Als Nachfolger und nunmehr dritter Teil seiner biographischen Publikationen (in der Nachfolge von „Beim Häuten der Zwiebel“ und „Die Box“, daher auch bei den Biographien), präsentiert Günter Grass sein Tagebuch aus dem Jahre 1990.
Beginnend mit dem ersten Januar eben jenen Jahres, strecken sich die breitgefächerten Reflexionen bis zum ersten Februar 1991, bis zur zweiten Woche des gerade erst beginnenden (ersten) Golfkriegs. Dabei gewährt Künstler und Autor Grass nicht nur tiefe Einblicke in sein Leben, seine Arbeit und seine Geisteshaltung, sondern zeichnet eben auch einen Überblick der damals vordringlichen Ereignisse. Kritisch beäugt er, die tiefen Wunden, die sie mit sich bringen wird, die Einheit der Deutschen in Form eines bloßen Anschlusses an die bestehende Bundesrepublik. Aufmerksam beobachtet er die Veränderungen in der Paarteienlandschaft beider deutscher Staaten und die Auswirkungen der Demokratisierung auf die bis zum dritten Oktober noch existierende DDR. Anschaulich seine Reisen gen Osten und die Veränderungen, die im Bewusstsein der Menschen zu beiden Seiten des eisernen Vorhangs vor sich gehen.
Kultur steht aber auch hier mit im Vordergrund: Grass´ eigenes Wirken, die Entstehung der „Unkenrufe“, seine rastlos zeichnende Arbeitswut, aber eben auch Gebaren, Schicksal und Arbeit anderer Kulturschaffender, Günter de Bruyn, Christa Wolf, Horst Janssen u.v.m. können hier und da erlebbar werden.
Rechtzeitig, noch vor der Bildung einer neuen Schwarz-Gelben Regierung kann man durch die Augen des Autors (vielleicht gerade für damals noch zu Junge wie mich interessant) die Arbeit der letzten derartigen Koalition verfolgen und sich Gedanken machen über die Arbeit von Altkanzler Kohls „Mädchen“, die vielleicht nur die ungehemmte Fortsetzung jener ihres Mentors bedeuten könnte.
Immer nachdenklich, häufig gewollt polemisch und stets, wie seine anderen Prosawerke auch, begleitet von der allgegenwärtigen Küche, der typischen Rastlosigkeit. Interessant zu lesen, aber, weil eben ein Tagebuch, nicht immer thematisch erschöpfend. Und warum gibt es bei Steidl eigentlich keine Lesebändchen?
Trotzdem:
Klappentext