Über dieses Buch musste ich lange nachdenken, bevor ich etwas dazu sagen konnte. Es hat großen Eindruck hinterlassen und ist meiner Meinung nach nicht gerade leichte Kost. Es geschehen Dinge, die mich haben schlucken lassen und die man nicht eben mal so wegsteckt oder überliest und schnell weiterblättert, um zu wissen wie es weitergeht. Man fragt sich, wie man selbst in diesem Fall reagiert hätte und ich muss auch ehrlich sagen, dass ich teilweise mit Unverständnis reagiert habe.
Ich meine die Szene im Bootshaus, die für mich eine Vergewaltigung war und nichts anderes. Was mich dabei gestört hat war, dass es danach so weiterging wie vorher. Anna verzeiht ihm, sie treffen sich weiter, er erzählt das Märchen, Anna vertraut ihm. Das war irgendwie zu einfach, als wollte die Autorin deutlich machen, wie gefährlich Abel ist ohne von der vorherigen Vertrautheit zwischen Anna und Abel abzuweichen. Abel, der wirklich gewaltbereit ist und eben nicht dieser "böse Bube", der aber im Grunde seines Herzens eigentlich gut ist, nur durch die Umstände gezwungen wurde und seiner Herzensdame natürlich nie ein Leid zufügen würde. Nein, hier geht es wirklich um Gewalt, Verzweiflung, eine schreckliche Kindheit, Angst und nicht mehr kontrollierbare Gefühle und Situationen.
Und nachdem die Vergewaltigung passiert ist, wollte die Autorin meiner Meinung nach irgendwie zurück zu der vorherigen Vertrautheit zwischen Anna und Abel. Doch das ging nicht mehr, hat nicht mehr gepasst. Da hätte ich mir irgendwie gewünscht, dass die Autorin auch ab und zu mal einen Bruch, Misstrauen, Angst oder ähnliches andeutet und nicht dieses totale Verdrängen und Übergehen dieser Szene. Natürlich soll diese Szene auch nicht alles überschatten, aber ich hätte halt doch gern gemerkt, sie ist da, sie ist nicht vergessen und sie hat etwas verändert. Desweiteren nahm ich diesen Ausbruch mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis, denn nicht jeder, der als Kind missbraucht wurde, wird dann auch gleich zum Vergewaltiger. Ebenfalls sehr zwiegespalten war ich bei Abels Satz: „das hat bei mir nichts mit Zärtlichkeit zu tun, sondern nur mit Gewalt“
Und ich Frage mich wie kann man es zulassen, dass man das gleiche was einem angetan wurde, der Person antun, die man liebt. Hat man überhaupt eine Wahl?
Ich vergebe vier Sterne für eine beeindruckende Geschichte, die man nicht so schnell vergisst.