Aravind Adiga - Der weiße Tiger

  • Ich lese zur Zeit das Buch "Der weisse Tiger" und fühle mich bis jetzt ganz gut unterhalten. Ich habe den Artikel und das Interview gelesen, auf die Conor verwisen hat und fand auch das sehr interessant. Dieses Buch scheint ja wirklich extrem zu polarisieren. Ich bin gespannt, wie es weitergeht und wie mein abschließendes Urteil ausfallen wird.


    :winken:

    "Liebe die Kunst in dir und nicht dich in der Kunst" - Stanislawski


    :study: J.K. Rowling - Harry Potter und die Heiligtümer des Todes

  • Balram, ein Unternehmer aus Bangalore, erfährt im Radio vom bevorstehendem Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao in Bangalore. Dessen Besuch nimmt Balram zum Anlass, wie es zu seinem Aufstieg vom einfachen Diener zum Geschäftsmann kam.
    In sieben aufeinanderfolgenden Nächten schreibt Balram Wen Jiabao – ob die Mails jemals abgeschickt werden, bleibt dabei unklar.
    Die Idee mit der Rahmenhandlung hat mir recht gut gefallen. Der restliche Inhalt umso weniger.
    Bereits ganz zu Anfang schildert Balram, das er ein Mörder auf der Flucht ist – aber zu seinem Glück ist die Personenbeschreibung so dürftig, das die Polizei nie auf die Idee kam, das der Geschäftsmann aus Bangalore der Diener aus Delhi sein könnte, der seinen Herrn erschlug. Zu der Tat kommt es allerdings erst fast am Ende des Buches. Das nimmt der Handlung doch viel von der Spannung.


    Ich lese nicht andauernd Bücher über Indien, aber immer wieder mal. Und noch nie fand ich eines so langweilig wie das hier. Der Zynismus, mit dem Balram sein Leben in dem kleinen Dorf schildert, in dem er aufgewachsen ist: zum einschlafen. Seine Arbeit als Fahrer: langweilig.


    In seinem Buch gibt es keine Kasten mehr, sondern nur noch Reiche und Arme. Die Armen vergleicht er damit mit Hühnern, die dicht gedrängt in einem Hühnerstall leben, Käfig neben Käfig, während der Schlachter ein Huhn nach dem anderen schlachtet – und die anderen Hühner wissen genau, was ihnen blüht. Demokratie? Fehlanzeige, Wahlstimmen werden erkauft. Ganze Dörfer stehen unter der Knute von ein, zwei Großgrundbesitzern. Von Dienern wird nicht nur Dienen erwartet, nein, sie müssen bei Bedarf auch eine Schuld auf sich aufladen, die ihre Herren begangen haben. Wenn nicht, dann wird die Familie des Dieners bestraft – oft mit dem Tod.


    Ich war noch nie in Indien und selbst wenn – von einer mehr oder wenig kurzen Urlaubsreise könnte ich mir auch kein Urteil über dieses riesige und fremde Land erlauben. Mag sein, das es Korruption gibt, mag sein, das der Herr wichtiger als alles andere ist. Aber mir hat einfach nicht die saloppe Erzählweise gefallen, mir hat nicht gefallen, wie über die verschiedenen Religionen hergezogen wurde. Mag sein, das der Autor einfach nur schockieren wollte, aber mich haben nicht die Zustände schockiert, sondern die billige, reißerische Sprache.


    Im Moment empfinde ich nur Bedauern darüber, das ich Geld und Zeit für das Buch geopfert habe. Da trifft der Satz, den Balram immer wieder benutzt, um von seinem Indien zu erzählen wie die Faust aufs Auge:

    Zitat

    "What a fucking Joke."


    Fazit: Ein zynischer Blick auf Indien – für mich leider ohne jegliche Spannung, sondern eher einschläfernd.
    :bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich fand den Roman ganz und gar nicht langweilig, im Gegenteil, ich habe ihn verschlungen. Und ich konnte die Wut des Protagonisten sehr gut nachvollziehen, über die unmenschlichen Zustände, in denen die Armen leben müssen, während wenige Reiche sich ein schönes Leben machen und die Korruption blüht. Er ist einer der wenigen, die aus dem "Hühnerkäfig" ausbrechen - verhält sich jedoch danach nur um Nuancen besser als diejenigen, die er hasst. Eine wirkliche Rebellion ist das nicht, aber eine sehr eindringliche Zustandsbeschreibung eines Landes. Ob diese mit der Realität übereinstimmt, ist natürlich die andere Frage, das vermag wohl niemand beurteilen, der dort nicht gelebt hat. Und man mag sich in der Tat fragen, wie gut der Sohn eines Arztes und Auslandstudent sich in die Situation der Diener und Slumbewohner hineinversetzen kann. Nur, welcher Slumbewohner hätte überhaupt die Möglichkeit, sich in dieser Form zu äußern? Vielleicht ist der Autor eine "Stimme des Volkes", vielleicht auch nicht. Beeindruckt hat mich das Buch in jedem Fall.