Original : Deutsch, 2006
INHALT :
« Der fliegende Berg » ist die Geschichte zweier Brüder, die von der Südwestküste Irlands in den Transhimalaya, nach dem Land Kham und in die Gebirge Osttibets aufbrechen, um dort, wider besseres (durch Satelliten und Computernavigation gestütztes) Wissen, einen noch unbestiegenen namenlosen Berg zu suchen, vielleicht den letzten Weißen Fleck der Weltkarte. Auf ihrer Suche begegnen die Brüder nicht nur der archaischen, mit chinesischen Besatzern und den Zwängen der Gegenwart im Krieg liegenden Welt der Nomaden, sondern auf sehr unterschiedliche Weise auch dem Tod. Nur einer der beiden kehrt aus den Bergen ans Meer und in ein Leben zurück...
(Quelle : Verlagsbeschreibung bei Fischer, gekürzt)
BEMERKUNGEN :
Inhaltlich handelt der Roman, in 18 Kapiteln von circa 13 bis 26 Seiten, von zwei irischen Brüdern, Söhnen eines IRA-Sympathisanten. Schnell und früh scheint das Wesentliche gesagt : während eines gemeinsamen Aufstieges im Himalaya « vor einem Jahr » wird der ältere von ihnen, Liam, von einer Schneelawine begraben.
Nach diesem Eingangskapitel am auf Tibetisch genannten « fliegenden Berg » gibt es vonseiten des jüngeren Bruders Padraic (=Patrick) ein stetes Hin und Her : mal die Rückschau auf die Kindheit, Jugend, Erwachsenenzeit in Irland, dann die Erinnerung der Expeditionsvorbereitungen, des Vorankommens innerhalb einer Nomadenkarawane, die bestandenen, zu bestehenden Besteigungen...
Liam ist der reinste Computerfreak, der dann auf einer vor Cork gelegenen Insel, Horse Island, einerseits Vieh züchtet, und andererseits im Netz alle möglichen Infos sammelt zu den « weißen Flecken » ( http://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fer_Fleck ) der Weltkarte. Er vermeint dann einen solchen im Himalaya auszumachen, « ein Gipfel, der noch nie erstiegen worden wäre ». Während er ganz besessen erscheint von diesem Projekt und als Organisator, Hauptinitiator, ja « Kaltherz » beschrieben wird ist Padraic (der Ich-Erzähler) anders beschaffen, läßt sich eher mitziehen. Und ihre Expedition führt sie dann quasi von der Meereshöhe hin in die Höhen der östlichen Berge Tibets. Der « fliegende Berg » ist nicht nur die lokale Ortsbezeichnung für den einen, gesuchten Gipfel, sondern bezeichnet auch darüber hinaus einen tibetischen Mythos.
In einem gelesenen Kommentar wurde darauf hingewiesen, dass Ransmayr den Roman vielleicht in eine fiktive und ausgeweitete Beziehung zum Drama am Nanga Parbat stellt, zu dem die Brüder Messner (Georg und Reinhold) 1970 gemeinsam unterwegs waren... (siehe : http://de.wikipedia.org/wiki/S…pedition_zum_Nanga_Parbat )
Einen großen Teil des Weges (wie weit?) ziehen die Brüder zusammen mit einer Nomadenkarawane. Und Padraic wird unweigerlich angezogen von der jungen Mutter und Witwe Nyema : es entwickelt sich eine Beziehung. Wird sie stärker als der Berg sein ? Wie weit gehen Entfremdung und Distanzierung vom Bruder ? Wann ist die Verbindung zwischen den Brüdern « wieder hergestellt » oder auch nicht ? Wie verläuft die stumme Unterschiedlichkeit oder auch Übereinstimmung der Brüder bei den Besteigungen ab ? Kann man den Weg und das Glück des anderen nicht mehr als Störung eigener Pläne empfinden, sich trotz allem nahe sein ?
Obwohl der Ausgang (so wie einige diesen Roman lesen könnten) schon früh feststeht (oder festzustehen scheint) gibt es eine stetige Steigerung bis nahezu zur letzten Seite. Das Wesentliche liegt also woanders.
Wie es in der Einleitung, den vorangestellten Bemerkungen, schon heißt und es beim ersten oberflächlichen Blick auf den Text erscheint, präsentiert sich dieser Roman in Flattersätzen, also nicht in offensichtlichen Reimen, wohl aber einer sehr dichterisch-lyrischen Sprache, die ihresgleichen sucht. Diese Ransmayr'sche Sprache kann man gar nicht genug loben und hervorheben : was er hier anstellt kommt so flüssig und glatt daher, ohne aber simpel oder gar dumm zu sein. Wir stehen vor einer Melodie, einem Rhythmus, den alleine zu lesen oder gar laut vorzutragen eine reine Freude ist. Das gehört sicherlich zum Besten der deutschen Sprachkunst der letzten Jahrzehnte!
Ganz nebenbei erfahren wir in den Rückblicken einiges über die Gesellschaft in Irland, aber auch die Traditionen, Mythen, dem Weltverständnis Tibets. Ein überaus bereicherndes Buch, das dann auch noch zudem und vor allem durch die unvergleichliche Sprache besticht. Ganz minimale Abstriche für einige kleine Wiederholungen, bzw Längen.
AUTOR :
Christoph Ransmayr wurde 1954 in Wels/Oberösterreich geboren und wuchs in Roitham (Nähe von Gmunden am Traunsee) als Sohn eines Lehrers auf. Er studierte von 1972 bis 1978 Philosophie und Ethnologie in Wien und arbeitete danach als Kulturredakteur und Autor für verschiedene Zeitschriften („Extrablatt“, „Geo“, „Transatlantik“, „Merian“). Seit 1982 ist er freier Schriftsteller. Nach dem Erscheinen des Romans « Die letzte Welt » unternahm er ausgedehnte Reisen nach Asien sowie Nord- und Südamerika.
Ransmayr verbindet in seiner Prosa historische Tatsachen mit Fiktionen.
Für seine Bücher, die in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurden, erhielt er zahlreiche literarische Auszeichnungen, unter anderem die nach Friedrich Hölderlin, Franz Kafka und Bert Brecht benannten Literaturpreise, den Premio Mondello und, gemeinsam mit Salman Rushdie, den Prix Aristeion der Europäischen Union. (Angaben zum Autor, Klappentext ; http://de.wikipedia.org/wiki/Ransmayr )
Siehe auch die Webseite des Autors : http://www.ransmayr.eu/leben/
Produktinformation
Taschenbuch: 368 Seiten
Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 5 (15. Oktober 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3596171954
ISBN-13: 978-3596171958