Guy de Maupassant, Pierre und Jean

  • Seitenzahl: 165


    Inhalt: (Cover)
    Die Geschichte zweier rivalisierender Brüder an der normannischen Küste: Pierre, ein scharfer Analytiker mit höchsten Ansprüchen an sich selbst und andere, und sein Bruder Jean, eine allseits beliebte Frohnatur, könnten verschiedener nicht sein. Da erbt eines Tages Jean das Vermögen eines Freundes der Familie. In Pierre keimen Neid und Mißtrauen.....


    Mein Kommentar:
    Beide Brüder kommen nach abgeschlossenem Studium ins Elternhaus in LeHavre zurück, um bald die Zukunft zu planen. Pierre hat Jura studiert und Jean Medizin. Die finanziellen Möglichkeiten sind eher bescheiden nachdem der Vater sich für ein beschauliches Rentendasein in der Küstenstadt entschieden hat. Nach einem gemeinsamen Ausflug erfahren sie durch den Notar vom Tod eines guten Freundes, der früher fast schon zur Familie gehörte und keine Angehörigen hinterläßt. Er hat Jean zum Univeralerben über ein recht ansehliches Vermögen eingesetzt. Die Freude der Familie ist groß, nur Pierre fühlt sich wieder einmal zurückgesetzt, nicht dazu gehörend. Er versucht seinem Neid entgegenzutreten, aber immer wieder denkt er an jene Tage als der Freund Maréchal auch viel Zeit mit ihm dem Älteren verbrachte, stets freundlich zu ihm war. Warum hat er das Erbe nicht gerecht unter beiden Brüdern geteilt? Ein dahingeworfener Satz eines ihm bekannten Barmädchens bringt ihn erneut zum Grübeln.
    Eine packende Geschichte. Nicht die Wahrheit wird gefordert, sondern den Erhalt des gesellschaftlichen Ansehens - eine Lösung muß gefunden werden.
    Präzise beschreibt Guy de Maupassant die einzelnen Familienmitglieder und ihre Gefühlswelt. Nur der Vater scheint von all dem nichts zu bemerken und wirkt daher etwas blass, aber vielleicht ist er auch nur auf seine tägliche Bequemlichkeit bedacht oder doch so einfältig? Das Ende empfinde ich als rigoros und doch überzeugend.
    Wieder einmal bin ich begeistert von Guy de Maupassants Erzählkunst. Ganz ohne Schnörkel, sich auf das Wesentliche beschränkend, doch so treffend wiedergegeben und fast modern anmutend. Der Beweis, dass Klassiker nicht angestaubt sein müssen - ein Leseerlebnis.


    Gruß Wirbelwind


    :study: Nadia Fusini, Clara

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Wirbelwind, du bist wohl gerade im Maupassant-Fieber. Ich kann das aber gut verstehen, habe ich ein gutes Buch von einem Autor gelesen, möchte ich die anderen in kurzer Zeit folgen lassen. So landet jaetzt auch dieses Buch auf meinem immer länger werdenden Wunschzettel. Ich hoffe, Mario hat keine Begrenzung dafür eingebaut. :wink:

  • Ja so könnte man es nennen, deshalb habe ich auch noch "Bel Ami" vorgestellt. :lol:
    Nur schade, das es jetzt nicht mehr allzu viel von Guy de Maupassant zu entdecken gibt - meine Begeisterung ist grenzenlos. Ich hoffe ich kann dich und so manchen anstecken.
    Was die Wunschliste angeht, so bete ich , dass Mario viel Platz dafür eingeplant hat, denn ich wünsche im Augenblick auch mehr als mein Geldbeutel auf einen Rutsch verdauen kann. Doch da gibt es ja zum Glück Geburtstage, Weihnachten....mir fallen bestimmt noch mehr Gelegenheiten ein.


    Liebe Grüsse und viele schöne Schmökerstunden im Urlaub
    Wirbelwind :winken:

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  • ...Hochzeitstage, Namenstage, Kennenlerntage, Regentage... :loool:


    Bei der Urlaubslektüre bin ich noch schwer am Sortieren. Danke aber für die Wünsche. (sorry, sehr off topic, aber ich konnte nicht anders)

  • Hallo Wirbelwind,


    vielen Dank für die tolle Rezension. Hat mich sehr angesprochen, so daß dieses Buch jetzt auf meinem Wunschzettel steht.


    Liebe Grüße
    Mae

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.


    (Aldous Huxley, englischer Schriftsteller, 1894 - 1963)

  • Freu mich, Mae! Wenn du es gelesen hast, würde mich natürlich auch deine Meinung darüber interessieren. :)


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Nadia Fusini, Clara

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  • Hallo Wirbelwind,


    gerade habe ich überlegt, wie ich die Rezi zu dem Buch schreiben könnte - und im letzten Moment sehe ich, das du das Buch auch gerade gelesen hast. :lol:


    Ich fand die Geschichte ebenfalls sehr beeindruckend. Pierres Gefühle und sein beginnender Neid sowie sein Einfluss auf seine Mutter wurden sehr eindringlich geschildert. Der Vater wirkte auf mich eher...ein bisschen...einfältig trifft es sehr gut.

  • Hallo Hermia,
    ja manchmal haben zwei fast gleichzeitig den selben Lesewunsch. :)
    Leider gibt es außer Novellen und Erzählungen von Guy de Maupassant kaum noch etwas auf dem deutschen Markt, aber ich habe noch "Ein Leben" entdeckt, das ich mir demnächst bestellen will.
    Für mich ist er 2008 die Entdeckung überhaupt. :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: W.Somerset Maugham, Auf Messers Schneide

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  • so manchen anstecken


    Hier meldet sich noch eine Angesteckte. Nachdem ich jetzt den halben Bel Ami in einem Rutsch gelesen habe, werde ich bei meinem nächsten Büchereibesuch alles mitschleppen, was von Maupassant vorrätig ist.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Na das ist doch mal eine Ansteckung, die sich gerne ausbreiten darf. :lol:
    Noch viel Spaß beim Lesen, Marie!


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: W.Somerset Maugham, Auf Messers Schneide

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  • Hallo,


    noch eine weitere Angesteckte. Wir wurden am Gymnasium mit Maupassant regelrecht gequält, danach habe ich nie wieder einen angefasst.
    Nur zufälligerweise habe ich mir am Samstag Pierre et Jean gekauft... :-,


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Leider gibt es außer Novellen und Erzählungen von Guy de Maupassant kaum noch etwas auf dem deutschen Markt, aber ich habe noch "Ein Leben" entdeckt, das ich mir demnächst bestellen will.


    "Ein Leben"? Das kenne ich noch gar nicht. Die Erzählungen vom Maupassant haben mir allerdings auch gut gefallen, aber deren Lektüre ist schon einge Jahre her.

  • @Hermia
    "Ein Leben" ist 1995 bei Ullstein erschienen und nur noch gebraucht (bei Amazon) erhältlich.
    Ja seine Erzählungen sind auch schön, aber ich mag generell Romane lieber, ob es daran liegt, dass ich dann intensiver hineinversinken kann - ich weiß es nicht. :roll:


    Alixe
    Mir ging es u.a. mit Brecht so. Seine Werke wurden in der Schule bis zum letzten Tropfen ausgepresst. Ich habe jahrelang einen großen Bogen um ihn gemacht.
    Erst dann konnte ich mich ohne Druck ihm wieder nähern, aber zu meinen Lieblingsautoren gehört er immer noch nicht.
    Wäre schade, wenn es dir mit Guy de Maupassant genau so erginge.


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: W.Somerset Maugham, Auf Messers Schneide

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  • Hallo Wirbelwind,


    Pierre et Jean sind im Koffer verstaut, nach dem Urlaub werde ich dann berichten ob die Schulnachwehen abgeklungen sind... :wink:


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Dann bleibt mir nir noch übrig dir einen wunderschönen Urlaub zu wünschen! :):winken:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: W.Somerset Maugham, Auf Messers Schneide

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  • Danke Wirbelwind!
    Bis bald! :winken: :winken: :winken:


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen,



    nun, liebe Wirbelwind, deine Begeisterung ist vollkommen berechtigt und ich bin durch dich um eine äußerst erfreuliche Lektüre bereichert worden. Der klare Stil, die Leichtigkeit seiner Sätze und die ungezwungene und doch immer tiefer greifende Charakterisierung seiner Protagonisten, die Beschreibung ihrer Gedanken, Handlungen und Worte haben mich wirklich gefesselt.

    Ein dahingeworfener Satz eines ihm bekannten Barmädchens bringt ihn erneut zum Grübeln.

    Diesen Übergang fand ich herrlich, Pierres anfängliches Zaudern, das Verwerfen der Anschuldigung, die nagende Verzweiflung, das Wissen, dass es so ist… einfach herrlich ge- und beschrieben.

    Zitat

    Nur der Vater scheint von all dem nichts zu
    bemerken und wirkt daher etwas blass, aber vielleicht ist er auch nur auf seine
    tägliche Bequemlichkeit bedacht oder doch so einfältig?

    Das ist mir auch aufgefallen. Den Vater sehe ich auch als ziemlich nichtssagend, ich habe mich gefragt, ob er die Wahrheit kennt, ob er nicht aus bestimmten Gründen Paris verlassen hat und deswegen nie wieder Kontakt zu seinem, doch so guten Freund, aufgenommen hat.


    Zitat

    Das Ende empfinde ich als rigoros und doch überzeugend.

    Das Ende hat mich auch ein bisschen überrascht, andererseits ist es, wie du sagst, überzeugend.



    Gestern habe ich mir une vie und Bel-Ami besorgt. :)

    Zitat

    Der Beweis, dass Klassiker nicht
    angestaubt sein müssen -

    Das sind sie niemals nicht! :wink:


    herzlichst: Alixe

    [i][color=#000066][font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand. [size=8](Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo Alixe,
    hoffe du hattest einen schönen Urlaub.
    Freut mich, das dir Pierre und Jean gefallen hat und du dir nun sogar "Bel Ami" gekauft hast. Dann kann ich es mir nicht verkneifen auch für "Ein Leben" Reklame zu machen (siehe Rezi). :D
    Aber um nochmals auf Pierre und Jean zurückzukommen. So im Geheimen habe ich mal ein anderes Ende durchgespielt. Maupassant hat sich ja hundertprozentig festgelegt, aber für mich hätte es auch die andere Lösung gegeben, darum habe ich geschrieben rigoros, doch überzeugend. :-k


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Susan Fletcher, Austernfischer

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    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Hallöchen ihr Lieben!




    Ich hab mir Pierre et Jean gerade erst ... Hm, um ehrlich zu sein, muss ich wohl sagen "angetan." Leider habe ich im Französischen nicht sehr viel von der Leichtfertigkeit seiner Sätze gefunden; was aber vielleicht auch daran liegt, das ich mit dem Passé Simple noch nicht allzu gut umgehen kann.


    Aber nun mal ein paar kurze Fragen zur Zusammenfassung:


    1. Ist nicht Pierre der Mediziner und Jean der Rechtswissenschaftler? Also umgekehrt als es oben beschrieben wird...? Ich glaube, das hat schon seine Gründe, warum Maupassant das so geschrieben hat und nicht anders - Pierre, der ja doch irgendwie sehr instabil ist und sowohl in seinen Gefühlen als auch in seinen Gedanken immer wieder auf und ab "geworfen wird", wäre wohl nicht unbedingt geeignet für den Beruf des Rechtsanwalts/Richters. Jean hingegen, behält eher einen kühlen Kopf, auch in brenzligen Situationen... Er verliert weniger Schnell die Beherrschung und die Nerven als Pierre, obwohl er ziemlich genau spürt bzw. wahrnimmt, was sich rundherum abspielt; auch teilweise, was sich im Innern von Pierre abspielt. Warum, aber, ist Pierre gerade Mediziner? Ich verstehe nicht, wie es im ganzen Buch über so einfach eingeordnet wird (er wird oft sogar nur mit "le docteur" beschrieben)...? Es steht doch auch im Buch, dass Pierre unbeständig ist; nicht nur in Bezug auf seine Gefühls- und Gedankenwelt, sondern eben auch allgemein in seinem Leben - dass er beruflich kaum etwas zu Ende bringt, dass er immer bereits von neuen Interessen weitergetrieben wird, bevor etwas anderes abgeschlossen ist. Wie, also, konnte er sich auf die Medizin so stark festlegen? Ich kann mich erinnern an den Teil, in dem beschrieben wird, dass er schlussendlich Medizin gemacht hat, aber ich habe dort wohl einiges nicht so genau verstanden (... Französisch *Augenroll*).


    2. Wirbelwind, du schreibst, dass er dauernd daran denkt, wie Maréchal früher zu ihm war. Ich glaube, gelesen zu haben, dass er sich kaum mehr daran erinnern konnte; dass ihm sein Vater, glaub ich, davon erzählt hat, als Pierre am Tisch gefragt hat, wie die Bekanntschaft zwischen den Rolands und Maréchal eigentlich entstanden ist.
    Vielleicht magst du das oben ja noch berichtigen. ^^ Ist aber gar nicht böse gemeint... Hat mich nur nervös gemacht... Ich muss grad nochmal nachlesen, wie das alles wirklich war :|
    Leider habe ich morgen schon meine Franz-Maturaprüfung, die mit 66%-iger Wahrscheinlichkeit aus dieses Buch umfassen wird und werde deshalb vorher gar keine Antworten mehr dazu lesen können... Schade, schade... Aber wenigstens hab' ich jetzt auch mal was dazu gesagt. ;-D