Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns (ab 26.04.2012)

  • Hast du das Buch inzwischen da? Welche Ausgabe hast du? Meine ist von 1967, also habe ich höchstwahrscheinlich eine andere als du. :-k
    Die Kapitel sind nicht so schrecklich lang - ich denke, 3 Kapitel am Tag sollten wir schaffen. Ist das in Ordnung?


    Ich habe jetzt Mittagspause und werde vielleicht schon mal anfangen. Mal sehen. Ansonsten heute Nachmittag. :cheers:

    Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern und nichts weiter. Friedrich Nietzsche

  • Alles klar, 3 Kapitel pro Tag werde ich auch ohne Probleme schaffen.
    Meine ist aus 1997 - die oben angegebene :)


    Dann werd ich in der Mittagspause auch lesen und danach posten ;) Aber warum hast du SOOOO früh Mittagspause? Ich muss noch b is 12 warten. ;)

  • Dann werd ich in der Mittagspause auch lesen und danach posten ;) Aber warum hast du SOOOO früh Mittagspause? Ich muss noch b is 12 warten. ;)

    Ich hab heute nur die ersten zwei Stunden Schule und dann wieder um 13.40 Uhr. Ich kann ja später in Musik unter der Bank lesen 8-[


    Die Seitenzahlen sind leider unterschiedlich, aber mithilfe der Kapitel sollten wir uns ganz gut zurechtfinden!

    Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern und nichts weiter. Friedrich Nietzsche

  • Wir lernen Hans Schnier kennen, einen gescheiterten Clown, bei dem es nur noch eine Richtung gibt: steil bergab.


    Durch den Verlust seiner einzig wahren Liebe - er bezeichnet sich selbst als Monogam und meint damit scheinbar deutlich mehr als wir aktuell - sackt er immer weiter ab. Er trinkt zu viel und die Engagements werden weniger und die wenigen sind auch noch schlecht bezahlt. Ein Sturz auf der Bühne und die damit verbundene Verletzung geben ihm den Rest. Schließlich legt er sogar seinem Agenten gegenüber ein äußerst divenhaftes Verhalten an den Tag, was ihn wirklich unsympathisch macht.


    Sein Werdegang hingegen ist schon weitaus interessanter. Seine ELtern schickten ihn auf eine katholische Schule, wo er doch selbst kein Katholik ist, und er wählte sich eine Katholikin zur Geliebten. Mit ihr besuchte er sogar katholische Gesprächskreise, die er inhaltlich allerdings fürchterlich findet.
    Warum die Beziehung zu Bruch ging, kann ich aktuell nur aus dem Vorwort entnehmen - Schnier wollte seine künftigen Kinder nicht im katholischen Glauben erziehen. Statt Hans Schnier heiratet Marie nun wohl einen "guten Katholiken", was auch imemr man sich darunter vorzustellen hat.


    Der Einstieg war bisher wirklich gut und Schnier hat bereits sehr viele spannende Ansichten, die mich als atheistin natürlich auch sehr zum Nachdenken anregen.


    Besonder spannend finde ich natürlich, dass Böll den Clown in meiner Heimatstadt Bonn positioniert, auch wenn ich hier keine Bezüge zur Umgebung erwarte :)

  • Und wieder offenbart Hans Schnier uns viele Details aus seinem Leben.


    Seine Familiengeschichte finde ich wirklich grausam, aber ob man in der Kriegszeit als angesehene, reiche Familie eine andere Chance hatte... Ich mag mir hier kein rechtes Urteil erlauben.
    Heftig finde ich zum einen, dass er keine Chance hatte, sich von seiner Schwester zu verabschieden, und zum anderen, dass alle so kühl mit dem Tod des Waisenjungen umgehen. Grausame Sache


    Klar stört das auch auf lange Sicht das Verhältnis zu seinen Eltern. Jetzt will er scheinbar sogar sein Erbe einklagen.

  • Danke für die Zusammenfassung :thumleft:


    In den ersten drei Kapiteln passiert praktisch gar nichts (außer vielleicht, dass er vom Bahnhof in seine Wohnung gelangt) und ich frage mich, ob sich das in den nächsten Kapiteln ändert.
    Der Protagonist Hans Schnier definiert sich über "Melancholie und Kopfschmerz", für einen Komiker doch recht ungewöhnlich, sollte man meinen. Schon gleich zu Anfang ist mir klar geworden, dass ihm seine Rolle als Clown zum Hals heraushängt, und sie steht in krassem Gegensatz zu seinem wahren Charakter. Ich frage mich, wie er zu diesem Beruf gekommen ist...


    Schließlich legt er sogar seinem Agenten gegenüber ein äußerst divenhaftes Verhalten an den Tag, was ihn wirklich unsympathisch macht.

    Mir ist er, ehrlich gesagt, auch unsympathisch. Die Melancholie ist zu spüren, aber auch ein gewisser Sarkasmus. Auf unheimliche Weise zeigt er sich doch an einigen Stellen ziemlich (unfreiwillig) komisch, wie z.B. als er erwähnt, Gerüche übers Telefon wahrnehmen zu können. Das könnte vielleicht eine gewisse Menschenkenntnis symbolisieren. :-k
    Was sein Agent als "die Sensibilität der Künstlerseele" bezeichnet (und du als divenhaftes Verhalten), ist für mich eine ungeheure Launenhaftigkeit und, seit Marie ihn verlassen hat, zunehmende Gleichgültigkeit.
    Er weiß, dass er sich durch das Trinken selbst zerstört, aber er kommentiert es scheinbar objektiv:

    Zitat

    Ein Clown, der ans Saufen kommt, steigt rascher ab, als ein betrunkener Dachdecker stürzt."


    Ich glaube, dass ihm von der beruflichen Seite her sein Abstieg ziemlich egal ist, nur will er den Komfort, den er aufgrund seines Erfolges genießt, nicht aufgeben.


    Sehr befremdlich finde ich die Namen in dem Buch. Sie klingen irgendwie gewöhnlich, und, wie ich finde, alle recht hässlich, zumindest die Nachnamen.

    Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern und nichts weiter. Friedrich Nietzsche

  • Wir bekommen einen Einblick in Hans Schniers Kindheit in Bonn und das daraus entstandene Zerwürfnis mit seiner Familie:
    Dabei habe ich zum ersten Mal Mitleid mit ihm bekommen, weil er mit ansehen musste, wie seine Eltern seine Schwester geradezu ins Verderben schickten. Er war offenbar das einzige Familienmitglied, das mutig genug war, den Mund aufzumachen und das NS-Regime und den Krieg zu verurteilen. Nur gut, dass man ihn damals mit seinen zehn Jahren nicht allzu ernst genommen hat.
    In Kapitel 5 folgt dann das schockierende Telefonat mit seiner Mutter, in dem das Ausmaß seiner Verachtung ihr gegenüber deutlich wird - er hat ihr noch immer nicht verziehen, und da "Eine Dame strömt keinerlei Art von Geruch aus" für mich nicht wie ein ernstzunehmendes Prinzip klingt, fürchte ich, dass er sie auch als prinzipienlos und charakterschwach abstempelt. Schließlich wird sie von der Mitläuferin, die sie im 2. Weltkrieg war, mal eben zur Präsidentin des Zentralkomitees der Gesellschaften zur Versöhnung rassischer Gegensätze, ein Titel, der schon sehr sperrig und wichtig klingt... In diesem Punkt würde ich Schnier also Recht geben, auch wenn mir in seiner Einstellung zu viel Verachtung und Verbitterung mitschwingt.


    Das sechste Kapitel hat bei mir dann endlich ein gewisses Maß an Verständnis für seine verzweifelte Situation geweckt, und ich fange doch an zu glauben, dass er Marie wirklich geliebt hat, woran ich bisher wegen seines eingensinnigen Charakters gezweifelt habe.
    Sehr aufschlussreich fand ich hier seinen Bericht über die Bekanntschaft mit einem anderen Clown, der so arm ist, dass er sich keine ordentliche Mahlzeit leisten kann. Ich glaube nicht, dass diese Schilderung besonders übertrieben ist, denn als freier Künstler hat man es auch heute noch schwer, weil man sich jeden Tag aufs neue um Publikum bemühen muss und nie sicher sein kann, dass der Erfolg anhält. Ich denke da vor allem an Theaterschauspieler, die es manchmal wirklich schwer haben und die Möglichkeit, ihren Traumberuf ausüben zu dürfen, oft teuer bezahlen.
    Wobei von "Traumberuf" in diesem Fall wohl nicht die Rede sein kann...

    Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern und nichts weiter. Friedrich Nietzsche

  • In Ordnung!
    Ist doch eine recht anspruchsvolle Lektüre, finde ich zumindest. Ich schaue inzwischen schon sehr genau hin, damit ich nichts übersehe/überlese, aber ich glaube, ich kriege trotzdem nicht alles mit... :-k

    Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern und nichts weiter. Friedrich Nietzsche

  • Sorry, da mein Freund heute Geburtstag hat, wurde ich mal wieder etwas eingespannt in Sachen Kuchen backen.


    Bisher bin ich nun schon nen ganzen Tacken schlauer geworden.


    Hans hat Marie quasi überfallen und mit ihm ins Bett gezogen. Reizender Schachzug - schön abwarten, bis der Papa im Kino ist und dann... Nicht ganz die feine englische Art, aber es zeigt, dass Hans sich sehr von Gefühlen hinreißen lässt und weniger auf Gepflogenheiten und das Gerede der Leute gibt (beispielsweise von Maries Nachbarn).
    Marie selbst hat sich ziemlich geziert, sei es nur wegen ihrer christlichen Überzeugungen oder weil es wirklich ihren ureigensten Gefühlen entsprach. Dass Hans dieses wenn auch kokette Nein so abtut, macht ihn mir dann gleich wieder unsympathisch.


    Und nachdem die Beziehung der beiden so angefangen hat (obwohl Marie allem Anschein nach vorher Züpfner zugetan war), wundert mich eigentlich nichts mehr. Die beiden haben nichts, was sie wirklich verbindet. So sehr Hans sich auch bemüht ihr zu gefallen, es entspricht nicht seinen Überzeugungen, wenn er miit zum katholischen Kreis geht. Die Beziehung ist einfach nur zum Scheitern verurteilt und wäre es meiner Meinung nach auch ohne die beiden Fehlgeburten gewesen.


    Hans Verhalten in Bonn ist auch einfach nur lächerlich... ruft verschiedene Leute an und kann sich auch da nicht benehmen. Meine Güte, was für ein Kerl.


    Ja, die moralischen Vorstellungen zu der damaligen Zeit sind anders, als sie es heute sind. Wir gehen freier mit unserer Sexualität und Liebe um und sind kaum an die kirchlichen Gepflogenheiten gebunden - zum Glück, wie ich finde. Aber Hans Umgang zu seiner Zeit mit all diesen Problemen, die sich vor ihm auftung, ist ja nunmehr unreif und wenig durchdacht. Man kann seine Überzeugungen haben und erwachsen damit umgehen.

  • ...naja zumindest bis zur Hälfte von Kapitel 15. Aber jetzt ist der Geburtstag vorbei... WIe schaut es denn bei dir aus? Kommst du voran? Bin ich zu schnell?


    Inhaltlich finde ich weiterhin, dass Böll wirklich zum Nachdenken anregt und mir mal wieder aufzeigt, dass ich mich mit der damaligen Zeit nicht so gut auskenne. So hatte Marie mehrere Fehlgeburten und bei der letzten bin ich mir aufgrund der Begrifflichkeit nichtmal sicher, ob sie nicht eine Abtreibung hat vornehmen lassen. Die Szenen zwischen den beiden sind jedenfalls mehr als bedenklich. Bisher ist mir bei mir an keiner einzigen Stelle das Gefühl aufgekommen, dass Marie Hans wirklich geliebt hat. Ja, sie sagt ihm mehrfach, dass er so lieb sei... aber irgendwie fehlen mir da die echten Gefühle.
    Auf der anderen Seite kann es natürlich ebensogut sein, dass Schnier lediglich die negativen Episoden heraufbeschwört und dadurch gegebenenfalls selbst einsieht, wo er sich falsch verhalten hat und wann er vielleicht schon die Anzeichen für die Trennung hätte erahnen müssen.


    Marie jedenfalls hing immer an Züpfner - alle Anspielungen auf die Blumen und das Händchenhalten sind da wirklich zu eindeutig.


    Hans hat seine komplett eigenen Moralvorstellungen. Für ihn gehört Marie zu ihm und er bezeichnet sie als seine Frau. Auch wenn er wohl hin und wieder in Hotels dadurch mit Problemen zu kämpfen hatte. Letztlich wird ihm sogar ein Besuch von der Sittenpolizei abgestattet. nenene


    Seine Unterhaltung mit dem Pastor finde ich ganz spannend. Hier kommen sehr viele Elemente zum Vorschein, die die Moralvorstellungen des Katholizismus ein wenig ad absurdum führen. Ehrlich gesagt aber auch die von Hans.
    Beide Parteien haben ihre Einstellung zur Ehe (sei sie nun gesetzmäßig oder gefühlsmäßig) und pochen weiterhin auf der Situation. Jeweils gibt es eine Art Ehebrecher, einmal Hans einmal Züpfner und Leidtragende ist einfach die arme Marie. Warum nur waren die Frauen zu der Zeit so "unterwürfig". Aber vielleicht wäre ich das auch gewesen...


    Fazit der gesamten Unterhaltung ist jedenfalls, dass Schnier verloren hat. Marie udn Züpfner sind bereits in den Flitterwochen in Rom - einem Ort an dem er nie mit Marie war.


    Den Besuch des Vaters hingegen finde ich wirklich witzig. Erst Hans Aufzug, dann das (auch aus meiner Sicht) eklige Abendessen und der schöde Umgang mit dem Kognak... inhaltlich kann ich noch nicht soooo viel sagen. Das mach ich nach der Mittagspause, denn dann hab ich das Kapitel auch durch.


    Fazit bisher für mich:
    Die Beziehung zwischen Hans und Marie war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Allein schon aufgrund der verschiedenen Moralvorstellungen, die sich nicht in Einklang bringen lassen.

  • Kapitel 15 befasst sich also nun komplett mit dem Treffen zwischen Vater und Sohn, was für beide Seietn alles andere als gut abläuft.


    Hans hat seinen Vater wahrlich 3 Jahre lang nicht gesehen, seine Mutter vermutlich ebenso lange - das Verhältnis ist also allgemein gespannt. Zumal Hans auch den ihm zugedachten Weg nicht gehen wollte (Geld verdienen und seine Frau ehelichen)
    Schließlich kommt das Gespräch auf das Thema Zukunft und Geld. Hans Vater würde ihn gerne, obwohl er nur über einen Kritiker weiß, wie es um Hans Kunst bestellt ist und ihn nie selber gesehen hat, eine Ausbildung finanzieren, so dass Hans als anerkannter Künstler leben und arbeiten kann. Hans meint aber, dass es dafür zu spät sei, schließlich habe er nun schon einige Jahre gearbeitet. Er hätte gerne 1.000 Mark von seinem Vater, der ihm hingegen 200-300 Mark anbietet.
    Hans hingegen driftet total ab - das Thema Geld scheint in ihm einige unangenehme Erinnerungen wachzurufen. Hier muss ich ehrlich sagen, dass ich die angesprochene Thematik Essen aus Sicht der Mutter auch gut in die heutige Zeit transportieren kann... Schönheitswahn verleitet garantiert auch einige Stars und Sternchen dazu, ihren Kindern in Sachen Ernährung was vorzuenthalten.


    Ich bin weiterhin sehr gespalten, was Hans Schnier angeht. An einigen Stellen finde ich seine Moralvorstellungen sehr sinnvoll, aber oft haut er auch ziemlich daneben und steigert sich zu sehr ins Extrem rein.


    Anschließend ruft er dann doch tatsächlich noch die Geliebte seines Vaters an... OMG