Volker Kutscher - Die Akte Vaterland

  • Kurzmeinung

    Mojoh
    Starker Band der Reihe. Interessante Fortführung facettenreicher Persönlichkeiten auf dem Hintergrund aufregender Zeiten
  • Klappentext:


    Ertrunken im Lastenaufzug - unter merkwürdigen Umständen kommt ein Spirituosenlieferant im legendären Berliner Vergnügungstempel "Haus Vaterland" ums Leben. Der rätselhafte Fall kommt Kommissar Gereon Rath mehr als ungelegen, denn er hat schon Ärger genug: Seine Ermittlungen gegen einen mysteriösen Auftragsmörder, der die Stadt in Atem hält, treten auf der Stelle, und dann kehrt seine große Liebe Charlotte "Charly" Ritter aus Paris zurück und fängt als Kommissaranwärterin am Alex an - ausgerechnet in der Mordkommission.
    Der Tote im Aufzug scheint Teil einer Mordserie zu sein, deren Spur weit nach Osten führt. Während Chary als Küchenhilfe ins "Haus Vaterland" eingeschleust wird, ermittelt Rath in einer masurischen Kleinstadt nahe der plnischen Grenze und gerät in eine fremde Welt. Er macht Bekanntschaft mit wortkargen Ostpreußen, schwarzgebranntem Schnaps und den Tücken der Natur. Die Widerstände gegen den Ermittler aus Berlin wachsen, als er ein lang gehütetes Geheimnis aufzudecken droht.


    Der Autor:


    Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte zunächst als Tageszeitungsredakteur, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier Autor in Köln. Sein Roman "Der nasse Fisch", der Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Rath im Berlin dr 30er-Jahre, wurde auf Anhieb ein Bestseller, ebenso Band zwei "Der stumme Tod" und Raths dritter Fall "Goldstein".


    Krimi, 564 Seiten


    Meine Meinung:


    Ich freue mich immer, wenn ich einen neuen deutschsprachigen Autor für mich entdecke, der sein Handwerk auch versteht. Und so eine Entdeckung ist Volker Kutscher für mich. Dabei hatte ich zunächst so meine Zweifel, ob dieser Krimi etwas für mich wäre, da ich befürchtete, das Ganze könnte aufgrund des historischen Kontextes zu politisch werden. Aber nach den ersten Seiten war ich von dem wunderbaren Sprachstil und der gelungenen Figurenkonstellation richtig gefesselt. Auch hatte ich nicht den Eindruck, dass mir irgendwelche Informationen zum Verständnis fehlten, da ich die ersten drei Bücher dieser Serie nicht kenne. Es werden zwar Andeutungen gemacht, die einige frühere Fälle betreffen, aber um die aktuellen Ereignisse zu begreifen, sind keine Vorinformationen notwendig. Unsere Bücherei hat auf der letzten Buchseite vermerkt, das Fall 1 - 3 noch nicht vorhanden sind. Und dieses "noch nicht" lässt mich hoffen, dass die fehlenden Bände auch noch angeschafft werden. :)


    Interessant finde ich, dass der Autor seinen Kommissar in einer sehr brisanten Zeitepoche ermitteln lässt. Es kommt zu Konfrontationen zwischen Nazis und Kommunisten und das Reichskanzler Papen die demokratische Regierung Preußens aus dem Amt putscht und mit ihr auch gleich die Spitze der Berliner Polizei, macht die Sache für Kommissar Gereon Rath nicht gerade leichter. Aber während dies geschieht, ist er schon längst in Masuren unterwegs, um einige Spuren im aktuellen Mordfall zu verfolgen. Dort gerät er auch gleich zwischen die Fronten und bekommt zu spüren, wie tief verwurzelt die Konflikte zwischen den Polen und Deutschen sind. Im kleinen Ort Treuburg stösst er auf viel Misstrauen und verschwindet auch noch für einige Tage spurlos im Moor. Und das nicht gewiss nicht freiwillig!! Derweil fragt man sich in Berlin, welche Eskapaden er sich jetzt wohl wieder leistet und auch seine Verlobte Charlotte schwankt zwischen Wut und Sorge, weil er sich plötzlich nicht mehr meldet.


    Gegliedert ist der Roman in drei Teile, jeweil mit der entsprechenden Zeitspanne und dem jeweiligen Ort der Handlung versehen. Vorangestellt wird ein Epilog, der von einem beobachteten Mordfall im Jahr 1920 an einem Seeufer erzählt. Wo und um wen es sich dabei handelt, wird im Laufe der Geschichte später wieder aufgegriffen und führt den Kommissar Rath dann auch auf die richtige Spur. Für die er aber noch die entsprechenden Beweise braucht. Und das gestaltet sich als äußerst schwierig. Im Nachwort weist der Autor noch einmal darauf hin, bei welchen der im Roman behandelten Ereignisse es sich um wahre historische Fakten oder Fiktion handelt.


    Mein Fazit:
    Hervorragend geschrieben. Ein äußerst fesselndes Zeitgemälde. Eine verzwickte Kriminalgeschichte, die zu der damaligen Zeit unter den vorherrschenden Umständen gewiss nicht leicht zu lösen war. Und dazu eine tolle Entwicklungsgeschichte um einen sehr sympathischen Ermittler. Ich bin neugierig geworden auf die Vorgängerbände dieser Serie und gespannt, ob ein weiterer Teil folgen wird. Da ich gelesen habe, dass die Serie bisher immer um ein Jahr weitersprang, wird die Fortsetzung wohl im Jahr 1933 stattfinden. Und dann wird es auch Gereon Rath wohl ziemlich schwer haben, weil er sich in diesem Buch schon ziemlich unbeliebt gemacht hat. Bei den großspurigen Nazis. Die leider hier schon verstärkt auftreten. Man wird sehen. Ich möchte auch wissen, wie es mit seiner Verlobten weitergeht und wie sich alles so entwickelt.
    Meine Bewertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!

  • Im bekannten Vergnügungspalast „Haus Vaterland“ wird ein Toter im Aufzug gefunden, nach der ersten Diagnose des Polizeiarztes ist er ertrunken. Die Ermittlungen lassen darauf schließen, dass der Tote nicht der Erste war, der unter diesen merkwürdigen Umständen gestorben ist. Gereon Raths vierter Fall führt den Kommissar bis nach Masuren, wo er tief in die Mentalität der Bewohner eintauchen muss und schließlich in Lebensgefahr gerät. Auch in seinem Privatleben tut sich einiges, seine Freundin Charlie kommt aus Paris zurück und reagiert zunächst sehr zurückhaltend auf seinen Heiratsantrag.


    „Akte Vaterland“ ist ein komplexer, vielschichtiger Kriminalroman. Ich benötigte etwas Zeit, um mich einzulesen, was daran liegen mag, dass es mein erster Roman um Gereon Rath war und ich mich erst in Handlung und Personen hineinfinden musste, doch irgendwann hatte mich das Buch gepackt und es entwickelte sich zu einem echten Pageturner, den ich kaum noch aus der Hand legen mochte.


    Was mir besonders gefiel, war die Einbindung der Geschichte in die historischen Gegebenheiten der damaligen Zeit, das ist Volker Kutscher auch sehr gut gelungen und neben der spannenden Lektüre konnte ich sogar noch etwas lernen. Daneben bringt uns Volker Kutscher auch sehr interessante Charaktere nahe, allen voran Gereon Rath, der sich nicht immer unterordnen möchte, seinen eigenen Kopf hat und dadurch auch schon mal in große Probleme gerät, und Charlie Ritter, eine selbstbewusste junge Frau, die einen für die damalige Zeit eher ungewöhnlichen Beruf ergreift, sie wird Kommissaranwärterin.


    Der Roman hat mir sehr gut gefallen, die anderen Romane Kutschers werde ich bestimmt noch lesen und bin schon gespannt, wie es mit Gereon und Charlie weitergeht, gerade, wo auch große politische Veränderungen anstehen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Gereon Rath, der gerade eigentlich in einer ganz anderen Ermittlungssache steckt, wird zum Vergnügungspalast "Haus Vaterland" am Potsdamer Platz gerufen. In einem Lastenaufzug liegt ein Toter, und es sieht aus, als sei der Mann ertrunken - doch nass sind nur Kopf und Schultern.


    Der Direktion des Touristenmagneten scheint hauptsächlich daran gelegen zu sein, den unappetitlichen Fund aus den Schlagzeilen herauszuhalten, und hofft auf schnelle Aufklärung, doch es dauert nicht lange, bis es den nächsten Toten gibt und Rath den bösen Verdacht hat, es könne einen Zusammenhang geben und der Täter womöglich weitere Morde planen.


    Während sich Charly, die aus dem Ausland zurückgekehrt ist und nun als Kommissaranwärterin wieder in der "Burg" arbeitet, inkognito ins "Vaterland" einschleicht, um unauffällig hinter die Kulissen zu gucken, führt die Fährte des Mörders Rath nach Ostpreußen, ins kürzlich so benannte Treuburg, das schon stark vom deutschnationalen Geist durchdrungen ist, und auf die Spur eines Jahre zurückliegenden und nie aufgeklärten Todesfalles. Keine einfache Mission für den Kommissar, der immer noch zu oft sein Herz auf der Zunge trägt.


    Bisher hat es die Reihe immer wieder geschafft, sich von Band zu Band zu steigern. So ging es mir auch mit diesem 4. Band, der für mich bisher das Highlight der Serie war, nicht zuletzt dank der Ausweitung der Schauplätze nach Masuren, wo es mich literarisch zuvor kaum einmal hin verschlagen hatte. Ich mag es einfach, wie Kutscher ganz souverän den historischen Background einfließen lässt und die Szenerie mit zahlreichen winzigen Details ausmalt, ohne dass es gezwungen oder erklärbärhaft wirkt.


    Der Mordfall ist wie immer spannend und kompliziert, die politische Entwicklung des Landes spielt erneut eine wichtige Rolle (und bereitet beim Lesen einige Bauchschmerzen, weil man weiß, was nach dem Sommer 1932 kommt), die Charaktere sind nach wie vor schön ausgearbeitet und in all ihrer Unvollkommenheit sympathisch und glaubwürdig, auch wenn die Beziehung zwischen Gereon und Charly mal ein bisschen mehr Ruhe vertragen könnte. Aber da treffen eben zwei Charakterköpfe aufeinander.


    Neben den mitreißenden Ermittlungen mit zahlreichen Twists mochte ich auch diesmal wieder den Einblick ins Räderwerk der "Burg" ungemein: Raths Dauerzwist mit Böhm, "Buddha" Gennat, der immer wieder für eine Überraschung gut ist und vor allem Charlys oft unschöne Erfahrungen als eine der ersten Frauen bei der Mordkommission (einigen reizenden "Kollegen" hätte ich gerne mal gezeigt, wo der Hammer hängt ...)


    Kurz, es bestätigt sich erneut mein Eindruck, dass die Rath-Reihe zur Zeit mit das Beste auf dem deutschen Markt ist, intelligente und gut recherchierte zeitgeschichtliche Krimiunterhaltung mit tollen Figuren, auf deren nächsten Fall ich mich jetzt schon freue.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Volker Kutscher: Die Akte Vaterland“ zu „Volker Kutscher - Die Akte Vaterland“ geändert.