Gabriel Garcia Marquez - Wir sehen uns im August / En agosto nos vemos

  • Klappentext:


    Jedes Jahr fährt Ana Magdalena Bach im August mit der Fähre zu einer Karibikinsel, um dort auf das Grab ihrer Mutter einen Gladiolenstrauß zu legen. Jedes Jahr geht sie danach in ein Touristenhotel und isst abends allein an der Bar ein Käse-Schinken-Toast. Dieses Mal jedoch wird sie von einem Mann zu einem Drink eingeladen. Es entspricht weder ihrer Herkunft oder Erziehung noch ihrer Vorstellung von ehelicher Treue, doch geht sie dennoch auf seine Avancen ein und nimmt den Unbekannten mit auf ihr Zimmer. Das Erlebnis hat sie und ihr Leben verändert. Und so fährt sie im August des kommenden Jahres wieder erwartungsvoll auf die Insel, um nicht nur das Grab ihrer Mutter zu besuchen.


    Mein Lese-Eindruck:


    Eigentlich stellt die Veröffentlichung dieses kurzen Romans einen Verrat dar. Der Autor selber war der Meinung: „Dieses Buch taugt nichts“, und das Buch blieb daher als unveröffentlichtes Fragment im Nachlass. Die beiden Söhne entschieden sich dennoch für eine Veröffentlichung und ließen das Fragment aus mehreren verschiedenen Textfassungen von Cristobal Pera rekonstruieren, der im Nachwort einen interessanten Einblick in seine Arbeit gibt.


    Ob es sich gelohnt hat, muss nun der Leser entscheiden! Ich finde: UNBEDINGT!


    An jedem 16. August, dem Todestag ihrer Mutter, fährt Ana Magdalena Bach – auch sie ist Ehefrau eines Musikers - zum Grab ihrer Mutter auf einer kleinen Karibikinsel. Sie ist 46 Jahre alt und glücklich mit einem attraktiven und erfolgreichen Mann verheiratet. Die Blumenfrau bindet ihr schon vorausschauend den alljährlichen Gladiolenstrauß, den sie zum Grab der Mutter bringt und dort ihrer Mutter die familiären Neuigkeiten mitteilt, um dann wieder mit der Fähre nach Hause zu fahren.


    Bis sie in einem August den Einfall hat, aus dem alljährlichen Ritual auszubrechen. Mit einer Zufallsbekanntschaft verbringt sie die Nacht, und sie findet diese Änderung so erfrischend, dass sie diesen alljährlichen Ehebruch als neues Ritual etabliert. Sie verändert sich, genießt die Nächte mit ihrer exzessiven Lust und bekommt einen neuen Blick auf ihre Ehe und die damit verbundenen Konventionen.


    Man merkt dem Text an, dass er nicht ausgefeilt ist und Lücken aufweist, wenn z. B. gegen Ende eine Person unmotiviert auftaucht. Aber Marquez erzählt einfach wunderbar. Mit einigen wenigen Strichen lässt er die Schauplätze vor dem inneren Auge seiner Leser sichtbar werden, und genauso leichthändig verleiht er seinen Figuren Konturen und Leben.


    Das überraschende und zugleich so vielschichtige Ende der Geschichte macht den Leser sprachlos. Trotz seiner fortschreitenden Demenz erkennt man ihn hier wieder: den begnadeten Erzähler Marquez und seine unglaubliche Freude am Fabulieren.


    Lesenswert!


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    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • drawe

    Hat den Titel des Themas von „Gabriel Garcia Marquez - Wir sehen uns im August“ zu „Gabriel Garcia Marquez - Wir sehen uns im August / En agosto nos vemos“ geändert.