Khaled Hosseini - Drachenläufer / The Kite Runner

  • vielleicht bin ich selbst ein Proll ohne Gespür für Literatur? :-k


    Ist das edle Selbsterkenntnis oder willst Du nur Widerspruch provozieren? :loool:


    Ich kenne von Hosseini nur den "Drachenläufer" und würde nicht soweit gehen, ihn ganz und gar als Kitschroman abzutun, aber - wie ich auch in meinem damaligen Beitrag zu dem Buch geschrieben habe - gab es vor allem im dritten Teil für meinen Geschmack schon einige kitschige Szenen. Mir ist das Buch generell auch zu tendenziös in dem von Hypocritia beschriebenen Sinne, basiert zu sehr auf der simplen Schwarz-Weiß-Optik der Bush-Ära. Wenn man nur an die Darstellung des Taliban denkt...
    Was als Kitsch empfunden wird, ist von Leser zu Leser sicher sehr unterschiedlich. Ich glaube, mit einer gewissen Portion Kitsch in einem ansonsten guten Roman kann man leben, kommt nur darauf an, welche Art von Kitsch und wie viel davon er enthält.


    Die Kommentare von Denis Scheck sind köstlich amüsant, wenn er ein Buch verreißt, aber ich kann mich ihnen inhaltlich nicht immer anschließen -


    Ich auch nicht, wobei ich festgestellt habe, dass ich mit seinen negativen Urteilen häufiger übereinstimme als mit seinen positiven. :-,


    Gruß
    mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer

















  • Ich auch nicht, wobei ich festgestellt habe, dass ich mit seinen negativen Urteilen häufiger übereinstimme als mit seinen positiven. :-,

    Geht mir genauso, letztendlich ist das Empfinden bezüglich eines Buches immer eine subjektive Sache, also müssen wir uns keine Sorgen machen bezüglich unserer Meinungen. Ich mag an D. Scheck sehr, wie betont unterhaltend er seine prägnanten Urteile formuliert. Wenn seine Sendung Unterhaltungswert hat, dann wird sie auch gesehen und einige der Buchtitel bleiben dann auch im Hirn von weniger bibliophilen Zuschauern hängen, und vielleicht entscheidet sich der eine oder andere mal zu einem Kauf und möglicherweise sogar zur Lektüre des gekauften Buches :wink: .
    Dagegen hatte ich mehr meine Probleme mit der Selbsteinschätzung von MRR, der anscheinend immer davon überzeugt war, dass die Menschen seine Sendung wegen seiner "unfehlbaren literarischen Einschätzungen" gesehen haben. Dass möglicherweise ein Teil seines Publikums die Sendung deshalb gesehen hat, weil er oft so einen herrlich militanten Kritikerclown gemimt hat (naja, vielleicht nicht absichtlich gemimt) - war er sich dessen eigentlich bewusst oder nicht, wieviel Unterhaltungswert seine Sendung dadurch bekam? :-k

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ich mag an D. Scheck sehr, wie betont unterhaltend er seine prägnanten Urteile formuliert.

    Das ist wirklich gelungen! :thumleft: Kommt es mir nur so vor, oder kommen Sachbücher bei ihm tendenziell eher besser weg als Romane?


    Dagegen hatte ich mehr meine Probleme mit der Selbsteinschätzung von MRR, der anscheinend immer davon überzeugt war, dass die Menschen seine Sendung wegen seiner "unfehlbaren literarischen Einschätzungen" gesehen haben.

    Dem schließe ich mich an.

    Ist das edle Selbsterkenntnis oder willst Du nur Widerspruch provozieren? :loool:

    Eher Ersteres. :mrgreen: Es kommt tatsächlich oft vor, dass ich "allgemein" hoch gelobte Bücher nicht wirklich fesselnd finde. Zumindest für deutsche Literatur scheine ich nicht so das Händchen zu haben.
    Dennoch sind die Bücher, die ich gern lese, nicht selten anspruchsvoll. (Zwei meiner diesjährigen Jahres-Highlights, die Cromwell-Romane von Hilary Mantel, darf man durchaus als anspruchsvolle Literatur bezeichnen. :P )

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Berührendes Bild einer unglückseligen Freundschaft


    Der Drachenläufer ist eindeutig das beste Buch, das ich dieses Jahr gelesen habe. Diese Geschichte von Khaled Hosseini hat mich fast noch mehr berührt als sein Roman „Tausend strahlende Sonnen“, den ich auch schon herausragend fand.
    Erzählt wird die Geschichte von Afghane Amir und seinem Freund Hassan, einem Hazara. Man hat das Gefühl, auf einem afghanischen Mark zu sitzen und einem Geschichtenerzähler zu lauschen, wenn Hosseini erzählt. Er versteht es, seine Heimat so zu beschreiben, dass man fast meint, mit ihm durch die Gassen zu gehen. Die Kultur der Afghanen, ihr Selbstverständnis und das Verhältnis zu den Hazara werden einfühlsam und nachvollziehbar geschildert. Das Thema Gewalt wird anrührend behandelt. Sehr viel Spaß hat es mir gemacht, die Fragen aus dem Anhang für Lesekreise am Ende des Buchs für mich zu beantworten. Die Geschichte wird sicherlich noch lange in mir nachhallen.
    Es gab zwischenzeitlich eine kleinere Passage, bei der ich das Gefühl hatte, dass sie zu kurz angerissen und ein wenig distanziert erzählt wurde (betreffend die ersten Ehejahre zwischen Amir und dessen Frau), aber in seiner Gesamtheit ist das Buch einfach nur genial. Und das, obwohl Amir ein Protagonist ist, der wohl – mit Ausnahme des Antagonisten – einer der am wenigsten sympathische Charakter des ganzen Buchs ist. Aber er macht erstens eine positive Entwicklung durch und zweitens – wichtiger – macht ihn gerade das zu einem interessanten Charakter mit seelischen Abgründen, dessen Schicksal nahe geht. Ich denke auch, dass die Geschichte aus Sicht Hassans viel zu glatt gewesen wäre, der sich als Sympathieträger wunderbar eignet, aber keinen ganzen Roman tragen würde. Dennoch hat mich sein Schicksal mehrfach zu Tränen gerührt.
    Auch den Schluss fand ich passend, so dass ich insgesamt klare :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne für dieses wunderbare Buch vergebe.

    Stell dir vor, es gibt nur einen Menschen, dem du vertraust. Der dich so sehen darf, wie du bist. Er ist deine Familie.
    Und plötzlich verliebst du dich in ihn.
    Wenn du es nicht wert bist, dass er dich liebt, wirst du alles verlieren.
    Was wirst du tun?

    Taranee: Zeiten des Zweifels

  • "Für dich - tausendmal."
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    Handlung:


    Wenn mich jemand fragen würde: »Worum geht es in diesem Buch?«, dann würde ich sagen: Es ist eine wunderbare Geschichte von der bedingungslosen Freundschaft und Loyalität zwischen Amir und Hassan, zwei kleinen Jungen, die 1975 in Afghanistan leben. Amir ist ein Paschtun aus reichem Hause, Hassan ist Sohn eines Dieners und gehört den Hazara an, einer diskriminierten Minderheit.


    Es ist aber auch eine Geschichte von großer Tragik, denn Amir verrät diese Freundschaft und verleugnet dann noch seine eigene Schuld, die ihn aber gerade deswegen die nächsten Jahrzehnte verfolgen und bis ins Mark erschüttern wird.


    Nicht zuletzt ist "Drachenläufer" ein Drama vom Krieg, der sich wie ein Krebsgeschwür ins Land frisst und Lebensfreude und Menschlichkeit seiner Bewohner vergiftet.


    Meine Meinung:


    ACHTUNG: Triggerwarnung! Das Buch thematisiert unter anderem körperliche und sexuelle Gewalt, auch gegenüber Kindern.


    Beim Lesen habe ich mich oft gefragt: Was weißt du eigentlich über Afghanistan, das über die endlosen Schlagzeilen von Krieg, Krieg und wieder Krieg hinausgeht? Was weißt du über die Menschen, die Kultur, das Lebensgefühl? Bestürzt wurde mir klar, dass mir tatsächlich als erstes Wörter wie "Luftangriff", "Terrormiliz" und "Taliban" durch den Kopf gehen.


    Zwar spielt auch in "Drachenläufer" der Krieg immer wieder eine zentrale Rolle, aber hier sieht man den Krieg nicht als Schlagzeile, sondern als menschliches Schicksal. Man kann nicht einfach geflissentlich-traurig den Kopf schütteln und das Ende der Nachrichten abwarten oder die nächste Seite der Zeitung aufschlagen. Hosseini lädt den Leser ein, mitzufühlen, auch wenn es manchmal wehtut. Obwohl alle Charaktere frei erfunden sind, bleibt einem doch immer im Hinterkopf, dass es Menschen wie sie in der Realität zu Hunderten und Tausenden gibt.


    Dass das Buch einem auch Einblicke gewährt in die Pracht und den Zauber eines Afghanistans, wie es einst war und vielleicht nie wieder sein kann, macht den Niedergang des Landes umso bitterer und verstörender. Es gibt viel Schmerz und keine einfachen Lösungen. Ich habe mehr als einmal Tränen vergossen, und dennoch bereue ich nicht, "Drachenläufer" gelesen zu haben.


    Es liest sich mal beinahe wie ein orientalisches Märchen, dann bietet es wieder eine erbarmungslos realistische Sicht auf das wahre Leben von Menschen, die im Krieg leben oder vom Krieg entwurzelt wurden. Originell fand ich die Geschichte so oder so, und sie entfaltete auf mich eine ungeheure Sogwirkung, Ich musste einfach wissen, ob es Amir gelingen wird, seine Schuld wiedergutzumachen, und so klappte ich das Buch dann auch erst in den frühen Morgenstunden zu...


    Die Charaktere fand ich großartig, aber auch die "Guten" machen es einem nicht immer einfach. Viele davon laden Schuld auf sich, dafür zeigen aber auch einige eine Selbstlosigkeit und einen Mut, der vielleicht nur in Zeiten größter Not erwacht. Die "Bösen" dagegen zeigen eindringlich, dass der Krieg auch das Schlechteste aus einem Menschen hervorholen kann.


    Amir erscheint zunächst sehr selbstsüchtig. Er wird zwar von Schuld über seinen Verrat zerfressen, kann aber damit nicht umgehen, lässt ausgerechnet Hassan dafür büßen - und begeht damit einen vielleicht noch größeren Verrat. Am Anfang empfand ich daher sogar ein wenig Widerwillen dagegen, eine Geschichte zu lesen, die sich hauptsächlich um Amir dreht! Aber man muss ihm zugestehen, dass er als Kind in eine Situation geriet, mit der er grundlegend überfordert war, und er macht im Laufe des Buches auch noch eine große Entwicklung durch.


    Der Schreibstil verzichtet auf Pathos und erzählt zwar detailliert und lebendig, dabei aber auch einfach und direkt. Hosseini lässt dem Leser viel Freiraum für eigene Gedanken und Kopfkino!


    Fazit:
    "Drachenläufer" hat mich zum Lachen und zum Weinen gebracht, und ganz nebenher hat habe ich auch viel über das Leben der Menschen in Afghanistan gelernt. Gerade jetzt, wo Flüchtlingen so viel Unverständnis oder sogar Hass entgegenschlägt, ist dieses Buch aus dem Jahr 2004 wieder aktuell, denn mehrere der Charaktere werden vom Krieg aus ihrer Heimat vertrieben - und die, die bleiben, sind bei weitem nicht alle einverstanden mit den Methoden der Taliban.

  • Über die Illustratoren

    FABIO CELONI, 1971 in Mailand geboren, arbeitet seit 1999 als freier Comiczeichner und Illustrator für Zeitschriften und Bücher von Walt Disney Italien. Seit 2000 ist er Autor und Illustrator der Dylan-Dog-Comicserie bei Sergio Bonelli Editore.


    MIRKA ANDOLFO, 1989 in Neapel geboren, arbeitet als Illustratorin für verschiedene italienische Comicmagazine und Kinderbuchverlage. Vor allem ist sie bekannt für die Geronimo Stilton-Illustrationen.


    Verlagstext zur Romanausgabe:

    Afghanistan 1975: In Kabul wächst der zwölfjährige Amir auf, der mit Hilfe seines Freundes Hassan unbedingt einen Wettbewerb im Drachensteigen gewinnen will. Hassans Vater ist der Diener von Amirs Vater, doch trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft verbindet die beiden Jungen eine innige Freundschaft. Am Ende des erfolgreichen Wettkampfs wird diese Freundschaft von Amir auf schreckliche Weise verraten. Diese Tat verändert das Leben beider dramatisch, ihre Wege trennen sich. Viele Jahre später kehrt der erwachsene Amir aus dem Ausland in seine Heimatstadt Kabul zurück, um seine Schuld zu tilgen. Der Leser wird Zeuge der dramatischen Schicksale der beiden Jungen, ihrer Väter und Freunde, und erlebt ihre Liebe und ihre Lügen, ihre Trennung und Wiedergutmachung.


    Zum Inhalt

    Die Graphic Novel Version von Hosseinis Welterfolg Drachenläufer erzählt in ausdrucksstarken Bildern die inzwischen bekannte Geschichte von Verrat, Schuld und Versöhnung mit der Vergangenheit. Als der Exil-Afghane Amir in San Francicso einen Anruf aus seiner Heimat erhält, ziehen nach langer Zeit seine Kindheit in Kabul und seine Freundschaft zu Hassan in Gedanken an ihm vorbei. Aus kindlicher Angst und um seinen Vater nicht zu enttäuschen, hatte Amir Hassan verraten und ihn danach nie wieder gesehen. Nach dem Einmarsch der Russen in Afghanistan waren Amir und sein Vater über Pakistan in die USA geflüchtet. Nun erhält Amir, dessen Ehe kinderlos geblieben ist, die Chance, an Hassans Sohn Suhrab wiedergutzumachen, was ihn sein Leben lang belastete.


    Fazit

    Graphic Novels werden von vielen Verlagen für die Zielgruppe Jugendlicher veröffentlicht. Drachenläufer ist ein Stoff für Erwachsene, für dessen Umsetzung als Graphic Novel der Verlag keine Altersempfehlung gibt. Die drastische Gewaltszene, die Amir und Hassan als Kinder erleiden, wird in der Graphic Novel nicht beschönigt und nimmt insgesamt fünf Seiten ein. Die Kolorierung der Geschichte finde ich für ein karges, trockenes Land wie Afghanistan unrealistisch bunt. Die Jungen tragen in den Szenen, die in den 70ern in Kabul spielen, auffällig moderne Kleidung. Passen sich die Illustratoren damit den Sehgewohnheiten westlicher Leser an oder wollen sie Afghanistan vor dem Einmarsch der Russen mit diesem Mittel als modernen Staat darstellen? Zu den ausdrucksstärksten Bildern des Bandes zählen Passagen, die ganz ohne Text gehalten sind. Die Kürzung der Handlung um Amirs kinderlose Ehe bekommt der Geschichte m. A. nach sehr gut. Celoni und Andolfo arbeiten stark mit Gesichtern - edle Profile, zerknitterte Turbanträger, die viel älter aussehen als sie im realen Leben sein werden, und das beinahe weiblich wirkende Gesicht Suhrabs. Die Mimik der einzigen Frauengestalt in dieser Männerwelt, der erwachsenen Soraya, ist leider völlig misslungen. (Seite 129)


    Mit Einschränkung auch für Jugendliche ab 14 empfohlen.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow