Gaëlle Josse – Les heures silencieuses

  • Original : Französisch, 2011


    INHALT :
    Alles scheint am rechten Platz im Leben von Magdalena, Ehefrau von Pieter Van Beyeren, dem Verwalter der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Geradlinig, selbstbewußt, hätte sie ihrem Vater nachfolgen können. Doch der Handel ist den Männern überlassen. Ihr Platz ist der heimische Herd, worin sie sich beschränken muss. Auf einem Gemälde läßt sie sich mit dem Rücken dem Maler zugewandt darstellen. Ein seltsames Szenario, das nun von diesem intimen Tagebuch erhellt wird. Enttäuschungen, Erinnerungen, Familiendramen, aber auch Freuden und verbotene Sehnsüchte...


    (Klappentext der französischen Ausgabe)


    BEMERKUNGEN/MEINUNG :
    19 Tagebuchaufzeichnungen von November und Dezember 1667, jeweils 2-10 Seiten lang.


    Ein Auszug auf dem französischen Klappentext, ein anderes Zitat auf einer Webseite vermitteln eventuell den Eindruck, schnell den Kern des Buches, der Lebenssituation dieser Frau verstanden zu haben. Vielleicht sollte man darauf verzichten und einfach sagen, dass Magdalena in ihren Tagebuchaufzeichnungen ein wenig ihr Leben nachzeichnet.


    Die Autorin Gaëlle Josse geht dabei von einem tatsächlich existierenden Gemälde des Holländers Emmanuel de Witte aus Delft aus (siehe : http://collectie.boijmans.nl/nl/work/2313%20(OK) ) und legt in dieses Bild eine « mögliche Geschichte ». Dabei ist dann Magdalena die erste Tochter eines reichen, einflußreichen Verwalters der Niederländischen Ostindien-Kompanie (siehe zum ungeheuren Einfluß dieser Handelsflotte z.B. : http://de.wikipedia.org/wiki/N…dische_Ostindien-Kompanie ). Sie leben im Delft zur Zeit eines Vermeers.


    In ihrer Kindheit erlebt Magda ein traumatisches Erlebnis, das sie ein Leben lang prägen wird, und das auch zu einem ihrer hier gewollten Bekenntnisse gehört. Ihre Mutter wird ihrem Mann « nur » Mädchen gebären, und trotz allen Wissens um den Handel wird Magda nicht Erbin, sondern eben ihr Mann Pieter, ehemaliger Kapitän eines der Flottenschiffe. Sie führen zwar eine relativ gute Ehe für die Zeitverhältnisse, und Magda wird in vielen wirtschaftlichen Dingen ebenso zu Rate gezogen, doch letztlich bleiben zahlreiche Schwangerschaften, häusliche Sorgen, und auch eine bleibende Sehnsucht nach « mehr » ihr Los.


    Magdalena erzählt von all dem in einer herrlichen, einfühlsamen, ja poetischen Sprache. Immer wieder tauchen zusammenfassende Schlüsselsätze auf, die man sich gerne herausnotiert und festhalten will. Dieser Sprachfluss, diese Eleganz ist sicherlich eine der Schönheiten des kleinen Romans. Man erkennt dahinter die Feder von Gaëlle Josse, die bislang ja vor allem ein lyrisches Werk erschrieb (es handelt sich hier um ihren ersten Roman).


    Mit skeptischem Blick (den ich leider nicht ganz vermeiden konnte) fragte ich mich, ob eine Frau des XVII. Jahrhunderts wirklich SO geschrieben hätte, in dieser Sprache und in diesem Stil ihrem Leben hätte Ausdruck geben können. Doch sollte man vielleicht diese Skepsis vergessen und sich an einem schönen Leseerlebnis freuen.


    « Nun, da meine Tage verblassen wie ein Spiegel seinen Glanz verliert, wird der Drang mich dessen zu erleichtern, was mich behindert, stärker als alles. Ich wahre die vielleicht naive Hoffnung, dass ein solches Geständnis wie die Amputation eines unheilbaren Gliedes sein wird, die, wenn auch schmerzhaft, den Rest des Leibes zu retten erlaubt. » (Behelfsübersetzung von mir)


    Ohne weiteres kann man dieses Buch auch als historischen Roman einordnen, doch vielleicht falsche Assoziationen lassen mich für « Erzählung » optieren. Viele Leser hier, insbesondere denke ich da an die Frauen, werden dieses Buch zu schätzen wissen !


    Einer jener kleinen französischen, poesiereichen Romane, Erzählungen, die so vielen gefallen.


    Glatte Empfehlung !


    AUTORIN :
    Gaëlle Josse ist eine französische Schriftstellerin, die 1960 geboren wurde. Studium des Rechts, Journalismus' und der Psychologie. Sie verbrachte einige Jahre auf Neu-Kaledonien und arbeitet derzeit als Redakteurin in einem Journal und für eine Internetseite. Sie gestaltet auch Bildungskurse für Erwachsene im geschriebenen und oralen Ausdruck. Für Kinder und Erwachsene organisiert sie ebenso Begegnungen zu einem musikalischen Werk.


    Sie lebt in der Pariser Region und veröffentlichte mehrere Gedichtbände und schrieeb für in verschiedene Publikationen, bevor sie sich 2011 mit « Les heures silencieuses » an einem ersten Roman versuchte. Inzwischen ist ein zweiter ( « Nos vies désaccordées ») hinzugekommen. Mehrere Auszeichnungen und Preise.


    Blog der Autorin : http://gaellejosse.kazeo.com/


    Das rezensierte Buch wird im April 2012 auf Italienisch herauskommen. Es besteht durchaus die Hoffnung, dass dieser Roman noch auf Deutsch übersetzt werden wird ?!


    Taschenbuch
    Verlag: Editions Autrement (5. Januar 2011)
    Sprache: Französisch
    ISBN-10: 2746715015
    ISBN-13: 978-2746715011

  • Herzlichen Dank für diese sehr interessante Vorstellung, wieder ein mir unbekannter Autor den ich gerne lesen werde. Schön das es schon eine italienische Ausgabe geben wird, habe ich natürlich schon vergemerkt :)
    LG
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Freut mich, serjena!


    Schau mal hier: http://www.provedi.it/pages/bo….aspx?ido=971633&n=l&nl=1


    und hier eine italienische Inhaltsangabe:


    “Mi chiamo Magdalena Van Beyeren. Sono io di spalle nel dipinto. Sono la moglie di Pieter Van Beyeren, direttore della Compagnia delle Indie orientali di Delft, e la figlia di Cornelis Van Leeuwenbroek. Pieter ha ricevuto l’incarico da mio padre.”Così inizia il diario segreto di Magdalena, la donna ritratta alla spinetta in uno dei dipinti più famosi del Seicento olandese firmato da Emanuel de Witte. Magdalena prende forma e racconta la vita di una donna capace che avrebbe potuto succedere al padre nella direzione della Compagnia se il commercio non fosse stato appannaggio degli uomini. Così come nel dipinto era assorta nella musica, così nel diario si chiude in se stessa, e affida alla scrittura le brevi gioie dell’adolescenza e della maternità, i ricordi familiari, un’angoscia che la perseguita al calar della sera – ha assistito a un delitto in giovane età –e le amarezze degli ultimi anni. Con tocco sobrio e poetico, Gaëlle Josse dà vita a un personaggio ricco e sfaccettato che ci accompagnerà a lungo dopo la lettura.

  • Natürlich gibt es etliche Unterschiede, doch bei einem Gespräch vor zwei, drei Tagen wurde mir erst richtig klar, dass mich das Buch von Josse in einigen Dingen an: Tracy Chevalier - Das Mädchen mit dem Perlenohrring erinnert. Auch dort geht das Buch von einem Gemälde aus, auch dort steht eine Frauengestalt in ihrer Einfügung in die historischen Umstände im Mittelpunkt, auch dort geht es um das Delft zur Zeit Vermeers. Wer also Tracy Chevaliers Buch gerne gelesen hat, wird wahrscheinlich auch hier auf seine Kosten kommen. Auch wenn man dem Buch von Josse also nicht absolut die selbe Originalität zusprechen kann?