Aus dem Vorwort des Autors (die Erstveröffentlichung des Buches war 1936!):
Wer Kopfweh hat, nimmt Pyramidon. Wer an Magendrücken leidet, schluckt doppeltkohlensaures Natron... Und in dem Schränkchen, das Hausapotheke heißt, halten sich Menschen ... überdies Baldrian, Leukoplast, Choleratropfen ... Aber manchmal helfen keine Pillen.
Denn was soll einer einnehmen, den die trostlose Einsamkeit des möbilierten Zimmers quält oder die naßkalten, nebelgrauen Herbstabende? Zu welchen Rezepten soll der greifen, den der Würgeengel der Eifersucht gepackt hat? Womit soll ein Lebensüberdrüssiger gurgeln? Was nutzen dem, dessen Ehe zerbricht, lauwarme Umschläge? ...
Die Einsamkeit, die Enttäuschung und das übrige Herzeleid zu lindern, braucht es andere Medikamente. Einige davon heißen: Humor, Zorn, Gleichgültigkeit, Ironie, Kontemplation und Übertreibung. ... Doch welcher Arzt verschriebe sie, und welcher Provisor könnte sie in Flaschen füllen?
Der vorliegende Band ist der Therapie des Privatlebens gewidmet. Er richtet sich, zumeist in homöopathischer Dosierung, gegen die kleinen und großen Schwierigkeiten des Existenz. ...
Vor den Teil mit den Gedichten hat Kästner eine Gebrauchsanweisung eingefügt mit einem Register von A-Z. Dort kann man sich informieren, welches Gedicht man liest, "wenn das Alter traurig stimmt", "wenn man Erziehung nötig hat", "wenn man zu wenig von Kunst versteht" bis "wenn man sich über Zeitgenossen geärgert hat". Zu jedem Problem hat Kästner mehrere Gedichtvorschläge, um sich zu heilen. Für Zeiten, "wenn man zu wenig Geld hat" gibt es z.B. das Gedicht "Keiner blickt dir hinter das Gesicht" sogar in einer Fassung für Beherzte und einer Fassung für Kleinmütige.
Wenn man sich die Probleme ansieht, die Kästner vor über 70 Jahren anspricht und die Rezepte, die er dazu schreibt, kommt der tröstliche Gedanke: Es gibt trotz vielfältigen Wandels von Gesellschaft, Politik, Lebensformen und Ideologien noch genug, was unverändert bleibt und was aus diesem Grund universell ist.
Kästner bleibt auch für mich der erste Name zur "Bekehrung" von Lyrikmuffeln, weil er in seinen Gedichten einfache pointierte Geschichten erzählt.
Marie