Khaled Hosseini - Drachenläufer / The Kite Runner

  • Genau das habe ich mir auch gedacht :)

    Um zu verstehen, warum manche überall ihren Senf dazugeben, musst Du lernen, wie eine Bratwurst zu denken.

  • Mir hat das Buch nicht besonders gefallen. Es lässt sich flüssig lesen, aber die literarische Konstruktion scheint sehr aufdringlich durch und ist stark auf den amerikanischen Geschmack zugeschnitten. Es geht um eine moralische Geschichte mit den bei Amerikanern so beliebten Themen wie Schuld, Wiedergutmachung und ausgleichende Gerechtigkeit. Alles ist hier Fügung, die Geschehnisse sind bedeutungsvoll aufeinander abgestimmt und am Schluss greifen Anfang und Ende wieder schön säuberlich ineinander. Bis auf den Protagonisten und allenfalls noch seinen Vater sind alle Figuren entweder schwarz-weiß gezeichnet (der edelmütige Hassan, der fiese Assef) oder haben so gut wie gar kein Profil. Mich stört enorm, dass es mal wieder nicht ohne ein bestimmtes Thema abgeht:


    Auch die Figur des Assef finde ich problematisch:


    Den ersten Teil, der Amirs problematische Beziehung zu seinem Vater, seine ambivalente Freundschaft zu Hassan und seine inneren Konflikte schildert, fand ich noch am besten, danach flacht das Buch ab. Die Zeit in Amerika ist eigentlich nur ein Zwischenspiel, die Rückkehr nach Afghanistan zielt zu stark auf die dramatische Wirkung ab und ist mir zum Teil zu kitschig. Über das Land selbst – ein Vielvölkerstaat mit einer charakteristischen Stammeskultur - erfährt man meiner Meinung nach nicht allzu viel. Das friedliche Afghanistan des ersten Teils wird aus Sicht eines Protagonisten geschildert, der wie sein Autor zur privilegierten Klasse gehört und von den Lebensbedingungen der ärmeren Bevölkerungsschichten nichts weiß. Und auch der dritte Teil liefert kein differenziertes, individuelles Bild. Im Grunde wird nur das beschrieben, was man ohnehin schon aus dem Fernsehen kannte: Taliban, die mit einer Kalaschnikow auf dem Schoß im Auto durch die Stadt rollen, von Kopf bis Fuß vermummte Frauen, ein völlig zerstörtes Land, Hinrichtungen in Fußballstadien. Mir scheint, dass Afghanistan in diesem Roman eher den Stimmungshintergrund für eine melodramatische Geschichte abgeben soll. Ich vergebe wohlwollende :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne.


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer

    :musik:Jussi Adler-Olsen - Verachtung
















  • mofre


    Auszug aus folgender Webseite, welche auch weiterführende Informationen liefert wie und ob denn die Gesetzgebung auch eingehalten wird.
    Afghanistan: Homosexualität



    Auszug aus dem Bericht des UNHRC

    Zitat

    Auch wurde sexueller Missbrauch von Knaben
    insbesondere unter Paschtunen zumindest in der Vergangenheit als traditionelle Praktik
    akzeptiert.2


    UNHRC


    Man muss sich tatsächlich selber seine Informationen zusammensuchen, wenn man Näheres wissen will.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

    Einmal editiert, zuletzt von serjena ()

  • Man muss sich tatsächlich selber seine Informationen zusammensuchen, wenn man Näheres wissen will.


    Oder man muss jemanden wie Dich im Forum haben, der das für einen übernimmt. Herzlichen Dank, serjena, für Deine Informationen!

    Zitat
    Auch wurde sexueller Missbrauch von Knaben
    insbesondere unter Paschtunen zumindest in der Vergangenheit als traditionelle Praktik
    akzeptiert.2



    Gruß mofre

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  • Khaled Hosseini ist einfach ein toller Erzähler, mich hat die Geschichte der ungleichen Freunde Amir und Hassan bereits nach den ersten Seiten in den Bann gezogen. Vor allem ihre Kindheit im Afghanistan der 70er Jahre, mit ihren Spielen, den unzähligen Gerüchen und den Traditionen beschreibt er unheimlich intensiv und lebendig. Von den drei Teilen hat mir dieser am Besten gefallen.


    Die problematische Lebensgeschichte der Familien mit ihren Freundschaften und Konflikten, übt vor dem Hintergrund Afghanistans noch mal eine besondere Faszination aus.

    Und irgendwie dachte ich immer: Hm, Afghanistan, ob ich mit dem Buch wirklich was anfangen kann?

    Genau so gings mir auch, das Thema Afghanistan hat mich in der Literatur bisher nicht besonders interessiert und ich hätte es ohne Empfehlung auch nicht gelesen. Jetzt bin ich froh darum, abseits von Krieg und Taliban mehr über das Land und die Lebensgewohnheiten der Menschen erfahren zu haben, zum Beispiel was die Tradition des Drachenwettkampfs angeht.


    Ich-Erzähler Amir ist kein klassischer Sympathieträger, mit Gefühlen wie Neid und Schadenfreude wirkt er aber ehrlich und echt. Vor allem im ersten Teil nimmt sich der Autor viel Zeit für seine Figuren, sie wirken menschlich und fehlbar, jeder erzählt eine eigene Geschichte. Die Rolle des Bösewicht passt nicht in dieses Konzept, sie wirkt etwas zu oberflächlich und einseitig.


    Neben einigen Vorhersehbarkeiten ist das für mich aber der einzige Kritikpunkt. Da ich die Geschichte nicht nur gelesen, sondern durch die fantastische Erzählweise des Autors richtig mitgelebt habe vergebe ich :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    Mein Tipp: Ich habe damals, als ich den "Drachenläufer " gelesen habe, parallel dazu oder direkt danach(?) Roger Willemsens "Afghanische Reise" gelesen.
    Er hat nur wenige Monate nachdem in Afghanistan eine über 25-jährige Kriegsgeschichte zu Ende ging mit einer afghanischen Freundin ihre Heimat bereist, viele Abenteuer bestanden, Menschen kennengelernt und sogar Taliban-Funktionäre interviewt. Dieser Mann geht ja sehr offen, neugierig und einfühlsam auf alles zu. Es hat meine Neugierde auf Afghanistan verstärkt und sehr schön zum "Drachenläufer" gepasst.

    Das klingt ja wirklich sehr spannend, danke für den Tipp. Ganz weit oben auf meiner Wunschliste steht jedenfalls "Tausend strahlende Sonnen"

  • Ich war sehr gespannt auf dieses vielgelobte Buch. Enttäuscht hat es mich nicht, wie man an der Tatsache sehen kann, dass ich es vorgestern angefangen und gestern bereits ausgelesen habe. :wink:


    Die Geschichte war gut und berührend erzählt und Afghanistan als Handlungsort war wirklich mal eine schöne Abwechslung, das Buch hat mir diese fremde Kultur um einiges näher gebracht.


    Was mir allerdings, aus rein subjektiver Sicht eben, nicht so gut gefallen hat:



    Alles in allem war es für mich also kein totaler Knaller und künftiges Lieblingsbuch, aber doch sehr angenehme und gut gemachte Unterhaltung.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich bin auch einfach absolut begeistert von diesem Buch!!! Ich find es ist einfach mal eine Abwechslung zu dem typischen Roman, sowohl von der Handlung als auch von der sprachlichen Umsetzung. Da ich das Buch im englischen Original gelesen hab, kann ich natürlich nichts zur Übersetzung sagn. Fands auch mal interessant, mal was über das Land und die Geschichte von Afghanistan zu erfahren, man hört ja so oft in den Nachrichten davon, aber trotzdem setzt man sich eigentlich zu wenig mit diesen "Nachrichtenthemen" auseinander (ich zumindest :uups: ).
    Den zweiten Roman "Tausend strahlende Sonnen" fand ich mindestens genauso gut, wenn nicht sogar noch besser (hier wird die Rolle der Frauen im Islam/in Afghanistan explizit dargestellt).
    Ich freu mich schon echt mehr von diesem grandiosen Autor zu lesen!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: von mir!

  • war glaube eines der krassesten bücher, die ich jemals gelesen hab. auch, weil einem die tatsache ständig vor augen schwebt, wie realistisch es auch heute noch ist.
    ich fand die charaktere sehr faszinierend angelegt, die sprache toll und die geschichte an sich genauso verstörend wie berührend.
    ist mMn ein beeindruckendes stück literatur.

    merveille.


    It was that kind of a crazy afternoon, terrifically cold, and no sun out or anything,
    and you felt like you were disappearing every time you crossed a road.


    Catcher in the Rye. ♥

  • Mit dem Hörbuch musste ich erst warm werden. Der Anfang war für mich ziemlich zäh und ich dachte schon, hm, ein Fehlkauf. Weit gefehlt, das (Hör-)Buch wurde mit jedem Kapitel besser und steigerte sich bis zum Ende, so dass ich :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne vergebe. Eine wundervolle Geschichte über zwei Jungen, die unterschiedlicher nicht sein können, die in einem Land aufwachsen, das seit den 70ern keinen Frieden mehr kennt. Amir verlässt das Land und geht nach Amerika, Hassan bleibt zurück und begegnet der wahnsinnigen Gewalt der Taliban und der Rache eines früheren Feindes. Kann Amir am Ende den Sohn seines ehemaligen Freundes retten? Wundervoll erzählt, traurig und furchtbar. Eine schreckliche Geschichte, die auch ihre schönen Seiten hat. :thumleft:

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Kabul 1975. Amir und Hassan sind die besten Freunde, doch gesellschaftlich gehören sie verschiedenen Schichten an. Amir ist der Sohn eines reichen Geschäftsmanns, Hassans Vater, ein Angehöriger der Minderheit der Hazara, ist dessen Diener.


    Die Jungen stört das eigentlich nicht, sie bereiten sich eifrig auf den Drachenläuferwettbewerb vor, den sie gewinnen wollen. Doch manchmal kann es Amir nicht lassen, Hassan zu bevormunden und mit seinem Wissensvorsprung zu prahlen.


    Nach dem Drachenlaufen, das Amir gewinnt, woraufhin er im ganzen Viertel gefeiert wird, kommt es zum Bruch zwischen den Jungen. Amir stößt seinen treuen Freund vor den Kopf, die Wege der beiden trennen sich.


    Kurz darauf erschüttert der Sturz des Königs Afghanistan, von da an ist nichts mehr wie vorher, und Amir und sein Vater fliehen vor den katastrophalen Zuständen in die USA.


    Dort leben sie in einer Gemeinschaft von Exilafghanen. Amir studiert, heiratet, führt eigentlich ein ganz normales Leben, bis ihn im Sommer 2001 ein Anruf aus Afghanistan aus der Routine reißt. Ein alter Freund seines Vaters ist todkrank und möchte Amir noch einmal sehen - eine Reise, die Amirs Leben noch einmal tiefgreifend verändert.


    Abgesehen von den Taliban, Hamid Karsai und den US-Angriffen wusste ich vor diesem Buch praktisch nichts über Afghanistan, deshalb war es hochinteressant, über die Kultur und Gebräuche dieses Landes zu lesen, wie es früher einmal war.


    Das Buch ist ein Roman über Familie und Freundschaft, Schuld und Sühne, über Verrat und Liebe, in einer sehr schönen Sprache erzählt. Innerhalb der Geschichte gibt es viele Parallelen zu entdecken, aber nie mit dem Holzhammer und nie als übertriebenes Stilmittel. Mir gefiel auch, dass das Ende kein schmalztriefendes Happy-End ist, aber trotzdem hoffnungsvoll.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Für das Buch Drachenläufer kann ich eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen.
    Das Buch hat mich mehr als jedes andere Buch in meinem Leben bewegt. Durch die packende Erzählweise in Verbindung mit den aktuellen Ereignissen in Afghanistan schafft es Hosseini eine sehr berührende Geschichte über das Leben in Afghanistan aufzuzeigen, die sich ein Mensch mit westlichem Lebensstil wohl kaum so vorstellen würde. Am Anfang der Geschichte hatte ich einige Vorbehalte, ob Afghanische Geschichten mir zusagen würden. Nun bin ich dankbar, dass mir das Buch eine andere Blickweise über dieses so ferne und doch allgegenwärtige Land aufzeigt. Selten hat ein Buch geschafft freude, trauer und wut in dieser Dimension in mir auszulösen. Auch Freunden, die das Buch gelesen haben ging es so.
    Ich habe mir vor zwei Tagen dein weiteres Buch von Ihm (Tausend strahlende Sonnen) gekauft und freue mich es durchzuschmökern. :applause:

  • Ich wollte das Buch eingetnlich nicht lesen. Da Afghanistan nicht so mein Genre ist. Dann hat meine Freundin das Buchverschlungen (die mich auch dazu genötigt hat die Bis(s) Rheihe zu lesen).
    Ihr Freund war ebenso begeistert und die beiden haben es meinem Mann zum Geburtstag geschenkt. Der war dann ebenfalls sehr beindruckt von dem Buch und dann dachte ich mir; versuch es doch wenigstens. Eigentlich mag ich es nicht, wenn so eine Getöse um irgendwelche Bücher gemacht wird. Dann mag ich die meistens schon aus Prinzip nicht lesen. Aber der Drachenläufer waar wirklich sehr gut. Ich fand die Geschichte der beiden Jungs sehr interessant geschriében und fesselnt bis zum Schluß.



    Ich kann das Buch nur jedem weiter empfehlen. Man erfährt viele Dinge über die Region und die Menschen.


    Das nächste Buch von Khaled Hosseini habe ich auch schon im Regal stehen und bin sehr gespannt drauf.

    Hunde sind wie Bücher, man muss nur in ihnen lesen können, dann kann man viel lernen.


    [align=center]Oliver Jobes

  • Ich kann dieses Buch auch sehr empfehlen.
    Die Geschichte ist emotional sehr mitreißend und man bekommt einen Einblick in das Leben von Afghanistan. Ich empfand die Erzählweise so lebendig und einfühlsam, dass ich die ganze Zeit glaubte, diese wäre eine vom Autor selbst erlebte Geschichte. Erst als ich etwas über den Autor gelesen habe, wusste ich dass dies einer fiktiver Roman ist.

  • Was für ein Buch. Mitreißend und aufwühlend.

    Amir mochte ich nicht. Zu eifersüchtig und selbstgerecht.


    Ja, man merkt, dass ich ihn nicht mag. Ich dachte, dass sich das zum Ende hin ändert, aber - nein. :roll: Und dann erfährt er auch noch,


    Eigentlich kann er einem ja leid tun. :(
    Trotzdem, Hassan fand ich toll und die Geschichte an sich auch sehr fesselnd und bewegend! :love:


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: von :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :love:

  • Hab das Buch letzten Montag gelesen. Hier mein Eindruck dazu:


    „Für dich – tausendmal!“
    Khaled Hosseini entführt den Leser in diesem hervorragenden Werk nach Afghanistan. Wir schreiben das Jahr 1975. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft, die mehr Gemeinsamkeiten in sich birgt als man zu denken glaubt, verbindet den 12jährigen Paschtunen Amir und seinen Hazara-Dienerfreund Hassan, einige innige Freundschaft, die eines Tages auf die Probe gestellt wird, bei der Amir jedoch kläglich versagt! Viele Jahre später kommt jedoch der alles entscheidende Anruf: „Komm, es gibt eine Möglichkeit, es wieder gut zu machen.“


    Khaled Hosseini nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise – wir durchleben mit Amir, dessen Charaktereigenschaften mir anfangs zutiefst zuwider waren, seine Kindheit bis hin zu seinem Erwachsensein. Mit einfacher Ausdrucksweise und beinahe schon Nüchternheit bzw. Schlichtheit erzählt der Autor von berührendsten Szenen, ohne sich in Details und Umschweifungen zu verlieren. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass ich mich, noch bevor ich
    innerlich verdauen konnte, schon mitten in den brennendsten Geschehnissen befand. Am meisten berührt hat mich diese Menschlichkeit, die aus jeder Zeile spricht. Der Autor schafft es, sowohl eine Geschichte aus einem uns fremden Land und Kultur zu erzählen, als auch dem Leser die Tiefgründigkeit einer Freundschaft, die in Hingabe und Liebe gipfelt, vor Augen zu führen.


    Fazit:
    Dieses Buch zählt zu jenen (vielen!) Büchern, die ich, aus welchem Grund auch immer, lange Zeit unberührt in der Ecke liegen gelassen hab. Dabei hat es mich wortwörtlich zu Tränen gerührt und mich zutiefst getroffen.
    Vor allem hat es mich dazu bewegt, mein eigenes Leben und Werte wieder einmal zu hinterfragen.

  • Wow. Ich habe das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen und bin echt begeistert, wie Hosseini die Gefühlswelt seiner Protagonisten mit einer wunderbaren Geschichte verknüpft hat, die dem Leser sehr nahe geht. Ich liebe dieses Buch von der ersten bis zu letzten Seite.


    Von mir gibt es volle :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: und eine Kaufempfehlung. :thumleft:


    El Novelero

  • Über das Land selbst – ein Vielvölkerstaat mit einer charakteristischen Stammeskultur - erfährt man meiner Meinung nach nicht allzu viel. Das friedliche Afghanistan des ersten Teils wird aus Sicht eines Protagonisten geschildert, der wie sein Autor zur privilegierten Klasse gehört und von den Lebensbedingungen der ärmeren Bevölkerungsschichten nichts weiß. Und auch der dritte Teil liefert kein differenziertes, individuelles Bild. Im Grunde wird nur das beschrieben, was man ohnehin schon aus dem Fernsehen kannte: Taliban, die mit einer Kalaschnikow auf dem Schoß im Auto durch die Stadt rollen, von Kopf bis Fuß vermummte Frauen, ein völlig zerstörtes Land, Hinrichtungen in Fußballstadien. Mir scheint, dass Afghanistan in diesem Roman eher den Stimmungshintergrund für eine melodramatische Geschichte abgeben soll.

    Mittlerweile habe ich dieses Buch nun auch gelesen und schließe mich mofre an. Zum einen war mir die Geschichte zu herzenrührig, wobei ich das vor einigen Jahren sicherlich anders beurteilt hätte (ich könnte mir z.B. vorstellen, dass mir heute "Leon und Luise" von Alex Capus auch nicht mehr so gut gefallen würde).
    Unschön fand ich allerdings, dass die Charaktere ohne jegliche Komplexität dargestellt wurden. Hosseini hätte seinen Protagonisten Amir wenigstens nicht schon von Anfang an so darstellen müssen, dass er seine Jugendsünden längst bereut. Das macht die gesamte Geschichte so vorhersehbar. Durch eine charakterliche Entwicklung von Amir im Buch hätte "Drachenläufer" sicherlich profitieren können.
    Außerdem bin ich mit fortschreitender Lektüre zunehmend dem Eindruck erlegen, einen George-Walker-Bush-Propanganda-Roman zu lesen, was zwar nicht unbedingt so von Hosseini beabsichtigt sein muss, mich aber abgestoßen hat. Dass mir das von Afghanistan gezeichnete Bild nicht glaubhaft vorkam, hat mich nach Khaled Hosseini googeln lassen, und siehe da, der 1965 geborene Autor war seit seinem fünften Lebensjahr bis zum Erscheinen von "Kite Runner" im Jahr 2003 kein einziges Mal mehr in Afghanistan gewesen. Auf der deutschen wikipedia-Seite zum Autor ist er noch mit dem Präsidentenehepaar Bush im Weißen Haus abgebildet, auf der englischen Version der Seite sind die Bushs jedoch (mittlerweile? :-k ) aus dem Foto herausgeschnitten.
    Insgesamt gesehen ist es gut, einmal ein Buch dieses Schriftstellers gelesen zu haben, aber wenn ich etwas zum Thema Afghanistan erfahren möchte, dann werde ich diesen Autor in Zukunft meiden.


    Gelesen habe ich das englische Original:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Außerdem bin ich mit fortschreitender Lektüre zunehmend dem Eindruck erlegen, einen George-Walker-Bush-Propanganda-Roman zu lesen


    Ja, dieses Eindrucks konnte ich mich zeitweise auch nicht erwehren. Unser Urteil über das Buch fällt aber geradezu milde aus angesichts der vernichtenden Kritik, die Denis Scheck gestern in seiner Sendung "Druckfrisch" über Hosseinis Bücher fällte:


    Zitat

    Außer Drogendealern und Waffenhändlern zählt zu den großen Profiteuren der Kriege in Afghanistan Khaled Hosseini, dessen schwer erträgliche Kitschromane das Leid der gequälten Bevölkerung zu hollywoodkompatiblen Klischees eindampfen

    .
    Seine Kommentare zu "Traumsammler" und den übrigen neun Büchern der Spiegel-Bestsellerliste sind hiernachzulesen.


    Gruß
    mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer

    :musik:Jussi Adler-Olsen - Verachtung
















    2 Mal editiert, zuletzt von mofre ()

  • Seine Kommentare zu "Traumsammler" und den übrigen neun Büchern der Spiegel-Bestsellerliste sind hier nachzulesen.

    Ich habe "Traumsammler" nicht gelesen, sondern kenne von diesem Autor nur "Drachenläufer" und "Tausend strahlende Sonnen", die mir beide gefallen haben. Über deren Realitätsnähe kann ich nichts sagen, da ich nie in Afghanistan war, aber als "schwer erträgliche Kitschromane" würde ich diese beiden Bücher definitiv nicht bezeichnen.
    Die Kommentare von Denis Scheck sind köstlich amüsant, wenn er ein Buch verreißt, aber ich kann mich ihnen inhaltlich nicht immer anschließen - vielleicht bin ich selbst ein Proll ohne Gespür für Literatur? :-k Ich werde mir die Sendung in der Mediathek ansehen, da sie für meinen Geschmack immer viel zu spät im Fernsehen läuft.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998