Original: 15.Juni 2022
KLAPPENTEXT:
14. Juli 2021. Eine Katastrophe biblischen Ausmaßes zerstört im Westen Deutschlands einen ganzen Landstrich. Mit am stärksten betroffen ist das Ahrtal. Durch die engen Gassen tost eine Flutwelle der Vernichtung. Sie kostet Leben, zerstört Existenzen. Dort, wo sonst eher idyllische Weinberge und malerische Orte das Bild prägen, findet sich am Tag danach Schlamm, Müll, Verwesung. Und Überlebende im Ausnahmezustand – bis heute. Seit der Flutnacht steht Jörg Meyrer als Seelsorger zusammen mit Kolleginnen und Kollegen den Menschen zur Seite: „Einfach da sein. Ganz praktisch. Und zuhören, wie die Menschen ihre Flutgeschichten erzählen.“ Mehr war nicht möglich. Und dann: Aushalten, wenn die Tränen kommen und Verzweiflung aufsteigt angesichts der Aufgabenberge. Ungeschönt ehrlich erzählt Jörg Meyrer von Menschen, Begegnungen, praktischer Hilfe, seinen Zweifeln und seinem Schweigen gegenüber Gott, der ungeahnten Hilfsbereitschaft anderer und der Hoffnung, die viele im Zusammenhalten finden. Zitat: „Der Zusammenhalt ist das hellste Licht“ Jörg Meyrer.
BEMERKUNGEN:
Jörg Meyrer, Jahrgang 1962, ist Priester des Bistums Trier und seit August 2002 Pfarrer in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Seit der Flutkatastrophe im Juli 2021 ist sein Alltag als Seelsorger im Ausnahmezustand (biographische Angaben bei Amaz). Ihn erreichte die Katastrophe in jener Nacht in seinen eigenen vier Mauern und dann schnell, draussen unterwegs, im Kontakt mit den Allernächsten. Mit ihm erahnen wir die Urgewalt von Naturkräften, die alle Vorstellung übersteigt. In nächster Nähe werden Hunderte Menschen Opfer der Flutwelle, verlieren ihr Leben oder Hab und Gut. Mit anderen zusammen stemmt sich Jörg Meyrer gegen die Sinnlosigkeit an, ist aber gleichzeitig auch ohne Fragen auf die Warums und den Sinn. Nun ist Präsenz gefragt, schlichte Gegenwart. Was dabei erstaunt, mitten im Zusammenbruch, sind Zeichen der Hoffnung durch erlebte Solidahrität und Zusammenhalten. Nie schien ein mögliches Zusammenleben aufrechter und fruchtbarer.
Ich erlebte diese Katatstrophe “von Weitem”, so wie derzeit wohl das schreckliche Erdbeben in der Türkei und Syrien, oder, anders geartet, der schreckliche Krieg in der Ukraine. Wir hören dabei viel von Untergang, Apokalyptischem, Unerträglichem. Dennoch habe ich inzwischen durch engagierte Freunde gerade an solchen Orten immer wieder auch hören können, wie diese “Nächte der Menschheit” auch das Beste hervorrufen.
Jörg Meyrer gelingt dies auf gute Weise darzustellen.
Dieser “Psalm” von Stephan Wahl, der ebenfalls aus dem Ahrtal kommt, begleitet Jörg Meyrer in seinen Gedanken:
Ahr-Psalm
Schreien will ich zu dir, Gott, mit verwundeter Seele, doch meine Worte gefrieren mir auf der Zunge.
Es ist kalt in mir, wie gestorben sind alle Gefühle, starr blicken meine Augen auf meine zerbrochene Welt.
Der Bach, den ich von Kind an liebte, sein plätscherndes Rauschen war wie Musik, zum todbringenden Ungeheuer wurde er, seine gefräßigen Fluten verschlangen ohne Erbarmen.
Alles wurde mir genommen. Alles! Weggespült das, was ich mein Leben nannte …
Wo warst du Gott, Ewiger, hast du uns endgültig verlassen? … Dein Schweigen quält meine Seele, ich halte es fast nicht mehr aus. Wie sich Schlamm und Schutt meterhoch türmen, in den zerstörten Straßen und Gassen und deren Schönheit sich nicht mehr erkennen lässt, so sehr vermisst meine Seele dein Licht …
Auch wenn du mir rätselhaft bist, Gott, noch unbegreiflicher jetzt, unendlich fern, so will ich dennoch glauben an dich, widerständig, trotzig, egal, was dagegen spricht … Würdest du doch nur endlich dein Schweigen beenden, doch ich halte es aus und halte dich aus, oh Gott.
Halte du mich aus!
Und halte mich, Ewiger!
Halte mich!
Publisher : Bonifatius; 1st edition (15 Jun. 2022)
Language : German
Hardcover : 224 pages
ISBN-10 : 3897109344
ISBN-13 : 978-3897109346
Dimensions : 14.1 x 2.5 x 22 cm