Hubertus Rufledt: Alisik

  • Schon das Cover des Comics ist ungewöhnlich und ein wenig skurril. Es zeigt ein junges Mädchen mit rosafarbenem T-Shirt, über dem geisterhafte rosafarbene Flügel schweben. Das Mädchen und ihr Shirt sind dabei das einzig wirklich farbige auf dem Cover – die restliche Szenerie, ein Friedhof bei Mondschein, ist eher düster gehalten.


    Umringt von ziemlich skurrilen Gestalten erwacht Alisik mit nichts als einem Nachthemd bekleidet in einem Sarg. Der Alptraum, in dem sie sich zuerst wähnt, erweist sich als bittere Realität. Sie ist eine Postmortale: Jemand, der Schuld auf sich geladen hat und über den noch nicht entschieden wurde, ob er nun ins Licht oder ins Dunkel treten wird.


    Ebenso wie das Cover ist auch der Zeichenstil des Comics ziemlich skurril. Die Mischung zwischen düster gehaltenen Seiten mit kleinen Farbklecksen (die Protagonisten der Geschichte) und Seiten mit wahren Farbexplosionen wirkt auf mich ziemlich gewöhnungsbedürftig. Es ist allerdings auch eine gut gewählte Möglichkeit, zwischen der Welt der Lebenden und der der Postmortalen zu differenzieren – auch wenn sich hin- und wieder auch in der Welt der Postmortalen einige Farben einschleichen, zum Beispiel wenn diese in Partystimmung sind. Die Postmortalen selbst sind, abgesehen von Alisik, ziemlich skurrile Typen – und genau so sind sie auch gezeichnet. Sie wirken allerdings alle ziemlich sympathisch und nicht im Geringsten gruselig, trotz ihres Aussehens.


    In “Herbst” beginnt Alisiks Geschichte als Postmortale. Zusammen mit dem Leser wird Alisik in die Welt der Postmortalen eingeführt – und genau wie sie hat man keine Ahnung, wie sie überhaupt dorthin gekommen ist. Kleine Andeutungen lassen einen sogar fragen, ob sie überhaupt dorthin gehört.


    Ergänzt wird die Geschichte immer wieder durch Auszüge aus dem “Buch der 3 mal 77 Totenregeln”. Diese erweitern gekonnt das Bild, das man sich von den Postmortalen und dem Totenreich macht – obwohl die Regeln von den Postmortalen selbst doch recht häufig gebeugt werden. Ich bin mir allerdings auch nicht sicher, ob jeder Postmortale eine Ausgabe des Buches erhalten hat.


    Die angepriesene Liebesgeschichte kommt in “Herbst” noch relativ kurz. Alisik lernt den blinden Ruben erst einmal nur kennen, auch wenn zumindest sie sich gleich verliebt und sich demnach erst einmal den typisch weiblichen Problemen widmet: Was ziehe ich beim nächsten Treffen an? Eine Frage, die für eine Postmortale deutlich schwieriger zu beantworten ist als für eine Sterbliche. Mit dem Ende des Buches sind Ruben und Alisik noch längt nicht zusammen, sie schmieden allerdings ihren ersten gemeinsamen Plan. Ein Plan, der vielleicht einiges, was jetzt noch im Dunklen liegt ans Licht bringen wird – jedoch erst im nächsten Band.


    Mit dem Ende des ersten Bandes finde ich den Zeichenstil noch immer ungewöhnlich – genau wie die Geschichte an sich. Mir hat allerdings beides gefallen und mit dem Ende bin ich ziemlich neugierig darauf, wie es weitergeht. Viel mehr als eine Einleitung, beziehungsweise ein Appetitanreger, war “Herbst” für mich nämlich nicht. Für eine routinierte Leseratte ist es definitiv zu kurz – und bis zum nächsten Band eindeutig noch zu lange hin.

    Fairy tales are more than true: not because they tell us that dragons exist, but because they tell us that dragons can be beaten


    G.K. Chesterton