Manfred Böckl - Agnes Bernauer

  • Worum es geht

    Anno 1428 weilt der bayrische Herzog Albrecht bei einem Turnier in Augsburg und lernt beim Besuch einer Badestube die 17-jährige Agnes Bernauer kennen und lieben. Bald schon holt er die schöne Baderstochter, die er nicht vergessen kann, in sein Schloss und heiratet sie in aller Heimlichkeit.

    Eine zeitlang duldet Albrechts Vater, Herzog Ernst, die unstandesgemäße Verbindung, doch im Laufe der Jahre nimmt dessen Sorge um das Fortbestehen seiner Erblinie überhand. Demgemäß mehren sich die Demütigungen und Übergriffe gegen den einzigen Erben.

    Doch Albrecht steht weiterhin treu zu der ihm Angetrauten und steigert den Zorn des Vaters dadurch ins Unermessliche. Herzog Ernst sieht nur einen Ausweg; die Badhure, die den Sohn verhext haben muss, soll sterben, wenn sie sich weiterhin uneinsichtig zeigt und von Albrecht nicht lossagen will.


    Wie es mir gefallen hat

    Von Anfang an hat mich der Stil, in dem die Geschichte der unglücklichen Agnes Bernauer erzählt wird, in seinen Bann gezogen. Viele Wörter und Ausdrucksweisen, die der Autor verwendet, passen ganz vortrefflich zur Zeit, in dem das Ereignis angesiedelt ist. Und vieles, nicht nur das Ziehen eines Zahnes, schildert er so, dass man meint, mitten im Geschehen zu sein. Überhaupt gelingt es Manfred Böckl meisterhaft, Stimmungen einzufangen.
    Damals überlegte man auch nicht, ob man sein Gegenüber ohrfeigen, sondern ob man es nicht "maulschellen" solle; Sätze räderten einem durch den Kopf; der Knochrige, der Totenschädelige sichelte junge Burschen hinweg, während sich der Sommer in den Herbst drehte. In dieser Tonart geht es weiter, sodass der Leser ganz wunderbar in jene ferne Zeit eintauchen, das Schöne und das Grausige der Geschehnisse geradezu bildhaft vor sich sehen kann. Womit einmal mehr bewiesen wäre, welch wichtige Rolle, welch große Macht der Sprache zukommt. Was für ein Instrument für den, der darauf zu spielen versteht.
    Da ich das Schicksal der Agnes Bernauer nicht kannte, blieb es aber auch inhaltlich spannend bis zum Ende. Und die große Liebe des jungen Herzogs zur schönen Mooräugigen hat mich sehr berührt.
    Fast zu abrupt hat mich daher die im Epilog geschilderte Tatsache auf den Boden der Realität zurückgeholt, dass Albrecht bald nach Agnes Tod sehr wohl standesgemäß heiratete und viele Nachkommen zeugte. Gut, dass die Bernauerin, die sich ihr Leben um den Verrat ihrer Liebe nicht erkaufen wollte, davon nichts mehr wusste.

  • Eine tolle Rezi, vielen Dank. Das Buch wandert direkt auf meine Wunschliste! :applause: :pray:

    Hunde sind wie Bücher, man muss nur in ihnen lesen können, dann kann man viel lernen.


    [align=center]Oliver Jobes

  • Ich könnte schwören, dass ich dieses Buch in den 90ern schon gelesen habe. Bei amazon wird es aber als Erstauflage gelistet. Kann es sein, dass es schon vor langer Zeit (vielleicht in einem anderen Verlag? :scratch: ) erschienen ist?


    Edit: Das sagt die Homepage von Manfred Böckl:

    Zitat

    "Agnes Bernauer. Hexe, Hure, Herzogin". Historischer Roman, Aufbau Taschenbuchverlag. - Das Buch, das derzeit (2007) in der zehnten Auflage vorliegt, erzählt die tragische Lebensgeschichte der Augsburger Baderstochter Agnes Bernauer. Der junge Bayernherzog Albrecht von Bayern-München verliebte sich in die "Badhure" und ging eine heimliche Ehe mit ihr ein. Das Paar lebte in Vohburg an der Donau und in Straubing; doch dann sorgte Albrechts Vater, Herzog Ernst von Bayern-München, dafür, daß Agnes als Hexe angeklagt wurde. Sein Motiv war die Furcht vor dem Machtverlust seines Hauses, falls Albrecht mit der bürgerlichen "Badhure" verheiratet bleiben würde - und deshalb wurde die junge Frau Anno 1435 nach einem Willkürprozeß in der Donau bei Straubing ertränkt.


    Dann bin ich noch nicht dement und habe es wirklich schon gelesen. :wink:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich danke fürs Lob, Vicidog, und freue mich, dass Du Deine WL bereichern konntest!


    Wenn ich richtig informiert bin, €nigma, ist das Buch 1993 zum ersten Mal erschienen. Da hättest Du schon reichlich Zeit gehabt, es zu lesen (und auch wieder zu vergessen).
    Mir ist es erst dieser Tage als e-book über den Weg gelaufen, und weil ich vor dem (vorgemerkten) "Winter der Welt" noch rasch einen Lückenfüller brauchte, habe ich es gleich gelesen. Solche Glücksgriffe gibt es ja Gott sei Dank auch immer wieder.

  • ist das Buch 1993 zum ersten Mal erschienen.

    Das kommt hin, denn ich habe es gelesen, als wir gerade im Raum Augsburg gewohnt haben. :idea: Bedauerlicherweise habe ich damals noch keine Listen über meine Bücher geführt.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
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