Friedrich Dürrenmatt: Die Panne (Buch)

  • Friedrich Dürrenmatt: Die Panne, Verlag Die Arche Zürich; 120 Seiten; ISBN: 3-7160-1149-5




    Es ist ein geistreiches und doch makabres Spiel, das die fünf alten,
    pensionierten Juristen da betreiben: In ihrer Langeweile üben sie ihre
    eigenen Berufe noch einmal (spielerisch) aus. Einer ist Staatsanwalt,
    einer Verteidiger, einer Richter usw. Sie treffen sie regelmäßig zum
    Essen und sprechen dabei - mangels realer Mitspieler, die als
    Angeklagte dienen könnten - historische Kriminalfälle durch. In dieser
    Situation muß der Geschäftsmann Alfredo Traps unfreiwillig bei ihnen
    übernachten. Sein Studebaker hatte eine Panne. Der zufällig in ihre
    Gesellschaft geratene Geschäftsmann gelangt dabei zur Erkenntnis seiner
    eigenen Schuld...


    Rund 120 Seiten ist die Erzählung in der vorliegenden Form lang. Was
    auf den ersten Blick als lang erscheint, ist aber gut lesbar.
    Dürrenmatt läuft hier zur gewohnten Hochform auf. Literarisch ist die
    Geschcihte hervorragend. Eine gewisse Eigenart, wenn nicht gar Unart
    des Autors tritt hier allerdings sehr deutlich hervor, nämlich der Hang
    zu überlangen Sätzen, die eigentlich erst dann am besten wirken, wenn
    sie gesprochen werden.


    Auch die Geschichte ist an sich schon ungewöhnlich. Vordergründig ist
    die Handlung in den Rahmen einer Erzählung eingebettet; Elemente eines
    Krimis kommen hinzu. Gleichzeitig wirft Dürrenmatt hier auch die Frage
    nach Schuld und Sühne auf. Hier geht es also um Fragen des menschlichen
    Zusammenlebens. Wie weit darf man gehen, um beruflich und menschlich
    Erfolg zu haben. Dürfen die sprichwörtlichen Ellebogen unbegrenzt
    eingesetzt werden und dabei Existenzen zerstört werden? Gerade in
    Zeiten wie unserer darf auch gefragt werden: Wie entfesselt darf sich
    "die" Wirtschaft geben? Steht der unbedingte Wille zum
    (wirtschaftlichen) Erfolg, zum unbegrenzten Reichtum im Vordergrund?
    Oder gibt es im Wirtschaftsleben auch ethisch-philosophische Regeln,
    die eingehalten werden müssen? An dieser Stelle wirft die Erzählung,
    die 1956 erstmals veröffentlicht wurde, auch ganz aktuelle Fragen auf.


    Das Fazit? Es ist ein spannendes Buch, das der Leser gut an einem Tag
    verschlingen kann - das Wort "fesselnd" ist hier also durchaus
    angebracht.

  • möchte gerne noch ergänzen: :D




    Inhaltsangabe Buchrücken:



    „Seine >noch mögliche Geschichte< betitelt Die Panne, setzt Dürrenmatt uns nicht
    vor, ohne uns auseinanderzusetzen, was er an Geschichten noch für möglich hält –
    nämlich solche, in denen >aus einem Dutzendgesicht die Menschheit blickt,
    Pech sich ohne Absicht ins Allgemeine weitet, Gericht und Gerechtigkeit
    sichtbar werden, vielleicht auch Gnade, zufällig aufgefangen, wiederspiegelt
    von Monokel eines Betrunkenen<. Wer Dürrenmatt bisher, fälschlicherweise,
    für einen in Brechts Spuren Wandelnden gehalten hat – an diesem Satz spätestens
    müsste er erkennen, dass Dürrenmatt Brecht zumindest eines voraus hat: Die
    Gewissheit, dass Dichtung nicht Dichtung ist, so sie nicht exemplarisch ist.



    Was er Brecht noch voraus hat, ist die Skepsis gegenüber den
    eigenen Meinungen und den eigenen Formungen:



    >... diskret zurücktreten, das Private höflich wahren,
    den Stoff vor sich wie ein Bildhauer sein Material, an ihm arbeitend und an ihm
    sich entwickelnd, und als eine Art Klassiker versuchen, nicht gleich zu
    verzweifeln, wenn auch der bare Unsinn kaum zu leugnen ist, dr überall zum
    Vorschein kommt, dann wird Schreiben schwieriger und einsamer, auch sinnloser...<



    In dieser Bidlhauerprosa ist Die Panne geschrieben. Da gerät also Herr Traps, Textilien-
    Generalvertreter und Kleinbürger, wie er exemplarischer nicht zu denken ist,
    durch den Zufall einer Autopanne in die
    Gesellschaft von vier Greisen- alles ehemalige >Juristen<: Verteidiger
    der eine, Staatsanwalt der andere, Richter der dritte, Scharfrichter der
    vierte. Aufgefordert, das Spielchen mitzuspielen, entdeckt Traps, unmäßig, wenn
    auch immer nur das feinste, mit den Kämpen essend und trinkend, sich und der
    Tischgesellschaft, dass er seinen einstigen Chef >ermordet< hat.



    Walther Karsch/
    Süddeutsche Zeitung



    Eigene Meinung:



    Nach und nach bemerkt der Textilverkäufer, dass er nicht
    ganz unschuldig an dem Herzinfarkttod seines Chefs ist. So hat er zum Beispiel
    eine Affäre mit seiner Frau gehabt, und es ihm dann erzählt. Außerdem
    wird immer wieder deutlich, dass der Tod seines Chefs einen ziemlichen
    Karrieresprung für Traps bedeutet hat (z.B. größeres Auto, mehr Geld). Nach
    einer gewissen Zeit der Anklagerunde an der reichlich gedeckten Tafel, scheint
    es so, als ob der Textilwaren-Generalvertreter, erst durch die Gespräche
    mit seinen „Anklägern“ sich selbst, sein dunkles ICH, findet. So ist er doch zu Beginn, ganz unschuldig in die
    Runde getreten, sich keiner Schuld bewusst gewesen. Durch die tieferen
    Gespräche jedoch, mit den älteren Herren, bemerkt er nach einer gewissen Zeit,
    dass er vielleicht doch nicht so unschuldig am Tod seines Chefs ist. Diese
    Erkenntnis geht soweit, dass er sich am Ende in seinem Zimmer erhängt.



    Inhaltsangabe „Der Hund“



    Ein Mann entdeckt eines Tages einen Prediger, religiöse
    Worte verkündend in der Stadt vor einer
    Menschenmenge. Er wird von einem Hund mit bedrohlich leuchtenden, gelben Augen
    begleitet. Jeden Tag sucht der Mann nun den Prediger auf um ihn zu beobachten,
    zu verfolgen, immer darauf bedacht dass er nicht entdeckt wird. Nach mehreren
    Tagen jedoch, wird der Mann bemerkt, es macht ihm nichts mehr aus, er gesellt
    sich zu der Menge. Jedoch wird er immer wieder von dem Hund angeknurrt und
    eingeschüchtert. An einem Abend verlangte der Prediger von dem Mann, ihn nach
    Hause zu begleiten, was er auch tat. Zuhause angekommen legt sich der Prediger
    sogleich auf eine am Boden liegende Matratze und schlief sofort ein, den Hund
    zu seinen Füßen. Der Mann trifft sogleich auf ein junges Mädchen, die Tochter des
    Predigers. Sie vertraut ihm an, dass sie große Angst vor dem Hund habe, und ihr
    Vater, einstiger Fabrikbesitzer mit großer Familie, alles bis auf das Mädchen
    aufgegeben habe um die Worte der Bibel zu verkünden.



    Zwischen dem Mädchen und dem Mann beginnt eine Beziehung zu
    entstehen, die sich über Monate hinzieht. An einem Abend jedoch verlangt das
    Mädchen von dem Mann, er solle den Hund töten, den Hund der keinen Namen hat.
    Als dieser sich jedoch in den Keller zu dem Mann und dem Hund begibt, sieht er,
    dass der Hund den Prediger bereits getötet, regelrecht in Stücke gerissen hat, und durch das Fenster geflohen
    ist. Nachdem die Polizei das Zimmer untersucht, rennt der Mann durch die
    Straßen um das Mädchen zu suchen- er findet sie jedoch nicht. Es wurde überall
    gesucht – jedoch nicht mehr gefunden- auch der Hund nicht.



    Nach 3 Tagen kommt der Mann nachhause, bemerkt Schritte auf
    der Straße und erkennt das Mädchen, mit dem Hund an seiner Seite.



    Eigene Meinung:



    Kann mir nicht genau denken für was der Hund in dieser
    Geschichte steht. Evtl. könnte er als Symbol für „die Hölle“, oder „religiösen
    Wahn“ stehen, der den Prediger immer mehr unterdrückt und ihn am Ende
    auffrisst. Später wird seine Tochter von ihm ergriffen und abhängig gemacht.



    Inhaltsangabe „Der Tunnel“



    Ein 24-jähriger, noch von den Eltern abhängiger Student,
    steigt, wie in gewohnter Weise, in seinen Zug um nach Hause zu fahren. Der
    Student, als fett beschrieben, ständig Zigarrenrauchend und sich sämtliche
    Löcher im Körper verstopfend (zwei Sonnenbrillen, Wattebausch im Ohr), setzt sich
    in ein Abteil zu einer rothaarigen junge Frau, welche auf ein Buch konzentriert
    ist, und einen Mann, der mit sich selbst Schach spielt.



    Nach einer Weile gelangt der Zug in einen Tunnel, auf den
    sich der Student an diesem Tag besonders konzentrieren möchte, so hat er doch
    bisher immer verpasst wie lang sich dieser erstrecken. Nach einiger Zeit jedoch
    wird ihm mulmig zumute, der Tunnel hört auch nach 20 Minuten nicht auf, die
    Strecke ist ihm nie so lange vorgekommen. Als der Student, langsam nervös
    werdend, denn Mann darauf anspricht, sich eine Erklärung erhofft, wird dieser
    nur abgewimmelt. So entschließt er sich ins Führerhaus zu gehen, um den Zugführer
    selbst nach der Länge des Tunnels zu fragen. Als er diesen antrifft, hat er
    jedoch auch keine Erklärung für die ungewohnte Situation. jedoch schaffen beide
    es in den Führerraum zu klettern, und bemerken, dass der Lokomotivführer schon
    längst abgesprungen ist. Langsam bemerken sie, dass der Zug immer schneller wird,
    immer mehr ins Erdinnere schießt. Die Notbremse funktioniert nicht mehr, der
    Zug lässt sich nicht mehr steuern und rast, immer schneller werdend in den
    Abgrund. Auf die Frage: „Was sollen wir jetzt tun“, antwortet der Student am
    Ende nur mit: „Nichts. Gott ließ uns fallen und so stürzen wir denn auf ihn zu.“



    Eigene Meinung:



    Meiner Meinung nach steht der Zug als Symbol für das Leben
    das in geregelten Bahnen verläuft,
    manchmal jedoch direkt auf eine Katastrophe zu. Man kann dieses Unglück nicht
    mehr verhindern, so wie man im wirklichen Leben nicht sein Schicksal ändern
    kann, jeden Tag auf den Tod zugeht. Die Passagiere, die mit dem Studenten im
    Abteil saßen, haben die Katastrophe, meiner Meinung nach, von Anfang an
    hingenommen und sich nicht beunruhigen lassen. Der Student jedoch, hat erst am
    Ende, als er merkte, dass man das Unglück nicht verhindern kann, sich seinem
    Schicksal gefügt.



    Besonders durch den letzten Satz des Studenten „Gott ließ
    uns fallen und so stürzen wir denn auf ihn zu“, macht dem Leser deutlich, dass
    die Macht über unser Schicksal, über unser Leben und dessen Ende, nur in der
    Hand Gottes (oder einer anderen höheren Macht) liegt.



    Mir haben alle drei Geschichten sehr gut gefallen. Habe
    bereits „Der Besuch der alten Dame“ von Dürrenmatt gelesen, und bin auch von
    dieser Geschichte („tragische Komödie“) sehr überzeugt gewesen.

    "Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Boden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken..." (H. Hesse)