Auf das Buch aufmerksam geworden bin ich durch die inzwischen in den Kinos laufende Verfilmung - gehört habe ich von der Trilogie aber schon früher. Jedenfalls habe ich mir dann das Buch von JuleBule ausgeliehen, um es zu lesen, bevor ich in den Film gehe. Nunja, nach einigem Hin und Her bezüglich der Umsetzung habe ich mich gegen den Film entschieden und nur das Buch gelesen. Gestern bin ich damit fertig geworden und bin restlos begeistert.
Nur ein kurzer Einschub: Auch wenn ein Kind die Hauptrolle spielt, so ist es doch KEIN Kinderbuch! Die ganzen politischen und religiösen Ränkespiele, das eigentliche Problem, das es zu lösen gilt, die Brutalität - ich würde sagen, dass es zum Teil sogar düsterer ist, als Harry Potter!
Das Buch handelt von einem Mädchen namens Lyra und ihrem Leben, das sie in einer Art Universität in Oxford verbringt, bevor sie die Schlüsselfigur einer alten Prophezeiung wird.
Die gesamte beschriebene Welt ist der unseren sehr ähnlich. Einer der Unterschiede: Jeder Mensch hat einen sogenannten Daemon, der so etwas wie die Seele des Menschen repräsentiert. In 99% der Fälle haben die Daemon das entgegengesetzte Geschlecht des jeweiligen Menschen. Die Daemons sehen aus wie Tiere und können, so lange der jeweilige Mensch die Pubertät noch nicht erreicht hat, ihre Form nach Belieben ändern. In der Pubertät entscheiden sie sich für eine ideale Form und sind später nicht mehr in der Lage, diese zu ändern. Man könnte sagen, dass die angenommene Form in gewisser Weise den Charakter des zum Daemon gehörigen Menschen repräsentiert.
Lyra wächst also in diesem College auf, von ihren Eltern weiß sie nur, dass sie angeblich bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Ihr einziger Verwandter ist ihr Onkel, Lord Asriel.
Irgendwann (ziemlich am Anfang des Buches) wird Lyra die eigene Neugierde zum Verhängnis, so dass sie in eine Sache hineingezogen wird, deren Tragweite sie erst später erfahren soll. Beinahe zeitgleich dazu verschwinden zahlreiche Kinder und man erfährt nur, dass es mit dem sogenannten "Dust" zu tun hat.
Kurz nachdem Lyra's Spielgefährte und Küchenjunge Roger und der ihr ebenfalls gut bekannte Zigeunerjunge Billy verschwunden sind, soll Lyra mit einer gewissen Mrs. Coulter gehen, von der sie ganz hingerissen ist und von der man im Vorfeld bereits weiß, dass sie mit den verschwundenen Kindern zu tun hat. Kurz vor ihrer Abreise, erhält Lyra in einem geheimen Treffen mit dem Leiter des Jordan College (so heißt die Universität) einen "Alethiometer" - ein Gerät, das wie ein goldener Kompass aussieht und die Wahrheit sagt. Genauer gesagt beantwortet er Fragen. Bald entpuppt sich die tolle und faszinierende Mrs. Coulter aber als weniger traumhaft und Lyra flieht.
Es folgt eine Reise mit den Zigeunern, die die Kinder befreien wollen. Die Reise führt in den Norden, wo auch (wie Lyra erfährt) ihr Onkel von gepanzerten Bären gefangen gehalten wird. Es beginnt ein politisches und zeitweilen religiöses Ränkespiel.
Unterwegs schließt Lyra Freundschaft mit dem im Exil lebenden Eisbären Iorek Byrnison (mein definitiv liebster Charakter im Buch), mit den Hexen und dem Aeronauten Lee Scoresby, einem Texaner.
Gemeinsam machen sie sich auf, die Kinder aus den Fängen der "Gobblers" zu befreien, wie die Kidnapper im Volksmund heißen. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine Vereinigung, die von der Kirche gegründet wurde, um den "Dust" zu ergründen, weil die Kirche ihn für den Ursprung der eigentlichen Sünde selbst hält. Durch Experimente mit den Kindern und ihren Daemons wollen sie einen Weg gegen den Einfluss des "Dust" finden. Das Problem mit diesen Expermenten ist, dass sie dabei den Daemon von dem dazugehörigen Menschen trennen - mit dem Nebeneffekt, dass die meisten sterben oder stumpfsinnig werden!
Lyra gelingt es, die Kinder zu befreien und selbst ebenfalls zu entkommen. Anschließend will sie Lord Asriel befreien, von dem sie inzwischen weiß, dass er ihr Vater ist. Leider, so hat sie inzwischen ebenfalls erfahren, ist die schreckliche Mrs. Coulter ihre Mutter! Dennoch empfindet sie für die Zigeuner und des Eisbären Iorek mehr Liebe als für ihre leiblichen Eltern.
Wie sich herausstellt, ist das auch nicht verkehrt, denn auch Lord Asriel ist - wie Mrs. Coulter - vollkommen verrückt geworden und besessen vom "Dust". Aber er hat weitreichendere Pläne: Er will an die Quelle des "Dust", um es dort zu vernichten. Dazu versucht er, eine Art Brücke von seiner Welt in eine andere zu bauen. Diese andere Welt ist manchmal in den Nordlichtern in Form einer Stadt zu sehen. Unglücklicherweise braucht man für diese Brücke eine Menge Energie, wie sie frei wird, wenn man einen Menschen (ein Kind) von seinem Daemon trennt. Unglücklicherweise, hat Lyra ihren Freund Roger mitgebracht, den Lord Asriel genau zu diesem Zweck entführt. Lyra ist vollkommen hilflos, denn keiner ihrer Freunde (auch nicht der Eisbär) konnte ihr zu dieser Stelle folgen, so dass sie den Tod ihres Freundes nicht verhindern konnte und ihrem Vater, sowie ihrer inzwishen ebenfalls an die Stelle gekommenen Mutter allein gegenüber steht. Außerdem ist sie erschöpft, endlos traurig ... es ist die wohl dunkelste Stelle im Buch.
Pantalaimon, dem Daemon von Lyra, gelingt es aber, neue Zuvresicht in ihr zu wecken, da sie so langsam anfangen, das große Ganze zu verstehen, um das es die ganze Zeit ging. Da sie den "Dust" für etwas gutes halten, beschließen sie, ihn vor Lord Asriel zu beschützen und gehen selbst in die andere Welt.
Das ist das Ende des Buches und meiner Meinung nach ein sehr gutes. Denn man könnte an dieser Stelle einfach aufhören und die folgenden zwei Bände, die eigentlich noch dazu gehören, vernachlässigen.
Der britische Titel Northern Lights passt eigentlich auch besser, da es ja um die Nordlichter geht, die mit dem "Dust" zu tun haben sollen, in denen die Stadt der anderen Welt zu sehen ist und durch die Lyra mit Pantalaimon und dem goldenen Kompass in die andere Welt geht.
Wie ich schon sagte, ist das Buch sehr emotional - oder zumindest waren es meine Reaktionen. An vielen Stellen ist man so ohnmächtig bzw. Lyra ist es und man kann versthen, warum sie so wütend wird, angesichts der Experimente an Kindern. Zudem werden diese aufgrund solch eines absurden Aberglaubens durchgeführt, dass man vor Wut am liebsten Platzen würde!
Philip Pullman gelingt es also nicht nur, sehr anschaulich zu schreiben, sondern auch mitzureißen, zu begeistern, zum Weinen zu bringen (ja, ich habe geweint, als Roger dann doch noch gestorben ist) und er bringt einen dazu, fieberhaft mitzurätseln.
Bis zu dem Zeitpunkt, als Lyra erfährt, was genau es mit der Angst vor "Dust" auf sich hat, fiebert man nämlich selbst der Auflösung entgegen.
Die wohl beste Idee des Autors sind für mich aber die Daemons! Ich finde die Idee toll, dass jeder Mensch einen tierischen Gefährten hat (Mensch und Tier als eine Einheit, um sich zu ergänzen), der auch noch sprechen kann und dass die Daemons das jeweils andere Geschlecht haben (praktisch auch wieder, um einen zu vervollkommnen).
Und ich LIEBE die Eisbären! Wie habe ich mitgefiebert beim Kampf des zeitweiligen Königs gegen Iorek Byrnison!
Ein weiterer roter Faden im Buch (neben der Haupthandlung), ist die Religion. Die ganze Welt Lyra's ist stark von der Kirche und deren Unterorganisationen beeinflusst und manipuliert. Die Ränkespiele sind zum Teil dermaßen politisch und verworren, dass man zeitweilen gar nicht mitkommt, sondern einen Zusammenhang erst Seiten oder Kapitel später erfährt oder erahnt.
Was genau der Autor damit sagen wollte, kann ich nur erahnen. Jedenfalls ist dieses Buch definitiv eines der größsten Highlights, die ich dieses Jahr hatte und ich kann es nur jedem ans Herz legen!
Ich werde auch die anderen beiden Bände lesen, so viel sthet schonmal fest.