Julie Otsuka - Solange wir schwimmen / The Swimmer

  • Kurzmeinung

    towonder
    Sehr verdichtete Sprache, viele Themen und Gedanken zur Demenz aber auch zum Umgang mit Veränderung (der Riss)!
  • Kurzmeinung

    drawe
    Ein Roman über die Demenzerkrankung der Mutter, in eigenwilliger Sprache, sehr lesenswert!

  • Zur Autorin:

    Julie Otsuka, geboren 1962 in Kalifornien, lebt heute in New York City und ist ehemalige Guggenheim-Stipendiatin. 2012 erschien im mareverlag ihr internationaler Bestseller »Wovon wir träumten«, der von Publikum und Presse hymnisch gefeiert wurde und für den die Autorin u.a. den PEN / Faulkner Award, den Prix Femina sowie gemeinsam mit ihrer Übersetzerin Katja Scholtz den Albatros-Literaturpreis der Günter-Grass-Stiftung erhielt.


    Zur Übersetzerin:

    Katja Scholtz, geboren 1971, studierte englische und deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft in Freiburg, Aberdeen und Bonn. Sie lebt und arbeitet in Hamburg und übersetzte u.a. Werke von Gabriel Josipovici, Mary Lavin und Julie Otsuka ins Deutsche. Für ihre Übersetzung von »Wovon wir träumten« wurde sie 2014 gemeinsam mit der Autorin Julie Otsuka mit dem Albatros-Literaturpreis der Günter-Grass-Stiftung ausgezeichnet.



    Klappentext:


    In ihrem Schwimmbad fühlen sie sich zu Hause, hier können sie bei ihren täglichen Bahnen ihre Sorgen hinter sich lassen: Designer, Nonnen, Hundesitter, Veganerinnen, Polizisten, Professorinnen, Schauspieler...


    Bis eines Tages ein Riss erscheint – am Beckengrund, aber auch im Gedächtnis von Alice, die genau wie die anderen hier im Schwimmen stets Trost und Halt gefunden hat. Während sie bald nur noch in bruchstückhaften Erinnerungen schwimmt, versucht ihre Tochter, sich in ihre Mutter hineinzuversetzen, ihr Verhältnis zueinander neu auszuloten und Alice’ Leben Sinn und Zusammenhang zurückzugeben.


    Aus so unterschiedlichen wie verblüffenden Perspektiven und mit unvergleichlichem Gespür für das Komische im Tragischen schreibt Julie Otsuka über Liebe und Verlust, Trauer und Erinnerung, Mütter und Töchter und die große Frage, was wir unseren Eltern schuldig sind.


    Mein Hör-Eindruck:


    „Solange wir schwimmen“, ist die Welt in Ordnung. In einem unterirdischen Schwimmbad treffen die unterschiedlichsten Menschen zusammen, die aus unterschiedlichsten Gründen hier ihre Bahnen ziehen. Jeder hat seine feste Bahn, und es gibt Rituale und feste Regeln für das Miteinander. Im Tageslicht dagegen, oberhalb des Schwimmbads, erkennen sie einander oft nicht. Im Tageslicht wirken die Menschen oft ungelenk, teilweise übergewichtig, das Alter zeigt sich in Krähenfüßen im Gesicht – unten aber, im Schwimmbad, kommt ihr jugendliches Selbst wieder zum Vorschein. Sie sind beweglich, geschmeidig und anmutig. Sie fühlen sich in der geordneten Welt des Schwimmbads sicher und geborgen.


    Ein Riss im Boden des Schwimmbads bringt die Gemeinschaft zum Nachdenken, und letzten Endes ist es dieser Riss, der auch für die Erzählung einen Riss bedeutet: das Schwimmbad muss saniert werden, die Schwimmgemeinschaft bricht auseinander und zwingt die Schwimmer aufs Land. Der Riss im Boden ist zugleich ein Riss im Kopf der Alice. Ihre beginnende Demenz führt dazu, dass sie innerhalb der Familie nicht mehr betreut werden kann.


    Das Besondere an diesem Roman ist weniger das Thema Demenz, sondern die Art und Weise, wie die Autorin es erzählt. Wie in ihrem ersten Roman wählt sie wieder das chorische Sprechen, und zwar einmal für die Schwimmenden, und dann für die Betreuer im Heim, die sich in Form einer Hausordnung an Alice wenden. Die Heimordnung ist streng, und es wird deutlich: Alice hat keine Zukunft mehr.


    Im 3. Teil kommt die Tochter zu Wort. Sie sucht nach Ursachen der Demenz-Erkrankung in der Lebensführung der Mutter und erinnert sich an erste Gedächtnisausfälle und andere Merkwürdigkeiten, wie z. B. das stereotype Wiederholen ein- und derselben Geschichte. Dazu kommen Vorwürfe wegen eigener Versäumnisse. In diesem Teil verschwindet das chorische Sprechen, aber nach wie vor ist das Erzählen stark rhythmisiert. Mit vielen Anaphern wie „Sie weiß noch“ und dann „Sie weiß nicht mehr“ macht die Erzählerin den Fortgang der Krankheit klar, bis ihre Mutter schließlich in Sprachlosigkeit und Apathie versinkt.


    Das rhythmisierte Sprechen führt zu einer nüchternen und klaren Sprache, in der kein Wort zuviel gesprochen wird. Umso eindringlicher wirken kleine Szenen der liebevollen Zuwendung zwischen Mutter und Tochter, und am Schluss meint man als Leser einen hoffnungsvollen Augenblick lang, dass diese Liebe die Krankheit überwinden kann.


    Ein berührender Roman über Familie und Verantwortung.


    Das ungekürzte Hörbuch wurde eingelesen von Sascha Icks, die mit ihrer kultivierten Stimme, die besondere bedrängende Wirkung des chorischen Sprechens perfekt wiedergibt und der Mutter eine eigene Stimme verleiht, ohne gekünstelt oder aufgesetzt zu wirken.


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    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Julie Otsuka - Solange wir schwimmen“ zu „Julie Otsuka - Solange wir schwimmen / The Swimmer“ geändert.