Benedikt Wells - Fast genial

  • Klappentext:
    Francis, knapp achtzehn, wohnt mit seiner alleinerziehenden Mutter in einem heruntergekommenen Trailerpark in New Jersey und sieht sein Leben schon dort enden. Bis zu dem Tag, an dem er die Wahrheit über seine Zeugung erfährt. Offenbar verdankt er seine Existenz einem absurden Experiment, an dem seine Mutter damals teilgenommen hat. Sein Vater ist zudem kein Versager, der die Familie im Stich ließ, sondern ein genialer Wissenschaftler aus Harvard. Eine Begegnung mit ihm könnte Francis’ Leben verändern. Zusammen mit seinem besten Freund Grover, einem verschrobenen Superhirn, und dem Mädchen seines Herzens, der labilen, unberechenbaren Anne-May, macht er sich auf eine Reise quer durchs Land zur Westküste, um seinen Vater zu finden. Francis will wissen, wer er ist, und zu verlieren hat er nichts – oder doch? Ein dramatischer Erkundungstrip mit immer neuen Wendungen und einem im wahrsten Sinn atemberaubenden Showdown. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Autor:
    Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Im Alter von sechs Jahren begann seine Reise durch drei bayerische Internate. Nach dem Abitur 2003 zog er nach Berlin. Dort entschied er sich gegen ein Studium und widmete sich dem Schreiben. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit diversen Nebenjobs. Sein vielbeachtetes Debüt ›Becks letzter Sommer‹ erschien 2008 und wurde mit dem bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet. ›Spinner‹ (2009), seinen ersten Roman, schrieb er mit neunzehn. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    322 Seiten,
    Gegliedert in 8 Teile: Claymont, New York, Midwest, Las Vegas, San Francisco, Los Angeles, Tijuana, Amerika. Jeder Teil ist noch mal in nummerierte Kapitel unterteilt.
    In der personalen Erzählperspektive begleitet das Buch Francis zunächst in seinem Leben im Trailer Park, und man erfährt aus seinen Gedanken, wie es dazu kam, dass er dort leben muss. Der Hauptteil, ein Road-Movie, erzählt von der Fahrt quer durch Amerika bis nach Kalifornien.


    Inhalt:
    Als Kind einer alleinerziehenden Mutter, wohnhaft in einem Trailer-Park, fühlt sich der 17jährige Francis als Verlierer: Kein Geld, Schulversagen, keine Freundin. Obendrein ist er für die alltäglichen Dinge des Haushalts verantwortlich, wenn seine Mutter wieder unter einem ihrer depressiven Schübe leidet. Das war nicht immer so. Seine Mutter war verheiratet mit dem wohlhabenden Ryan, der Francis als Sohn akzeptierte, und hatte mit ihm einen zweiten Sohn, Nicky. Doch sie ließen sich scheiden, später verspekulierte Ryan sein Vermögen. Dennoch unterstützt er seine Exfrau und Francis weiterhin. Nicky lebt bei seinem Vater.
    Als Francis erfährt, wem er seine Existenz verdankt, hofft er zum ersten Mal, doch kein Verlierer, sondern ein Genie zu sein. Er setzt sich in den Kopf, seinen Vater zu finden. Spuren führen nach Kalifornien. Zusammen mit seinem Freund Grover, der ein Auto besitzt, und Anne-May, in die er verliebt ist, macht er sich auf eine Fahrt quer durch Amerika und hofft, seinen unbekannten Erzeuger zu finden und so endlich ein neues Leben auf der Gewinnerseite zu beginnen.


    Eigene Meinung / Beurteilung:
    Vermutlich hat Wells vor dem Schreiben seines Buches im „Spiegel“ diesen Artikel gelesen. Jedenfalls entspricht die Handlung ziemlich genau dem Lebensweg des Jungen „Tom“ aus dem Artikel (Achtung: enthält Spoiler für das Buch).


    Nach den ersten beiden interessanten Kapiteln, in denen man Francis, sein vergangenes und gegenwärtiges Leben kennenlernt, beginnt die große Fahrt. Doch was geschieht? Die Motels, in denen die drei nächtigen, werden geschildert, ebenso das Essen, das sie sich besorgen, und gelegentliche Unstimmigkeiten, wie sie zwischen Freunden vorkommen, Liebelei, Sex, Eifersüchtelei. Ein Höhepunkt in Las Vegas, und dann ist die Truppe schon in San Francisco angekommen. Es fehlen die Begebenheiten am Rande, die ein Road-Movie beleben und sowohl die Reise als auch die Spannung antreiben.


    Im Schlusskapitel „Amerika“ werden Francis’ erste Jahre nach der Fahrt knapp beschrieben, und man kann sicher sein, keinen Entwicklungsroman gelesen zu haben.
    Gerade von amerikanischen Autoren gibt es etliche Bücher, die das Thema „Erwachsen werden“ auf unterhaltsame und sensible Art behandeln (Stewart O’Nan, Anne Tyler, u.a.), und so wirkt dieser Roman streckenweise wie der vergebliche Versuch, das Amerikanische nachzuahmen.


    Beim Schluss scheiden sich die Geister, bezeichnen ihn als genial oder unverschämt. Ich tendiere zum zweiten. Ein offenes Ende sollte die Gedanken eines Lesers über das Buch hinaus beschäftigen, ihn zu einem eigenen Ende motivieren. Doch hier gibt’s nur die Alternative Ja oder Nein ohne Input für die Phantasie.


    Fazit:
    Ein mittelmäßiger Roman über die Suche nach einem Vater, die eigentlich die Suche nach sich selbst ist.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Danke Marie noch mal für die interessante Buchvorstellung, die mich auf den Autor und das Buch neugierig gemacht hat.


    Inzwischen habe ich das Buch gelesen und bin zufrieden. :)


    Über das Thema "Erwachsenwerden" lese ich sehr gerne. Die Geschichte hat mich gut unterhalten, mehr habe ich nicht erwartet.
    Das einzige, was mich mehr als enttäuscht hat, war der letzte Absatz - also - das Ende.
    Mein Fall ist es sicherlich nicht...
    Was der Autor allerdings ganz sicher bei mir damit erreicht hat, ist, dass mich der Gedanke: "Was denn jetzt: ja oder nein?" noch längere Zeit beschäftigen wird.
    Von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • Dieses Buch liest sich wunderbar schnell weg. Langeweile kommt da nicht auf. Benedict Wells hat sich da wirklich eine interessante und zugleich mitreißend spannende Geschichte ausgedacht, die nur nebenbei erwähnt, wahr sein soll.


    Während mir der Hauptprotagonist Francis sehr sympathisch und sein Freund Grover einfach nur mitleiderregend und armselig vorkam, desto kühler und unnahbar erschien mir Anne-May vorerst. - Bis ich erfahren habe, warum sie sich so gegeben und anfangs alle belogen hat.


    Ich habe es geliebt, mit Francis mitzufiebern, neues über den Verbleib seines Vaters herauszufinden und die Beziehungsentwicklung zu Anne-May mitzuverfolgen. Und wahrscheinlich hatte ich sogar mehr Herzklopfen als Francis in dem Buch, als er in Las Vegas "um sein Leben gespielt" hat.


    Jedoch hat mich das Ende etwas >enttäuscht< - wenn das das richtige Wort ist. Es war einfach nicht ganz befriedigend. Ich habe mir nur gedacht: "Verdammt, warum muss das denn jetzt so ohne "Ausgang" enden?" Aber mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.


    Empfehlenswert ist das Buch in jedem Fall. Ganz besonders für diejenigen, die sich am Ende gerne noch selbst ein bisschen was dazu dichten können/wollen.


    5 :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: von mir!

  • Francis ist nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen, er wohnt mit seiner alleinerziehenden Mutter in einem Trailerpark, schlägt sich mehr schlecht als recht durch den Schulalltag und muss jetzt auch noch damit zurechtkommen, dass seine Mutter in die Psychiatrie eingewiesen wurde.


    Doch dann erfährt er etwas, das ihn aufrüttelt: sein unbekannter Vater soll ein Genie mit Rekord-IQ gewesen sein! Eigentlich müsste dann doch auch etwas Genialität in ihm selber stecken, überlegt Francis und kommt zu dem Entschluss, sich auf die Suche nach seinem Erzeuger zu machen. Er stellt einige Nachforschungen an und macht sich schließlich mit seinem besten Freund und einem ungewöhnlichen Mädchen auf einen Roadtrip quer durch die USA, um den Mann aufzuspüren, über den er wenige Monate zuvor noch überhaupt nichts wusste.


    Man glaubt kaum, dass Benedict Wells ein deutscher Autor ist, so authentisch amerikanisch wirkt das Szenario dieses Romans - der schmuddelige Trailerpark, die tiefen Klüfte zwischen Arm und Reich und auch die Figuren selbst. Auch Wells' Stil erinnert eher an US-Autoren als an deutsche Nachwuchsschriftsteller (was ja nichts Schlechtes sein muss :wink:).


    Wie Francis Dinge über seinen unbekannten Vater erfährt und diese einen Hoffnungsschimmer in seinem eher trostlosen, eintönigen Leben aufscheinen lassen, hat mir gut gefallen und auch die Art, wie Wells manche Erwartungen wieder konterkariert und der Versuchung widersteht, ein allzu rosarotes Märchen zu verfassen.


    Die Charaktere selbst erschienen jedoch manchmal etwas zu krass und leicht überzeichnet, und ein bisschen weniger pubertäres Jungsgequatsche hätte es auch getan. Auch wenn das sicherlich nicht ganz an den Haaren herbeigezogen ist.


    Marie : das Ende fand ich auch blöd.