Theodor Fontane – Stine

  • Entstanden : 1881-88, Vorabdruck : 1890, Erste Buchausgabe : 1890


    ZUM INHALT :
    Berlin, circa in den 70iger Jahren des 19. Jahrhunderts : Witwe Pittelkow, Mutter zweier Kinder, erhält einen Brief vom alten Grafen Sarastro. Dieser hält sie zugleich aus und kündigt sich für den Abend, wie schon des öfteren, in Begleitung des Barons Papageno an als auch erstmals mit dem jungen, kränklichen Neffen Waldemar. Ihrerseits lädt sie wie gewohnt die Schauspielerin Wanda ein, stets für deftige Unterhaltung gut, als auch ihre « unschuldige » junge Schwester Stine. Während sich auf dem gemeinsamen Abend Viere wie gehabt vergnügen, scheinen Waldemar und Stine wie Fremdlinge in dieser Gesellschaft. Jener wird nach diesem Abend anfangen, Stine regelmäßig zu besuchen und es entspannen sich lange Gespräche bis in den Abend hinein. Als er aber die Heirat anträgt geht es Schwester Pittelkwo als auch Graf Sarastro zu weit...


    GLIEDERUNG :
    16 Kapitel auf 116 Seiten mit einem mehrseitigen Anhang für Wort- und Ortserklärungen.


    BEMERKUNGEN :
    Zugegebenermaßen liegen die Lektüren der Effi Briest und des Stechlins weit zurück. In meiner dunklen Erinnerung verband ich mit ihnen etwas Steifes, Trockenes. Wie erstaunt war ich da, als ich hier auf den ersten Seiten einen Witz, eine Berliner Schnauze fand, die etwas Freches und Frisches versprüht ! Mehrmals lachte ich vor mich hin, und sprach nach einigen Seiten von meinem kleinen Vergnügen ! Doch dieser Ton ändert sich meines Erachtens im Laufe der Geschichte : es kommt das Rührende und Tiefsinnige einer angehenden Liebesgeschichte, dann aber auch die dramatische Wende, von der ich nur sagen will, dass sie durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Gesellschaftsschichten bedingt ist : Adel und andererseits eine niedrige Arbeiterschicht könen vielleicht eine Zeitlang gewisse Vergnügungen zweifelhafter Art miteinander haben, doch an eine wirklich offizielle Aufhebung der Schranken ist nicht zu denken. Auf dieser Ebene wird der kleine Roman von Fontane zur Gesellschaftskritik : teils sind sich die Akteure sehr wohl bewußt, dass Etikette und Konventionen falsche Grenzen setzen, doch sie können anscheinend nicht aus ihrer Haut hinaus.


    Vielleicht könnte solch ein kleiner Roman auch eine gute Ein- und Hinführung zum Lesen der Werke Fontanes sein, der immerhin zu den ganz großen deutschsprachigen Schriftstellern der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts gehört !?


    ZUM AUTOR :
    Heinrich Theodor Fontane (* 30. Dezember 1819 in Neuruppin; † 20. September 1898 in Berlin) war ein deutscher Schriftsteller und approbierter Apotheker. Er gilt als bedeutendster deutscher Vertreter des poetischen Realismus.
    Im September 1849 entschloss er sich, den Apothekerberuf völlig aufzugeben und als freier Schriftsteller weiterzuarbeiten. Es entstanden zuerst politische Texte in der radikal-demokratischen Dresdner Zeitung. In diesem Jahr wurde auch sein erstes Buch veröffentlicht: Männer und Helden. Acht Preußenlieder. Am 16. Oktober 1850 heiratete er Emilie Rouanet-Kummer. Sie zogen zusammen in eine Wohnung in Berlin und hatten sieben Kinder, die teils früh verstarben. Anfangs hatten sie finanzielle Probleme, da Theodor Fontane keine Anstellung fand. Ein Jahr später wurde er von der Centralstelle für Preßangelegenheiten angestellt. Für diese machte er Reisen nach London (1852) und lebte dort von 1855 bis 1859. Bei seiner Rückkehr widmete er sich nun der Reiseliteratur, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts einen regelrechten Boom erlebte, denn nur wenige Menschen konnten sich das Reisen leisten. Das Wanderungswerk bildet die Grundlage für das spätere epische Schaffen Fontanes. 1864 reiste Fontane nach Kopenhagen, wo er über den Deutsch-Dänischen Krieg schrieb. Ab 1870 arbeitete Fontane als Theaterkritiker. Im selben Jahr nahm er Urlaub, um im Deutsch-Französischen Krieg den Kriegsschauplatz Paris zu besichtigen. In Frankreich wurde er unter falschem Verdacht als Spion verhaftet, jedoch nach einer Intervention Bismarcks zu seinen Gunsten wieder freigelassen. Zwischen 1874 und 1876 unternahm Fontane mit seiner Frau diverse Reisen nach Österreich, Italien und in die Schweiz. Am Ende dieser Reisen entschloss er sich, nicht mehr für eine Zeitung zu schreiben. Stattdessen wollte er wieder als freier Schriftsteller leben. Seitdem schrieb er zahlreiche Texte, bis er 1892 an einer schweren Gehirnischämie erkrankte. Der Arzt riet ihm, seine Kindheitserinnerungen niederzuschreiben, um sich von der Krankheit abzulenken. Er folgte dem Rat und erholte sich wieder so gut, dass er Effi Briest und zwei weitere Romane sowie die autobiografische Schrift Von Zwanzig bis Dreißig vollenden konnte. Fontane starb am 20. September 1898 in Berlin.


    Von Theodor Fontane wurden im BT schon mehrere Bücher besprochen :
    http://www.buechertreff.de/rez…dor%20Fontane-index1.html


  • Bei diesen Namen fällt mir doch gleich die "Zauberflöte" ein. Aber inhaltlich scheint es keine Bezüge zu geben.


    @ tom,
    hast Du eine Erklärung?


    DU machst mich da auf diesen "Zufall" aufmerksam, den ich nicht sah. Nein, meine Kenntnisse der "Zauberflöte" und die Symbolik der Personen sind zu mangelhaft, um Parallelen zu ziehen oder Erklärungen zu haben. Doch eben den reinen Zufall schließe ich fast aus.

  • Mit Maries Frage im Hinterkopf habe ich mir nochmals zwei, drei Passagen angeschaut. Es handelt sich bei diesen Namen wohl nicht um die Eigennamen des "alten Grafen" (aus dem Halderngeschlecht) und des Barons, sondern wohl eher um Spitznamen? Das erste Mal tauchen sie im Munde der Witwe Pittelkow auf, werden aber auch von Fontane in Erzählpassagen und bei weiteren Dialogen der Akteure benützt.


    Woran ich aber nun denken musste: Während ihrer gemeinsamen vergnüglichen Abende führt die Schauspielerin Wanda oft ein kleines Stückchen auf (beim hiesigen Abend handelt es sich um "Judith und Holofernes" nach dem alttestamentarischen Thema!). Vielleicht haben sie in der Vergangenheit die "Zauberflöte" gespielt und einander Rollen zugedacht? Wanda oder die Witwe (?) werden anderweitig als "Königin der Nacht" tituliert, also einer anderen Gestalt aus der Zauberflöte?!


  • BEMERKUNGEN :
    Zugegebenermaßen liegen die Lektüren der Effi Briest und des Stechlins weit zurück. In meiner dunklen Erinnerung verband ich mit ihnen etwas Steifes, Trockenes. Wie erstaunt war ich da, als ich hier auf den ersten Seiten einen Witz, eine Berliner Schnauze fand, die etwas Freches und Frisches versprüht ! Mehrmals lachte ich vor mich hin, und sprach nach einigen Seiten von meinem kleinen Vergnügen ! Doch dieser Ton ändert sich meines Erachtens im Laufe der Geschichte : es kommt das Rührende und Tiefsinnige einer angehenden Liebesgeschichte, dann aber auch die dramatische Wende, von der ich nur sagen will, dass sie durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Gesellschaftsschichten bedingt ist : Adel und andererseits eine niedrige Arbeiterschicht könen vielleicht eine Zeitlang gewisse Vergnügungen zweifelhafter Art miteinander haben, doch an eine wirklich offizielle Aufhebung der Schranken ist nicht zu denken. Auf dieser Ebene wird der kleine Roman von Fontane zur Gesellschaftskritik : teils sind sich die Akteure sehr wohl bewußt, dass Etikette und Konventionen falsche Grenzen setzen, doch sie können anscheinend nicht aus ihrer Haut hinaus.



    Nach "Effi Briest" kann ich mich kaum vorstellen, dass Fontane etwas lustiges schreiben kann...


    Die Gesellschaftskritik zu diesem Thema ist immer wieder in der Literatur präsent: ich errinere mich z. B die Infante in "Le Cid" von Corneille, die Rodrigue liebt und ihn nicht hereiten darf, weil sie als Prinzessin einen Prinz heiraten muss... Ich finde gut und mutig, dass Fontane wieder diese Probleme thematisiert.