Bernhard Schlink: Liebesfluchten

  • Zum Inhalt:Dieses Buch ist kein Roman, sondern eine Sammlung von sieben Erzählungen:
    1. Das Mädchen mit der Eidechse
    2. Der Seitensprung
    3. Der Andere
    4. Zuckererbsen
    5. Die Beschneidung
    6. Der Sohn
    7. Die Frau an der Tankstelle


    Natürlich geht es in all diesen Erzählungen um das Thema Liebe. Dabei erwarten einen aber keine heiteren kleinen Geschichten mit Happy End, vielmehr wird hier aufgezeigt, wie kompliziert, beängstigend, traurig und schmerzhaft Liebe eben auch von Zeit zu Zeit sein kann. Und dabei geht es auch gar nicht immer um partnerschaftliche Liebe: Die Erzählung "Der Sohn" handelt zum Beispiel von einem Mann, der in ein Krisengebiet reisen muss. Dort, an einem Ort, der ihn eigentlich an das Leid eines Volkes denken lassen sollte, erkennt er, dass er seinem Sohn immer zu wenig gezeigt hat, dass er ihn liebt. Doch die Situation ist inzwischen sehr verfahren und es gibt für den Vater kaum eine Möglichkeit, dies wieder gutzumachen.
    Gemeinsam haben alle Geschichten zusätzlich noch, dass sie - wenn auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise - auch mit der Bewältigung der Vergangenheit zu tun haben. Besonders deutlich wird das zum Beispiel in der Erzählung "Der Seitensprung", in der es um eine Ost-West-Freundschaft, Verrat und Bespitzelung geht. Am besten gefallen hat mir in diesem Zusammenhang "Die Beschneidung". In dieser Erzählung geht es um einen jungen Deutschen namens Andi, der in Amerika eine wissenschaftliche Arbeit schreiben will. Dabei lernt er Sarah kennen, eine junge Amerikanerin, und die beiden verlieben sich ineinander. Das Problem ist, dass Sarah Jüdin ist und nicht nur ihrer Religion in ihrem Leben hohe Priorität zugesteht, sondern dass Sarah Andi zu lieben scheint, obwohl er Deutscher ist. Die Vergangenheit seines Landes macht ihr schwer zu schaffen und Andi hat das Gefühl, nicht zu wissen, wohin er gehört: einiges, was Sarah so spöttisch oder verletzend über Deutschland sagt, sieht er eigentlich genauso. Doch aus irgendeinem Grund fühlt er sich auch immer wieder persönlich angegriffen. Möchte er wirklich geliebt werden, "obwohl" er eine bestimmte Nationalität hat? Doch dieses Problem kann er Sarah nicht begreiflich machen, und ein Streit, in dem er sie fragt, wie sie es fände, wenn er sie liebe, "obwohl" sie Jüdin ist, wird schließlich zu einem Denkanstoß für Andi und das, was er für seine Liebe zu geben bereit ist.
    Eine bemerkenswerte Geschichte ist - finde ich - dann auch noch "Das Mädchen mit der Eidechse", die erste Erzählung der Sammlung. Es ist schwer, sie zu beschreiben, ohne etwas vorwegzunehmen, das man beim Lesen erst selbst entdecken sollte, finde ich, deswegen möchte ich nur so viel sagen: es geht um die Liebe zu einem bestimmten Bild und um Familiengeheimnisse, die manchmal so schwer auf einem lasten können, dass man ihnen kaum entkommen kann.


    Meine Meinung:
    Das Buch hat mir sehr gut gefallen, obwohl ich eigentlich nicht so gern Erzählungen oder Kurzgeschichten lese. Ich finde, dass Schlink einen ganz besonderen Erzählstil hat, der beim Leser noch lange nachwirkt. Die Geschichten machen nachdenklich, weil nie klar ist, welcher Weg der richtige wäre, weil man nie weiß, welche der beiden Seiten recht hat und weil man einige der Situationen, so erschreckend sie vielleicht auch sein mögen, manchmal auch nachvollziehen kann. :thumleft: