Inhalt (Klappentext):
Privatermittlerin Holly Gibney steckt in einer Lebenskrise, da erhält sie einen Anruf: »Meine Tochter Bonnie ist vor drei Wochen verschwunden, und die Polizei unternimmt nichts.« Ihre Nachforschungen führen Holly zu einer weit zurückreichenden Liste ungelöster Vermisstenfälle. Alle spielen im Umfeld eines inzwischen emeritierten Ernährungswissenschaftlers mit dem Spitznamen »Mr. Meat«. Holly hat schon gegen grausame Gegner bestanden, aber hier begegnet sie dem schlimmsten aller Ungeheuer: dem Menschen in seinem Wahn.
»Ich kann mich einfach nicht von Holly verabschieden. In Mr. Mercedes sollte sie eigentlich nur eine Nebenrolle spielen, aber irgendwie hat sie das Buch übernommen und mein Herz gestohlen. In Holly geht es ganz um sie.« Stephen King
Beurteilung:
Hauptsächlich geht es in diesem Roman um drei Dinge. Zum ersten um Holly, wie es das Zitat von King bereits im Klappentext besagt. Von der total unsicheren und schüchternen Holly ist aber immer weniger da. Sie ist zwar immer noch bei manchem unsicher und wird von einigen ihrer Schrullen geplagt, lässt sich von diesen aber nicht beherrschen. Und dabei muss sie so einiges ertragen. Wie den Tod ihrer Mutter, die an Covid starb, weil sie sich nicht hat impfen lassen. Aber noch härter trifft es sie, als sie die Wahrheit über gewisse Dinge über eine Tat ihrer Mutter und ihres Onkels vom Notar erfährt. Hier begreift sie, wie sehr ihre Mutter sie hat manipulieren wollen. Und diese Sache, die ich hier nicht weiter erwähnen werde, beschäftigte Holly den ganzen Roman hinweg. Sie hatte sogar ständig versucht einen Witz zu formulieren, den sie aber erst gegen Ende komplett offenbart. Na ja, lange Rede, kurzer Sinn: Holly hat hier King sehr gut hingekriegt, man kann ihre Handlungen nachvollziehen und mit ihr mitfühlen. Was andere Charaktere angeht, da zeichnen sich Barbara, die Schwester von Jerome, und das verrückte, alte Pärchen am stärksten aus. Wobei die Story um Barbara, die ihre Träume als Lyrikerin verwirklichen will, eher wie eine zusätzlich eingebaute Nebenstory wirkt. Aber auch sie ist hier ziemlich gut ausgearbeitet, vor allem was ihre eigene Unsicherheit angeht. Jerome hingegen ist bloß als Sidekick unterwegs. Und haut dann irgendwann ab, um sein Buch zu veröffentlichen. Ist dann hautsächlich nur noch telefonisch unterwegs. Gleiches gilt für Pete, Hollys Geschäftspartner, der ist in häuslicher Quarantäne, da er Corona hat.
Jetzt ist schon mehrfach das Wörtchen Corona gefallen. Und das ist die zweite Sache, die im Roman sehr dominant ist. Der Roman spielt neben einigen Sequenzen aus der Vergangenheit im Sommer 2021. Also mitten in der Corona Pandemie. Was so viel heißt wie: Masken tragen, Hände waschen, Impfen, Corona Leugner, Ellbogenabklatsch, Zoom usw. Und das im Dauerlauf. Was natürlich für reichlich Kontroverse sorgen kann. Wie ich es beispielsweise auf Amazon beobachtet habe. Da Stephen King hier leider beim Thema „Impfen und Corona-Leugner“ recht stereotypisch vorgeht und in gewisser Weise klar Stellung bezieht, dürften gewisse Leser mit dem Roman nicht wirklich warm werden. Daher würde ich Lesern, die das Thema Corona mit einer klar definierten Meinung (pro Impfung und böse Impfgegner) meiden wollen, wärmstens empfehlen, einen Bogen um den Roman zu machen. Mich persönlich hat das Dauerthema Corona nicht gestört, sondern dem Roman das gewisse Feeling der damaligen Zeit verliehen. Wenn manchmal auch etwas stereotypisch. Und was Trump angeht, da hat King auch keinen Blatt vor dem Mund genommen. Hatte er früher auch nicht. Auch nicht bei anderen Präsidenten. Gleiches gilt auch für das Thema Rassismus und Homophobie.
Dann gebe es noch die dritte Sache, die im Roman dominant ist. Und die ist mit dem „alten Pärchen“ und den verschwundenen Leuten verbunden. Also der eigentlichen Storyline. Leider verrät hier Stephen King dem Leser recht schnell, wer die ganzen Personen entführt hat und weswegen. Dazu sage ich nur: „Kulinarik der besonderen Art a la Hannibal Lecter". (Auch so ein Thema, das manchen Lesern auf den Magen schlagen kann!) Das kann ich hier verraten, weil man es im Roman recht schnell erfährt. Was ich aber nicht besonders gut fand, denn leider hat mir dieses Wissen die Spannung, was die Ermittlungsarbeit angeht, stark gemildert. Am Anfang des Romans war ich hell auf begeistert. Bei einem King Roman ist es bei mir eher selten, dass mich einer seiner Romane schon zu Anfang fesselt. Aber hier wurde ich recht früh zwischen den abwechselnden Szenen von Holly und den Vergangenheitserzählungen der Entführungen stark gefesselt. Aber nachdem er die Katze aus dem Sack ließ, dämpfte sich diese Begeisterung. Die Vergangenheitserzählungen und die Erzählungen aus der Perspektive des verrückten, alten Pärchens hatte ich immer noch mit einer gewissen Begeisterung gelesen, aber Hollys Ermittlungsarbeit eher neutral. Da wartete ich auf das Finale bzw. darauf, dass Holly endlich das Wissen des Lesers einholt und sich mit dem besagten Pärchen beschäftigt. Und ab da gings wieder aufwärts. Mit einem erwarteten und gleichzeitig etwas überreichendem Showdown. Erwartbar war für mich das Aufeinandertreffen von Holly und dem Pärchen. Auch wie es abgelaufen ist. Unerwartet war für mich hingegen, was Holly dann getan hat.
Insgesamt war es ein sehr gut verfasster und routinierter King-Roman. Mit einer sehr gut dargestellten Hauptprotagonistin. Einem starken Anfang und einem starken Ende, aber einem etwas durchwachsenen Mittelteil. Von mir gibt es solide 4,5 Sterne.
PS: Da der Roman keine übernatürlichen Elemente enthalten hat und auf mich mehr nach einem Psycho-Thriller als nach einem Horror-Thriller aussieht, habe ich es bei den Krimis und den Thrillern untergebracht.