Das Buch Die Zeichenkünstlerin von Wien erzählt die Geschichte der Juden in Wien im Jahre 1420 und 1421. Die Geschichte der Hetzjagd auf die Juden, die zu der Zeit stattfindet, erzählt Beate Maly durch die Geschichte von Sarah Isserlein, einer Jüdin und Mathes Rockh, einem nicht allzu gläubigen Christen. Inwiefern das Buch von Beate Maly vom tatsächlichen Geschehen abweicht, erklärt die Autorin in einem Nachwort.
Die Geschichte von Sarah Isserlein und Mathes Rockh beginnt mit einem Prolog, der erzählt, wie die beiden zu ihrer Liebe zur Kunst gekommen sind. Sarah zeichnet für ihr Leben gerne, was nicht nur ihrem Vater, sondern auch ihrem zukünftigen Mann Aaron missfällt, denn das Zeichnen lenkt sie regelmäßig von der eigentlichen Hausarbeit ab. Für eine Jüdin, die einen zukünftigen Rabbiner heiraten soll, schickt es sich nicht, ihre Zeit mit so einer Arbeit zu verbringen. Mathes hingegen ist ein christlicher Steinmetz, der für die katholische Kirche arbeitet. Er wurde von einem Steinmetzmeister groß gezogen, nachdem man seinen Vater hingerichtet hatte. Sie treffen sich, als Sarahs Vater und ihr zukünftiger Mann einwilligen, den Entwurf ihrer Kleidertruhe schnitzen zu lassen, wenn sie danach für immer aufhört zu zeichnen. Mathes soll die Truhe für sie verwirklichen. Als er sie nach einiger Zeit um Hilfe für seine Taufkrone bittet, kann sie nicht ausschlagen, auch wenn sie sich dafür heimlich aus dem Judenviertel herausschleichen muss. Mathes ist der Erste, der ihre Kunst ernst nimmt und nicht versucht sie davon abzubringen. Aus diesen heimlichen Treffen entsteht eine Liebe, die jedoch eigentlich keine Chance haben darf, schließlich ist sie Jüdin und er Christ und in einem waren sich beide Religionen einig: Die Religionen dürfen sich nicht vermischen. Und noch dazu ist sie auch schon verlobt. Doch dann fängt die Hetzjagd Herzog Albrechts an und die ganze jüdische Gemeinde wird in den fast sicheren Tod geschickt.
Das Besondere an dem Buch ist, denke ich, dass die Autorin es schafft, die Stimmung der Bevölkerung dem Leser wirklich verständlich zu machen. Ich denke und hoffe, dass kein Mensch heute mehr nachvollziehen kann, wie fast die ganze Bevölkerung Wiens, so einen Hass auf die Juden haben konnte und das auch noch unbegründet. Man lastete den jüdischen Menschen Vergehen an, die sie nie begangen hatten und allein ihr Glaube war eine Sünde, die bestraft werden musste. Natürlich kennt man all diese Beschreibungen aus Geschichtsbüchern und aus dem Allgemeinwissen, jedoch wirkt es nochmal ganz anders auf einen, wenn man über solche Gräueltaten liest und damit Einzelschicksale verbinden kann. Desweiteren ist dies ein Abschnitt der jüdischen Geschichte, die sicherlich nicht so bekannt ist, wie die Judenverfolgung im dritten Reich. Man erfährt in dem Buch schließlich auch nicht nur Dinge über die Hetzjagd, sondern auch über das alltägliche Leben der Juden im 15. Jahrhundert. Juden lebten damals nicht als Teil der Gesellschaft, sondern abgeschottet in Judenvierteln, so genannten Ghettos. Bewegten sie sich in der christlichen Zone der Stadt, liefen sie ständig Gefahr überfallen, verprügelt und gedemütigt zu werden. Dazu trugen auch die Judenhüte bei, die Juden in dem Zeitalter tragen mussten. Man sah Juden als ständige Gefahr für fromme Christen. Außerdem mussten selbst die wichtigsten Leute im Staat, Kredite bei jüdischen Bürgern aufnehmen. Juden wurden als Zinswucherer angesehen, die den Christen das Geld wegnahmen und sie hinter das Licht führten. Durch ihren Reichtum waren Juden natürlich eine gute „Beute“ für Menschen wie den Herzog, die pleite waren. Sie waren die Sündenböcke, auf die man alles abschieben konnte.
Desweiteren ist mir äußerst positiv aufgefallen, dass die Autorin sich nicht ausschließlich auf diese zwei Jahre beschränkt, sondern in den Gedanken der Personen auch Rückblicke auf vergangene Gräueltaten an Juden in Wien vornimmt. Ein Beispiel dafür wäre das große Feuer im jüdischen Viertel, das viele der Hauptpersonen in Beate Malys Buch miterlebt haben. Hinzu kommt ebenfalls noch, dass die Autorin kein rosa-rot Liebesbuch geschrieben hat, sondern die negativen und schrecklichen Teile dieser Geschichte genauso ausführlich beschrieben hat, wie den Rest des Buches.
Der Sprachstil der Autorin ist flüssig, sodass es nicht anstrengend ist, dem Drang zu folgen, weiter zu lesen. Die Beschreibungen sind nicht zu detailliert, wodurch der Leser seiner eigenen Phantasie etwas freien Lauf lassen kann und man nicht mühsam seitenlang mit irgendwelchen Beschreibungen kämpft. Durch den Aufbau des Buches, hat die Autorin eine unheimlich spannende Geschichte geschaffen. Am Anfang deutet sie Dinge, die sich in der Vergangenheit ereignet und trotzdem einen großen Einfluss auf das Geschehen haben, nur an und deckt erst nach und nach die Geschichte hinter diesen Zeichen auf. So fügt sich am Ende fast alles zusammen. Natürlich haben die Personen in diesem Buch, wie in jedem Roman unheimlich viel Glück. Es gibt lauter positive Zufälle und Wandlungen, aber das gehört denke ich zu einer historischen Liebesgeschichte dazu. Allerdings muss man hier positiv anmerken, dass selbst diese Glückssträhnen am Ende fast alle sinnvoll zusammenlaufen. Dies ist vor allem bei den kleinen Geschichten außen herum der Fall, wodurch diese etwas irreal wirken, wie zum Beispiel die Geschichte von Judith und Sarah, die am Ende das gleiche Schicksal haben und sich so auch wiedertreffen und in einem Haus leben. Die eigentliche Geschichte von Sarah und Mathes jedoch, hätte sich zu der Zeit denke ich wirklich abspielen können. Man merkt also, wie viele Gedanken sich die Autorin gemacht hat, um das Buch möglichst authentisch wirken zu lassen.
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Man lernt wirklich etwas über die Zeit und das Leben der Juden damals. Die Autorin hält sich zum Großteil an historische Fakten, weshalb man nach dem Buch nicht das Gefühl hat, nur zum Spaß gelesen zu haben. Ich zumindest habe bei diesem Buch eine Menge gelernt. Der Sprachstil war wirklich angenehm und das Buch unglaublich spannend. Ich habe es innerhalb von zwei Tagen durchgelesen und konnte es nicht mehr zur Seite legen. Mein einziger Kritikpunkt könnte sein, dass die Hauptpersonen doch etwas viel Glück haben und die Geschichte in Teilen etwas fern von der Wirklichkeit scheint. Desweiteren bin ich ein großer Freund von historischen Karten am Anfang von historischen Büchern. Diese zwei Punkte tun meiner Begeisterung allerdings keinen großen Abbruch, deshalb gibt es von mir 4 Sterne.