Jeannette Walls - Vom Himmel die Sterne / Hang the Moon

  • Sallie Kincaid hat als Fünfjährige ihre Mutter verloren. Ihr Vater, der Duke, hat schnell wieder geheiratet. Sallies ist ihrer Stiefmutter ein Dorn im Auge, ganz besonders als Sallie mit ihrem Stiefbruder Eddie verunglückt. Dabei hat sie es nur gut gemeint und trotzdem muss sie das Anwesen in Caywood verlassen. Erst als sie siebzehn ist, darf sie nach dem Tod der Stiefmutter zurückkommen. Sie ist fest entschlossen, sich ihren Platz in der Familie zurückzuerobern. Doch dann stirbt der Duke und Sallie muss seinen Posten übernehmen und sich in einer Männerwelt durchsetzen.


    Dieser Roman der Autorin Jeannette Walls hat mich von Anfang an gepackt.


    Die Personen sind alle interessant und authentische dargestellt. Sallie ist ein starkes Mädchen, das ihren Vater vergöttert. Aber sie ist nur ein Mädchen und obwohl ihr Stiefbruder Eddie dem Duke zu schwach ist, soll er einmal in die Fußstapfen seines Vaters treten. Der Duke selbst ist ein Mann der im Claiborne County wie ein König herrscht. Wenn es Probleme gibt, kommt man zu ihm und er löst sie, dafür braucht er kein Gericht. Seine Geschäfte sind nicht ganz legal, aber so ist das in der Zeit der Prohibition nun einmal. Als er stirbt, muss Sallie Hals über Kopf Verantwortung übernehme. Dabei machen ihr nicht nur alte Fehden zu schaffen, auch in ihrer Familie ist nicht jeder erfreut darüber, dass Sallie an die Stelle des Dukes tritt. Eine Frau soll halt heiraten und die Geschäfte den Männern überlassen. Doch Sallie ist stark, hat ihren eigenen Kopf und erträgt auch Rückschläge. Es geht um das Überleben von vielen Menschen im County und so tut sie, was getan werden muss. So nach und nach erfährt sie einige Familiengeheimnisse, die manche ihrer Einstellungen verändern.


    Es ist ein spannender Roman über eine starke junge Frau, der mich gut unterhalten hat. Empfehlenswert!

  • Von dieser Schriftstellerin habe ich bereits 2 Bücher gelesen.

    Sie haben mich beide gefesselt.

    Wenn ich will, dass die Sonne scheint, lasse ich sie einfach aufgehen - auch in Wuppertal.“ - Pina Bausch.

  • Kaum geduldet, nie geliebt und schließlich verbannt – Schicksale von Frauen


    Inspiriert von historischen Ereignissen spielt die Szenerie im ländlichen Virginia um ca. 1935 rund um Roanoke mit viel Whisky-Schmuggelei. Aber neben Prohibition und Kämpfen zwischen rivalisierenden Schwarzhändlern, Rassismus und fanatischer Religion geht es um die Rolle der Frau in dieser Zeit, mit Frauenwahlrecht, Außenseitertum. Mit der jungen Sallie Kincaid, der Tochter des mächtigen Duke, wird beispielhaft das Schicksal vieler Frauen, ihrer Mütter, geschildert. Dass die Söhne herrschen und die Töchter nur dienen sollten – so stellt sich die mutige und selbst bewusste Sallie ihr Leben nicht vor, denn sie kämpft gegen alte Tabus der Männerwelt, Lügen und Geheimnisse an, auch wer ein echter Kincaid ist, egal ob ehelich oder unehelich. Das Cover lässt keine Verbindung zum Romaninhalt aufkommen. Interessant geschrieben!

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Jeannette Walls - Vom Himmel die Sterne“ zu „Jeannette Walls - Vom Himmel die Sterne / Hang the Moon“ geändert.
  • Der Roman "Vom Himmel die Sterne" von Jeanette Walls spielt zu Anfang des 20. Jahrhunderts in einer Kleinstadt in Virginia. Sallie Kincaid ist 8 Jahre alt, die Tochter des einflussreichsten Mannes in der Stadt und liebt ihren Vater abgöttisch. Als sie eines Tages mit ihrem kleinen Halbbruder Eddie spielt, kommt es zu einem Unfall, bei dem Eddie verletzt wird, und auf Drängen ihrer Stiefmutter muss sie das Haus verlassen und viele Jahre in ärmlichen Verhältnissen bei einer Tante leben. Als junge Frau kehrt sie ins Haus ihres Vaters zurück und sieht sich Argwohn, Ablehnung und Vorurteilen innerhalb der Verwandtschaft ausgesetzt. Sie setzt alles daran, ihre Stärke zu beweisen und die Anerkennung ihres Vaters zu gewinnen. In den nächsten Monaten überschlagen sich die Ereignisse, und Sallie muss schneller auf eigenen Beinen stehen als gedacht. Stück für Stück kommt Sallie Familiengeheimnissen auf die Spur und lernt, viele Dinge in einem neuen Licht zu betrachten.


    Da ich anhand des Titels und des Covers etwas anderes erwartet hatte, hat mich dieses Buch in vielerlei Hinsicht überrascht, aber auf eine absolut positive Weise! Sallie war mir von Anfang an sehr nahe, obwohl ich nicht jede ihrer Ansichten teile oder gutheiße. Der Schreibstil ist so natürlich und lebendig, dass ich das Gefühl hatte, Sallie würde neben mir sitzen und mir ihre Geschichte erzählen, mit all ihren Gedanken und Zweifeln, die ihr durch den Kopf gehen. Gleichzeitig hat die Erzählweise etwas unglaublich Kraftvolles und Ehrliches. Sowohl Sallie als auch die anderen Charaktere sind glaubhaft, ambivalent und plastisch ausgearbeitet, machen zum Teil eine deutliche Entwicklung durch. Insbesondere bei Sallie ist das wirklich großartig beschrieben, wie sie sich immer weiter von früheren Vorstellungen emanzipiert, wichtige Erfahrungen sammelt, Werte und Ansichten überdenkt. Als Leserin habe ich mit ihr mitgelitten, mit ihrem Handeln und Denken auch in einigen Punkten gehadert, und war fasziniert von ihrer Persönlichkeit und ihrer Unerschrockenheit. Sie geht mutige, ungewöhnliche Wege für eine Frau in dieser Zeit, und der Roman zeichnet auch ein eindrückliches Bild von der damaligen Stellung der Frau. Kaum zu glauben, dass seither gerade einmal 100 Jahre vergangen sind, und welch ein Glück, dass sich hier einiges getan hat!


    Der Großteil des Romans spielt zwischen 1920 und 1922 zur Zeit der Prohibition in Amerika, und dieser kommt eine wichtige Rolle zu. Der Autorin gelingt es, die Atmosphäre in einer typischen Kleinstadt in den Südstaaten spürbar werden zu lassen, in der Rassismus aufblitzt, Selbstjustiz um sich greift und die Waffe immer schnell zur Hand ist. Washington ist weit weg, und das Wort einflussreicher Männer vor Ort steht über dem Gesetz.


    Die Geschichte hat mich so gefesselt und berührt, dass ich das Buch an einem Tag ausgelesen habe, und es wird mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben. Für mich ein absoluter Ausnahmeroman, den ich unbedingt weiterempfehlen möchte!


    5 Sterne.

  • Klappentext/Verlagstext

    Die meisten Leute halten nicht viel von der jungen Sallie Kincaid. Sie ist die Tochter des Duke, mehr nicht. Aber Sallie hat andere Pläne – und sie wird alle davon überzeugen ...

    Sallie ist die Tochter des mächtigsten Mannes einer Kleinstadt in Virginia. Geboren zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ist sie fünf Jahre alt, als ihre Mutter stirbt nach einem Streit mit Sallies Vater, dem charismatischen Duke Kincaid. Er heiratet erneut und bekommt einen Sohn. Als Sallie dem Halbbruder beibringen will, so stark wie der Vater – und sie selbst – zu sein, führt ihre waghalsige Nachhilfe zu einem schweren Unfall. Sallie wird verstoßen und muss das Anwesen verlassen.

    Mit siebzehn Jahren kehrt sie zurück ins Große Haus, entschlossen, sich ihren Platz in der Familie zurückzuerobern. Doch der Duke ist tot, es gilt die Prohibition und in der Stadt herrscht Lynchjustiz. Sallie ist entschlossen, nicht ein zweites Mal zu weichen – und widersetzt sich der harten Männerwelt selbstbewusst und scharfsinnig, um sie für immer zu verändern.


    Die Autorin
    Jeannette Walls arbeitete über zwanzig Jahre als Journalistin in New York. Ihr internationaler Bestseller „Schloss aus Glas“ (2006) wurde 2017 erfolgreich verfilmt. Es folgten Ein „ungezähmtes Leben“ (2009), Romanbiographie über ihre Großmutter, und „Die andere Seite des Himmels“ (2013), die bewegende Geschichte zweier mutiger Mädchen im Kalifornien der 1970er Jahre. Zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller John Taylor, lebt Jeannette Walls im ländlichen Virginia.


    Inhalt
    Sallie Kincaids Vater, der Duke, hatte klargestellt, dass Mädchen heiraten und weder das Familienunternehmen leiten noch Politikerin werden. Sallie, die mutterlos aufwächst, will alles richtig machen und dem Duke gefallen, indem sie ihren sensiblen jüngeren Bruder Eddie zu dem Kincaid trainiert, den der Vater sich wünscht. Wenn Eddie endlich Dukes Männerbild entspricht, wird hoffentlich ihre Stiefmutter Jane sie so lieben, wie Sallie es erträumt. Doch Sallies Plan scheitert, und wegen ihres schlechten Einflusses auf Eddie wird die Neunjährige zu Tante Faye gegeben. Faye ist so bitterarm, dass sie vom Pensionsgeld für Sallie kaum überleben kann, so dass Tante und Nichte als Wäscherinnen arbeiten. Duke hat sich jahrelang nicht in Hatfield blicken lassen, als er Sallie ebenso überstürzt zurückholt, wie er sie damals fortgeschafft hat. Seine Frau Jane ist an der Grippe gestorben und die inzwischen 18jährige Sallie soll den mutterlosen Eddie aufziehen. Duke muss sich eingestehen, dass in seinem Haushalt alles schieflief, seit er Sallie fortschickte und ihren Kontakt zu Eddie unterband. Frauen sind in Dukes Imperium variable Kapitalposten, die seinen Einfluss zu sichern und Söhne zu gebären haben.


    Wie ein orientalischer Großgrundbesitzer herrscht Duke über sein Imperium im Claiborne County, in dem er Mieten als Naturalien (= Whiskey) eintreibt, aber auch für Kranke und in Not geratene Untertanen verantwortlich ist. Sallie wuchs mit seinem Vorbild auf und ergreift sofort Partei für Tante Faye. Sie zeigt deutlich die Qualitäten einer klugen, empathischen Nachfolgerin, die Duke sich wünscht. Doch erst, wenn kein männlicher Erbe mehr lebt, kann in diesem County die älteste Tochter das Familienunternehmen erben. Erst jetzt wird Sallie klar, dass Sheriff Earl und der Verwalter des Ladens auf Dukes Lohnliste stehen und ihm unbedingt loyal dienen. Teile und herrsche, alles eine Frage raffinierter Planung. Sollte sie einmal die neue Chefin sein, muss sie sich dringend um ein eigenes Netzwerk kümmern. Als Duke überraschend stirbt, entbrennt ein erbitterter Kampf um seine Nachfolge. Duke hat offensichtlich so manisch einen Sohn zu zeugen versucht, dass wie bei den Puppen in der Puppe stets neue Frauen und neue Töchter auftauchen, sobald Sallie meint, endlich den Überblick zu haben. Mehr als um menschliche und kaufmännische Kompetenzen geht es jedoch darum, wovon die Bewohner dieser Ecke Virginias leben sollen, wenn nach den Prohibitionsgesetzen von 1920 kein Alkohol mehr verkauft werden darf.


    Fazit

    Mit Sallie Kincaid hat Jeanette Walls eine hinreißende, zeitlose Heldin geschaffen, die mit dem universellen Nachfolge-Konflikt konfrontiert ist: Warum soll ein ungeeigneter ältester Sohn ein Familienimperium erben, wenn Geschwister offensichtlich qualifizierter für diese Rolle sind. Sallie erzählt die Geschichte ihres Familien-Clans in einer untergehenden Epoche schlicht im Präsens. Sie wirkt dabei berührend glaubwürdig, ohne ihrem jüngeren Ich Einsichten anzudichten, die sie in dem Alter noch nicht haben konnte. Die Familiengeschichte zwischen Nachfolgesuche, Schwarzbrennerei und Whiskyschmuggeln liest sich absolut spannend. Allerdings fand ich Walls Technik, Personen archaisch „von der Klippe zu stürzen", sobald sie nicht mehr benötigt wurden, und ständig neue Figuren aufs Spielbrett zu bringen, auf die Dauer ermüdend. Da die Autorin im Vorwort darauf hinweist, dass ihr Vater in den 40ern und 50ern Alkohol schmuggelte und sie zahlreiche Quellen zu dieser Epoche studierte, können Interessierte sich auf das sorgfältig recherchierte Porträt mutiger Frauen in einer untergegangenen Epoche freuen.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :study: -- Landsteiner - Sorry, not sorry

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow


  • Mein Lese-Eindruck:


    Der Roman versetzt uns in eine abgelegene Provinzstadt in Virginia vor 100 Jahren, in die Zeit der Prohibition, mit der die Regierung von Virginia die Herstellung und den Verkauf von Alkohol unter Strafe stellte. Die Folge waren illegale Brennereien und Schmuggelverkäufe, mit denen sich vor allem die verarmten Kleinbauern des Landes über Wasser hielten.


    Sallie Kincaid, die Protagonistin, wird in eine Familie hineingeboren, die ihren Reichtum auf dem schwunghaften Handel mit Whisky gründete und im Laufe der Zeit ein weitverzweigtes Firmenimperium entwickelte. Ihr Vater, allgemein nur der „Duke“ genannt, beherrscht nicht nur dieses Firmenimperium, sondern das gesamte County: die staatlichen Gesetze gelten hier nicht, sondern die Gesetze des Dukes, dem auch der Sheriff untersteht. Auch die Rechtsprechung liegt in seinem Ermessen ebenso wie die Sorge für ärmere Mitbürger. Kurz: er herrscht über den Landkreis wie ein mittelalterlicher "Duke".


    In diesem paternalistischen Denken wächst Sallie auf, und sie ist stolz darauf, „eine Kincaid“ zu sein. Sie weiß, dass nur der männliche Erbe etwas gilt, und so übernimmt sie (nach damaliger Sicht) männliche Verhaltensweisen. Sie fährt rasant Auto, fürchtet weder Tod noch Teufel, will unabhängig sein und ihr eigenes Geld verdienen, geht souverän mit Schusswaffen um, und sie lehnt die traditionelle Frauenrolle in Ehe und Familie kategorisch ab. Dieses Klischee gestaltet die Autorin noch weiter aus: auch bei ihrer Kleidung passt Sallie sich der Männerwelt an. Sie bevorzugt Latzhosen und Flanellhemden und findet die „Männerwelt… ungemein anziehend“. Damit wird ein wesentliches Thema des Romans angeschlagen: die Position von Frauen in Gesellschaft und Familie. Frauen wird keine große Wertschätzung entgegengebracht; sie werden benutzt und bei Missfallen ausgetauscht oder entfernt. Es wundert nicht, dass Sallie sich diesem Weg (anfangs) verweigert, auch wenn sie ihre Weigerung mit Einsamkeit bezahlt.


    Leider fallen dann so banale Sätze wie „Das Wahlrecht zu bekommen war gut und schön, aber es sind Autos und Straßen, die das Leben von Frauen am stärksten verändert haben, weil sie ihnen die Freiheit gaben zu fahren, wohin sie wollte, ohne dafür die Hilfe eines Mannes zu brauchen, der das Pferd vor den Wagen spannt.“ Auch das ist keine Kunst und das hätten die Frauen durchaus gekonnt…


    Der Roman erzählt Sallies Jugend und schlägt dabei noch andere Themen an, die für Sallies Geschichte wichtig sind und die zur Diskussion einladen könnten wie z. B. der Spagat zwischen Loyalität und Gerechtigkeitsgefühl, oder das Verhältnis von Machtmissbrauch und Religion, Legalität und Illegalität. Diese Themen werden jedoch zugedeckt von einer mehr als komplizierten Familiengeschichte, in der in rasanter Abfolge eine Familientragödie die nächste jagt. Ein großer Reigen an Personen tritt auf und tritt (selten freiwillig) wieder ab, bis schließlich Sallie die Leitung des Familienimperiums zufällt. Völlig unreflektiert folgt sie dem Vorbild ihres Vaters und stellt sich wie er über das Gesetz-mit der Folge, dass der Leser nun eine ausführliche Räuberpistole liest, die, wie die Autorin versichert, an historischen Vorbildern orientiert ist: Bandenkrieg, Schießereien, Bombenattentate und dergleichen, und auch das in gewohnt rasanter Abfolge.


    Erst gegen Schluss setzt bei Sallie ansatzweise eine Reflexion über ihren Weg ein. Sie hat inzwischen die übermächtige Figur ihres Vaters demontieren müssen und fragt sich nun nach ihrem Verhältnis zum Gesetz. Auch wenn sie keine Konsequenzen aus dieser Frage zieht, so ist das doch ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass die Selbstjustiz sich dem demokratisch verabschiedeten Gesetz beugt.


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    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).