Émile Zola - Nana

  • Originaltitel: Nana


    Inhalt:


    "Nana" ist ein Band aus Zolas Romanzyklus "Die Rougon-Macquart. Die Natur- und Sozialgeschichte einer Familie im Zweiten Kaiserreich".


    Zentrale Figur des Romans ist, wie im Titel zu erkennen, die junge Prostituierte Nana. Wir lernen sie als Schauspielerin in einem Variete kennen. Ihr Aussehen und ihre Aura verzaubern die anwesenden Herren im Publikum - insbesondere gegen Ende des Stückes, in dem sie nackt auf der Bühne posiert. Bald bildet sich ein immer präsenter Kreis adliger Herren um sie.


    Nana genießt die Aufmerksamkeit, die man ihr spendet, fühlt sich von ihr aber auch bedrängt. Doch sie kann sich herausnehmen, was immer sie möchte und steigert ihre Anziehungskraft dadurch sogar noch.


    In einem kurzen und gewalttätigem Intermezzo, während dem sie verliebt mit einem Schauspielerkollegen zusammenlebt, gibt sie jede Macht ab und genießt die Demütigungen, die ihr angetan werden. Doch nachdem die Exzesse immer mehr ausufern und sie sich zunehmend langweilt, schlägt ihr Lebenswille durch und sie beginnt erneut mit ihrem "Geschäft". Das Resultat ist noch erfolgreicher als vorher und bald liegt ihr der Pariser Adel zu Füßen und ruiniert sich fröhlich für sie. Die Auflistung ihrer Verschwendungssucht muss jeden Leser erschrecken und erstaunen. Das Ausmaß ihrer Naivität und Skrupellosigkeit wird gerade zum Ende des Romans deutlich.


    Meine Meinung:


    Dieses Buch steckt voller Gesellschaftskritik an der unmoralischen Gesellschaft des 2. Kaiserreichs unter Napoleon III. Gerade nach der Lektüre von Wolfram Fleischhauers "Die Frau mit den Regenhänden" wird der Kontrast zwischen der armen Bevölkerung Frankreichs und der wenigen Priviligierten sehr deutlich. Dass beide Romane im Jahr der Pariser Weltausstellung beginnen, war der Grund sie direkt nacheinander zu lesen.


    Die Figuren sind sehr lebendig. Zola porträtiert sehr präzise, wie sich auch die besten unter den Gegebenheiten der Zeit korrumpieren lassen. Wer wahre Gefühle zeigt, macht sich lächerlich und unmöglich. Keine Figur ist besonders sympathisch, was ja auch im Sinne der Erzählung ist. Jeder kämpft für sich allein, Intrigen beherrschen das Leben.


    Wie erging es mir bei der Lektüre?
    Ich benötigte häufiger Pausen als sonst, um alles verarbeiten zu können. Zola erzählt sehr detailliert und erweckt so seine Handlung zum Leben. Manchmal entsteht der Eindruck, selbst im Theater oder einem der vielen Dinner anwesend zu sein. Besonders beeindruckend fand ich die Szene beim Pferderennen.
    Die Handlung vollzieht sich trotz aller Detailliebe rasant. Der Ton ist weitestgehend so oberflächlich wie die Gespräche, die geführt werden, dann wieder sachlich und neutral. Dieser Wechsel lässt die Stimmungen ebenfalls flexibel werden.
    Mitunter musste ich mich zwischen den Kapiteln erstmal von den Egoisten erholen, aber letztendlich wollte ich doch wissen, was noch kommen mochte.


    Nana wird nicht mein Lieblingsbuch, aber es hat mich sehr beeindruckt. Andere Romane des Autoren stehen schon auf meiner Wunschliste.


    So stellte sich übrigens Edourd Manet "Nana" vor ;) :
    http://www.abcgallery.com/M/manet/manet34.html

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Hallo Fezzig,
    vielen Dank für die Rezi ... "Nana" subt schon sehr lange bei mir und wird nun wesentlich weiter nach vorn rutschen ;o) ... :-,

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Emile Zola: in meinen Augen einer der größten Schriftsteller des 19ten Jahrhunderts!


    Emile Zola hat mit Nana ein wahres Meisterwerk geschaffen. Nana, mit einem Wort von Zola als die Sexbombe schlechthin beschrieben, spielt mit den Männerherzen des französischen Pariser Adels, lässt sich aushalten und gibt ihnen nur stundenweise, das was sich ein Mann von ihr am meisten gewünscht hat; nämlich Sex. Wobei hier Zola die erotischen Szenen nicht beschreibt, man muss zwischen den Zeilen lesen, wie es knistert. Nana, eine völlig unbegabte Schauspielerin überzeugt in einem Theaterstück (Debütaufführung) allein nur mit ihrem Sex-Appeal. Den Zuschauern ist egal, wie sie spielt (denn sie spielt qualitativ schlecht), es passt in die Rolle und sie hatte wie gesagt eben eine Menge Sex-Appeal. Mit diesem Stück wurde sie sogar noch berühmt in ganz Paris. Nanas Untergang: das Nachfolgetheaterstück, bei dem es nicht auf Sex-Appeal, sondern künstlerische Fähigkeiten und hervorzuhebendes Schauspielereikönnen ankam, was sie jedoch nicht hatte. Und sie übertreibt es mit der Ausbeutung der Männerherzen. Mit einem entscheidenden Fehler (... sie geht mit dem Vater des Mannes, der sie aushält ins Bett...) verlässt sie nun auch der adelige Mann, der ihr so manch Fehltritt (... er wusste, dass sie fremd ging...) verziehen hatte. Aber die Sache mit seinem Vater hat ihm dann doch noch den Rest gegeben, so dass er sich von ihr am Schluss abgewandt hatte, weil er das nicht mehr ertragen konnte.


    Nana, ein wunderbares Werk von Zola. Und trotzdem frage ich mich an dieser Stelle, wieso er nicht auf die erotischen Szenen eingegangen ist? Es wäre in Nana nahezu perfekt gewesen. Ich hätte es nicht verpönt, schließlich schreibe ich ja auch darüber, aber wieso hat es Zola nicht getan? Comte de Mirabeau und Marquis de Sade haben es doch auch getan, und sogar noch viel früher, wenn man in die Vergangenheit zurückgeht. Aber ich denke, ich weiß, wieso er in seinem Roman die Erotik gänzlich weggelassen hat. Er wollte wohl als "seriöser Schriftsteller" glänzen. An dieser Stelle muss ich sagen, dass ich es schade finde, dass sogar in unserer heutigen Zeit Schriftsteller, die erotische Romane schreiben, von der Gesellschaft nicht als seriös bezeichnet werden. Wir brauchen uns an dieser Stelle ja nur beispielsweise die Bestseller-Liste von Amazon anschauen und diese mit der Spiegel-Bestseller-Liste vergleichen. Wahrscheinlich hätte Zola ebenfalls - so wie auch die anderen Schriftsteller erotischer Romane - einen Pseudonym Namen verwendet, um Nana als erotischen Roman zu veröffentlichen, hätte er soweit gehen wollen. Ich finde es außerdem schade, dass sich die vielen guten Schriftsteller hinter einem Pseudonym gerade aus diesem Grund verstecken müssen. Also ich stehe dazu, was ich schreibe und ich schäme mich nicht für eine einzige erotische Zeile in meinen Romanen. Daher verstecke ich mich auch nicht hinter einem Pseudonym.


    Zola hat mit Nana ein Meisterwerk geschaffen und es wäre noch viel pompöser geworden, hätte er die Erotik mit einfließen lassen. Sie hätte hier vorzüglich gepasst. Was ich bis heute noch nicht verstehen kann, jeder tut es (sagt er zumindest), jeder will es sehen (man sieht es in Filmen. Cold Mountain ist nur ein Beispiel von vielen), jeder will es auch lesen und trotzdem spricht man nicht geradeheraus in der Öffentlichkeit darüber und tut dies alles unter dem Deckmäntelchen "ich doch nicht" verstecken, da es nicht als seriös angesehen wird. Sollte man hier nicht sogar von einer heuchlerischen Gesellschaft sprechen? Hier sollte mal jeder selbst darüber nachdenken, aus welchem Grund ein seriöser Schriftsteller nicht über Sex schreiben sollte. Also mir fällt kein Grund ein.


    Aber um auf Zola zurückzukommen. Ich finde diesen französischen Klassiker Weltklasse und ich kann ihn jedem nur weiterempfehlen: Lasst euch von Nana, Zolas gelungenen Sexbombe überzeugen. Es lohnt sich! Und wer es nicht glaubt, sollte sich dieses wunderbare Werk gleich bestellen. Kein Cent ist hier umsonst ausgegeben.


    P. S.: Und es stellt sich hier die Frage, ob nicht sogar Shakespeares "Sommernachtstraum" mit einer gewürzten Portion Erotik noch weitaus besser geworden wäre, als er es eh schon geworden ist. Ich bin überzeugt davon, dass es möglich gewesen wäre.


    Darja Behnsch


    P. S.: :cheers: :winken:

  • Erotik als spürbares Knistern, das man zwischen den Zeilen entdeckt, finde ich spannender und anregender als detailreiche Beschreibungen.


    @ BillyWarhol, es kommt mir vor, als würde es Dir in Deinem Beitrag weniger um eine Auseinandersetzung mit Zola gehen als um Dein Selbstverständnis als Autorin.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie


    Ich kann dich beruhigen. Ich habe Nana mindestens schon zehnmal gelesen, weil ich dieses Buch liebe. Und ich versichere dir, dass ich mich in meiner Rezension ausschließlich mit Zola beschäftigt habe, den ich für einen großartigen Schriftsteller seiner Zeit halte. Falls du das anders siehst, dann akzeptiere ich deine Meinung. Ich kann dir ja nur die aus meiner Sicht schildern. Was du am Ende darüber denkst, kannst allein nur du entscheiden. Aber das ist auch gut so, denn wir sind ja alle freidenkende Menschen. Wäre ja schlimm, wenn wir nur eine Meinung auf dieser großen Welt vertreten würden. Das wäre aus meiner Sicht "zu wenig". Aber das ist wiederum nur meine Meinung und ich überlasse es jedem selbst, wie er es sieht. Das ist ja das Schöne daran...


    Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und einen schönen Abend.


    Bonne soirée.


    Darja Behnsch


    P. S.: :winken: :cheers: :bounce:

  • Ich habe dieses Buch ebenfalls mehr als einmal gelesen und danach alle weiteren mir bekannten Werke von Zola. Unbedingt lesen!

  • Fezzig
    Ich danke dir erstmal für eine sehr ansprechende Rezi. Besonders das beigefügte Bild fand ich interessant. :wink:
    Es sind schon sehr viele Jahre vergangen als ich "Nana" gelesen habe. Mir hat es sehr gut gefallen, wie eigentlich,
    alle Werke von Zola. Ehrlich gesagt, epfand ich nicht, dass es an Erotik in diesem Roman fehlte. Die Andeutungen,
    das Knistern fand ich schon ausreichend erotisch. Das machte die Hauptfigur noch interessanter.
    Ein schönes Buch, habe ich sehr gerne gelesen.
    Liebe Grüße :winken:

    2024: Bücher: 100/Seiten: 43 976

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Adrian, Lara - Hüterin der Ewigkeit

  • Ich habe unglaublich lange für dieses Werk gebraucht. Insgesamt circa einen Monat. (Ich habe aber andere Bücher parallel gelesen.)


    Ich fand es nicht so großartig wie ihr. Die Erzählweise empfand ich als äußerst anstrengend (das wird sicher der Hauptgrund sein, warum sich die Lektüre so lange hingezogen hat). Außerdem fand ich, dass es Passagen gab, in denen viel zu lange ein einzelner Dinner-Abend beschrieben wurde. Andere Stellen, die mich interessiert hätten, wurden meiner Meinung nach viel zu leichtfertig abgetan. Ich fand das unausgewogen. Gewünscht hätte ich mir zum Beispiel mehr über das Kind Nanas zu erfahren.
    Außerdem waren mir so ziemlich alle Figuren des Romans unsympatisch, was sicherlich Teil der beabsichtigten Gesellschaftskritik Zolas sein sollte. Mir persönlich fällt es aber schwer ein Buch zu mögen, wenn ich keinen Identifikationsspielraum habe.
    Was noch hinzukommt ist, dass ich vor kurz vor "Nana" "Tante Lisbeth" von Balzac gelesen habe. Ich finde, die Thematiken überschneiden sich doch recht stark und das Ende eint die beiden Romane.


    Fazit: Auch, wenn mir der Roman nicht allzu gut gefiel, bin ich mir seiner gesellschaftlichen Relevanz bewusst.

    Ich :study:
    J.M.Coetzee - Das Leben der Tiere
    Erzählungen von Franz Kafka
    Gedichte von Allen Ginsberg und Cummings

  • Kaum zu fassen, ein Buch von Zola, zu dem es schon einen Thread gibt. :wink:


    Ich habe "Nana" vor etwa sieben Jahren schon mal gelesen und schon damals hat mich der Schreibstil von Zola fasziniert. Diese unglaubliche Detailfreudigkeit, mit der Seitenweise irgendwelche Soupers beschrieben werden - super. :thumleft:


    Nachdem ich mir ja vor einiger Zeit vorgenommen hatte, alle Bücher aus dem Rougon-Macquarts-Zyklus zu lesen, habe ich es nun zum zweiten Mal gelesen.


    Ich finde es einfach großartig, das ein einzelner Schriftsteller so unterschiedliche Bereiche so lebensnah beschreiben kann. Wenn ich bei "Germinal" das Gefühl hatte, in einer Kohlengrube zu liegen, dann hatte ich hier nun das Gefühl, inmitten eines Varieté zu stehen und den Schauspielerinnen bei der Arbeit zuzuschauen.


    Nana hat sich von einer Straßendirne zu einer Schauspielerin hochgearbeitet. Sie hat kein bisschen Talent, kann nicht singen. Aber mit ihrer Ausstrahlung begeistert sie die Männer. Auch reiche Männer, adlige, alle sind von ihrer Art hingerissen.
    Und Nana nimmt die Männer aus, wirft das Geld mit vollen Händen zum Fenster raus, ruiniert ganze Familien. In dem Buch wird sie mit einer Schmeißfliege verglichen, die herumfliegt, sich überall mal niederlässt und dabei alles mit ihren Schmutz infiziert. Ein sehr passender Vergleich, wie ich finde. :wink:

  • @BillyWarhol15


    Zitat

    "Und trotzdem frage ich mich an dieser Stelle, wieso er nicht auf die
    erotischen Szenen eingegangen ist?

    meines erachtens, wurde sehr deutlich und viel auf diese szenen eingegangen! (wird man ja ganz kripplig :D )
    "Mehr" hätte dieses werk wohl zu nichte gemacht!