klappentext (leicht abgewandelt); für Pressekommentare siehe auch Homepage der Übersetzerin : http://www.ankeburger.de/tahmi…insel-verlag-berlin-2010/ )


    BEMERKUNGEN :
    Im Jahre 1959 spielenden Prolog erfahren wir ein wenig, was Rehana Haque ausmachte : eine glückliche Ehe mit Iqbal, der dann aber an Herzversagen stirbt und sie alleine zurückläßt. Sie kann nicht gegen ihren Schwager Faiz und dessen kinderlose Frau Parveen ankämpfen als sie ihr quasi die beiden Kinder Maya und Sohail wegnehmen und für eine Zeit nach Westpakistan bringen. Erst durch einen unglaublichen Aufwand – der uns aber erst viel später im Buch erzählt werden wird – wird sie ihre beide Kinder zwei Jahre darauf « befreien » können und ihnen eine finanziell abgesicherte und auch wohl bemutternde Zukunft anbieten können.


    Die anschließenden Kapitel sind nach den beschriebenen Konfliktmonaten des Jahres 1971 übertitelt, und nochmals unterteilt in ungefähr 1- 4 seitige Abschnitte. Eigentlich ziemlich chronologisch, mit allerdings einigen Rückblicken in die Vergangenheit Rehanas, ihre Ehe, ihren Finanzquellen usw.


    1971 sind die beiden Heranwachsenden 19 und 17 Jahe alt, und jeweils auf ihre Weise in die politischen Spannungen des Tagesgeschehens eingebunden : Die vollzogenen Wahlen werden nicht anerkannt und der Gewinner Mujib wird nicht zum Premierminister erklärt. Ab 1948 hatten die Pakistanis (Westpakistan) Bengalen ( = Ostpakistan) als eine Kolonie behandelt. So sollte man Urdu statt Bengali sprechen und die Gewinne und Geldtransfers gingen nach (West-)Pakistan. In diesem Klima ist Tochter Maya kommunistisch und als « freedom fighter » engagiert. Sohail erscheint friedensliebender als seine Schwester, fast als poetischer Schwärmer, wird dann aber von Freunden mitgezogen und geht bei Ausbruch des Konfliktes in den Widerstand. Mutter Rehana kann nicht ihre eigenen Ursprünge als Urdukulturgeprägte verbergen und es wird lange dauern, bis sie langsam sich vor einer zu treffenden Entscheidung stehen sieht. (siehe auch : http://de.wikipedia.org/wiki/Bangladesch-Krieg ).


    Die Handlung wird noch einige Wendungen erfahren, doch will ich nicht mehr verraten. Es handelt sich um einen sehr gut geschriebenen historischen, auch politischen, Roman, in dem das Schicksal einer Familie (und einiger Leute drumherum) in reale Ereignisse eingebettet erzählt wird. Es werden nicht Zahlenkolonnen aufgeführt, doch Schrecken dieses Krieges werden greifbar. Familie und Freunde bilden ein « Minipanorama » der Gesellschaft, vielleicht greifbarer als generalisierende Romane. Dazu kommen teils romantische Elemente. Geschickt wird nach und nach auch die Vergangenheit Rehanas neu beleuchtet : manches gewinnt an Konturen, bekommt einen neuen Stellenwert. Aber auch erfahren wir etwas über den Islam, das Zusammenleben verschiedener Kulturen, Militär und Zivilgesellschaft, Flüchtlingsschicksale..., und nicht zuletzt wird einem öfter wässrig im Munde, wenn die Speisespezialitäten beschrieben werden !


    Das Buch und die Personen bewegen sich zwischen Moderne und traditionellen Werten. Manches mag überraschen, doch ich finde das Buch ziemlich authentisch. Meines Erachtens bezieht die Autorin doch recht klar Position. Es stellt sich kaum die Frage nach der Schuld : sie wird eindeutig zugewiesen. Die Pakistanis kommen nicht gut weg. Allerdings werden auch die nationalistischen Bezüge der eigenen Reihen klar gesagt.


    Das mag auch daher stammen, dass die Eltern Anams selbst « freedom fighters » waren. Sie hat auch allein für ihren Master hier im Vorfeld Forschungsarbeit geleistet und etliche Beteiligte vor Ort interviewt.

    « I realized I don’t have a choice. »
    « Of course you have a choice. You always have a choice. »


    AUTORIN :

    Tahmima Anam, 1975 in Dhaka in Bangladesch geboren, stammt aus einer literarisch bekannten Familie des Landes. Sie wuchs in Paris, New York und Bangkok auf, studierte an der Harvard University und ist eine Schriftstellerin und Kolumnistin. Sie lebt in London. Ihr von der Presse vielbeachteter Erstling Zeit der Verheißungen (A Golden Age) war ein großer internationaler Erfolg und war der « Best First Book winner of the 2008 Commonwealth Writers' Prize ».


    Anam ist in zweiter Ehe mit dem amerikanischen Erfinder Roland O.Lamb verheiratet.


    In ihrem zweiten Roman « Mein fremder Bruder » greift die Autorin erneut zu den inzwischen älter gewordenen Hauptfiguren ihres ersten Romans zurück.


    Gebundene Ausgabe: 318 Seiten
    Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1 (15. März 2010)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3458174648
    ISBN-13: 978-3458174646

  • Hier eine Verlinkung zu einer englischen Originalausgabe :
    1847679765

  • Ich finde es faszinierend, wo Du immer über diese Bücher stolperst, die sonst keiner kennt - aber dieses ist auf jeden Fall mal auf meiner Wunschliste gelandet. :wink: Das Thema ist echt spannend und ich gehöre ja zu denen, die sich noch dunkel an ein Ost-Pakistan erinnern können. Auch wenn mein Wissen über die damaligen Vorgänge mehr als lückenhaft ist. Danke, dass Du hier immer solche Raritäten vorstellst, die ich sonst garantiert verpassen würde.

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • Ich finde es faszinierend, wo Du immer über diese Bücher stolperst, die sonst keiner kennt - aber dieses ist auf jeden Fall mal auf meiner Wunschliste gelandet. :wink: Das Thema ist echt spannend und ich gehöre ja zu denen, die sich noch dunkel an ein Ost-Pakistan erinnern können. Auch wenn mein Wissen über die damaligen Vorgänge mehr als lückenhaft ist. Danke, dass Du hier immer solche Raritäten vorstellst, die ich sonst garantiert verpassen würde.


    Danke, Squirrel, für diese ermunternden Bemerkungen. Dieses Buch könnte Dir dann wirklich gefallen, denke ich! Du kannst mir glauben, dass ich nicht bewußt "unbekannte" Bücher aussuche, sondern - um dieses Beispiel hier zu erläutern - dass es sich sehr oft sehr wohl um SEHR bekannte Bücher handelt, nur eben nicht in unserem deutschen Sprachraum oder halt... im BT. Hier herrscht oft der Markt vor, der dieses und jenes in den Vordergrund rückt. Es ärgert mich sehr, wie kleinkariert wir kulturmässig oft noch denken, aber das nur am Rande.
    Tahmima Anam hat zB den ersten Preis des "Commonwealth Prize" erhalten, dh sozusagen eins der besten englischsprachigen Bücher seines Jahrganges.


    Ansonsten erkläre ich mir mein Glück im Auffinden solcher Bücher auch dadurch, dass ich in einem sehr internationalen Umfeld wohne (auch Bangladeshi kenne): so erhalte ich oft Hinweise, die ich zB hier nicht finde. In meinem Bekanntenkreis haben alleine drei dieses Buch gelesen und empfohlen: da kann ich nicht anders als es auch versuchen!


    Und wenn man dann solch ein Buch gefunden hat wird man ja aufmerksam auf eine solche Autorin. So habe ich mir schon den zweiten Roman vorgemerkt, der mit den Personen dieses hier weitermacht.

  • Danke, Squirrel, für diese ermunternden Bemerkungen.

    gerne geschehen :) manchmal hab ich einfach das Gefühl, dass ein Danke oder Gefällt mir nicht genug ist :wink: und dann schreibe ich lieber ein paar Worte, das ist persönlicher.


    Du kannst mir glauben, dass ich nicht bewußt "unbekannte" Bücher aussuche, sondern - um dieses Beispiel hier zu erläutern - dass es sich sehr oft sehr wohl um SEHR bekannte Bücher handelt, nur eben nicht in unserem deutschen Sprachraum oder halt... im BT.

    Das wollte ich auch nicht gesagt haben, aber ich glaube, das weißt Du. :wink: Ich denke, dass Deine Bücher eben Deine Interessen und Deinen Geschmack wiedergeben, der eben nicht Mainstream ist. Und auch den Umstand, dass Du eben in einem anderen Land lebst, in dem auch ein anderer Buchgeschmack herrscht und andere Autoren eine Heimat finden…. wir profitieren damit ganz einfach von Dir :loool:


    Ansonsten erkläre ich mir mein Glück im Auffinden solcher Bücher auch dadurch, dass ich in einem sehr internationalen Umfeld wohne (auch Bangladeshi kenne): so erhalte ich oft Hinweise, die ich zB hier nicht finde. In meinem Bekanntenkreis haben alleine drei dieses Buch gelesen und empfohlen: da kann ich nicht anders als es auch versuchen!

    Das wär bei mir nicht anders - nur lebe ich leider in der oberschwäbischen Provinz, da ist nicht viel mit Internationalität 8-[ Aber diese Lücke füllst Du hier ja hervorragend hihi - das zweite Buch hab ich auch gleich mal auf meine WuLi geschoben :-, auf dass sie wachse und gedeihe… Dank an Deine Freunde, die Dir dieses Buch empfohlen haben :winken:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier