Daniel Glattauer - Die spürst du nicht

  • Kurzmeinung

    Luli
    Beklemmend, entlarvend, nachdenklich machend. Sprachlich wie gewohnt auf die 12. Sehr gut gelesen.
  • Kurzmeinung

    FionaHein
    Ein beeindruckendes tiefgehendes Buch was einen bleibenden Eindruck hinterlässt
  • Literarische Perle


    Daniel Glattauer kredenzt ein Werk. Ich durfte es dank Verlag und vorablesen.de schon vor Erscheinen verschlingen und genießen. Dafür Danke.

    Der Klappentext verspricht mit dem Blick auf ein "Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft" nicht zu wenig. Es ist ein Spiegel, in den jede/r Lesende blicken und dessen Bild sie/er sich stellen muss.

    Doch zunächst lesen wir amüsiert die Urlaubsankunft der Familien Strobl-Marinek und Binder in der Toskana. Eine Villa mit Pool. In spöttisch-ironischem Unterton lernen wir die Protagonist:innen kennen und beobachten ahnungslos, wie sie in die Katastrophe steuern.

    Der Atem stockt. Und dann ist da ein Haufen Scherben, der nicht so wirklich unter den Teppich passen will.

    Die Suche nach Staubsauger oder Schaufel und Besen hält einige Wendungen und viele sprachliche Rafinessen bereit. Immer wieder zückt der Autor in solchen Momenten oben benannten Spiegel.

    Oskar lässt er über Geflüchtete sagen "...Bei uns zu sein heißt noch lange nicht, zu uns zu gehören oder gar uns zu gehören" (S.27)

    Und später, auf S. 268 wird Wilenitsch sagen: "Die sind zwar auch unter uns, aber nur scheinbar mitten unter uns. Sie sind unter uns in einem anderen Sinn: Sie sind darunter."

    Es sind diese wie spielerisch vorgebrachten Sprachakrobatiken und das virtuose Spiel mit Erzählstilen, die das Buch zu einer Perle machen. Und die treffen und nachdenklich machen.

    Dazu natürlich die feine Beobachtung der Protagonist:innen, die der Autor in einer wohl proportionierten Mischung aus sachlich-distanzierter Schilderung und subtil-ironischer Kommentierung (häufig in Form von Anmerkungen und Nebensätzen) verteilt.

    Alle sind dabei. Mitglieder der als "bürgerliche Mitte" wahrgenommenen Wohlstandsgesellschaft, die Presse, Justiz, ein Anwalt mit einem schlechten Namensgedächtnis, Soziale Medien (wo jede/r kommentieren darf und leider auch "muss"). Und die, die man nicht spürt. Dies alles in vielfältigen Schattierungen auszuleuchten und auf 300 Seiten zu packen, sodass man es in einem Ruck runterlesen will oder muss, ist große zeitgenössische Literatur.

    Zum Schluss dreht es zwar fast in eine Schnulze ab, aber Herr Glattauer bekommt grad noch die Kurve.

    Schade, dass ich nur 5 Sterne vergeben kann.

  • Das Buch erscheint am 20. März, ist jetzt schon die Veröffentlichung der Rezension erlaubt (ausser auf vorablesen natürlich) ?

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Das Buch erscheint am 20. März, ist jetzt schon die Veröffentlichung der Rezension erlaubt (ausser auf vorablesen natürlich) ?

    Zitat

    15. Muss ich die Sperrfrist der Bücher beachten?

    Nein. Sofern nicht anders von uns angegeben, können Sperrfristen getrost ignoriert werden. Das gilt sowohl für Rezensionen auf Vorablesen als auch für Rezensionen auf anderen Plattformen.

    Ob es außerhalb der Plattform Vorablesen sinnvoll ist, ist allerdings eine andere Frage.



    Zitat

    Oskar lässt er über Geflüchtete sagen "...Bei uns zu sein heißt noch lange nicht, zu uns zu gehören oder gar uns zu gehören" (S.27)

    Und später, auf S. 268 wird Wilenitsch sagen: "Die sind zwar auch unter uns, aber nur scheinbar

    StepfelLiest

    Was sind das für Links - könntest du den Text evtl. auch in Anführungszeichen zitieren?

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Gerade habe ich mit diesem Buch begonnen und ganz vorne steht, ich zitiere

    Zitat

    Wir bitten Sie, Rezensionen nicht vor dem 20.3.2023 zu veröffentlichen. Wir danken für Ihr Verständnis.

    StepfelLiest , das hast Du wahrscheinlich übersehen :-k

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Ergreifend


    Wow - das Buch hat mich sehr bewegt und lässt mich mit vielen Emotionen zurück - Verwirrung, Trauer, Entsetzen, sind nur einige Begriffe die mir einfallen.
    Es fängt alles so gut und harmlos an: Der Familienurlaub steht an, verschiedene Familien verreisen gemeinsam mit ihren Kindern nach Italien. Mit an Bord ist auch ein Flüchtlingskind, das eine Schulkameradin einer der Töchter ist.
    Eine gute Tat, das Kind mitzunehmen, das denkt sich jeder. Bis es zu einem entsetzlichen Unfall kommt, der alle in eine Situation bringt, in der sie sich nie wiederfinden wollten und zugleich viele Fragen aufwirft.

    Der neue Roman von Daniel Glattauer ist aufwühlend und zerreißt die Vorhänge des wohlen Scheins. Es wechseln die Perspektiven auf das Geschehene, mal spricht die Mutter, mal die Tochter, mal werden Tweets und Zeitungsartikel zitiert.

    Das Buch ist sicherlich keine leichte Kost und auch kein Wohlfühlroman, der so dahinplätschert. Eher ein Buch, das den Leser noch lange nach dem Zuklappen beschäftigt und in die Seite zwickt.

  • Inhalt :


    Die Binders und die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven Urlaub in der Toskana. Tochter Sophie Luise, 14, durfte gegen die Langeweile ihre Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune gechillt, kommt es zur Katastrophe. Was ist ein Menschenleben wert? Und jedes gleich viel? Daniel Glattauer packt große Fragen in seinen neuen Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und in dem er all sein Können ausspielt: spannende Szenen, starke Dialoge, Sprachwitz. Dabei zeichnet Glattauer ein Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft, entlarvt deren Doppelmoral und leiht jenen seine Stimme, die viel zu selten zu Wort kommen.


    Über den Autor :


    Mit seinem Buch "Gut gegen Nordwind" gelang dem österreichischen Schriftsteller Daniel Glattauer der Sprung auf die Bestsellerlisten. Der 1960 in Wien geborene Autor studierte nach seiner Matura Kunstgeschichte und Pädagogik.


    Allgemeines :


    Erscheinungstermin : 20. März 2023, Verlag Paul Zsolnay, Hardcover, 304 Seiten


    Meine Meinung :


    Das Cover gefällt mir aufgrund der Farbe sehr gut.


    Das Buch ist trotz der traurigen Thematik und des tödlichen Unfalls angenehm zu lesen. Der Autor schreibt wie immer flüssig und mit einem Quäntchen Humor.


    Es ist schon interessant, wie man Entschuldigungen findet, um sich keine Vorwürfe machen zu müssen. Das Mädchen, welches ihre Schulkameradin in die Ferien eingeladen hat, behauptet plötzlich, dass sie Aayana gar nicht richtig gekannt hätte und sie eigentlich gar nicht ihre Freundin gewesen wäre. Aber wahrscheinlich glaubt sie das selbst nicht.


    Befremdlich finde ich, dass die Eltern von Sophie Luise nicht mal die Familie des Opfers kontaktieren. Es ist klar, dass hier Verständigungsprobleme herrschen. Aber nach zwei Jahren Aufenthalt im Land sollte zumindest der Sohn ein paar Kenntnisse haben. Und es gibt ja auch Dolmetscher.


    Diese Einschübe mit Forenbeiträgen finde ich ziemlich nervend, obwohl natürlich zutreffende Beiträge dabei sind. Die Protagonisten sind mir teilweise ein bisschen zu klischeelastig.


    Die Forderung nach einer hohen Summe Schmerzensgeld der Opferfamilie kommt sehr unerwartet und reisst sozusagen alte Wunden der beiden Urlauber-Familien wieder auf. Da die «Sache» gerichtlich nicht weiterverfolgt wurde dachten alle, das Ganze wäre mehr oder weniger überstanden und man bräuchte nicht mehr daran zu denken. Dies ist wohl nur sehr schwer machbar, wenn einem so etwas passiert. Und dann glauben sie oft, dass Geld Ihre Schuld bzw. Gewissensbisse tilgen kann. Wahrscheinlich ist es so, dass der Gesellschaft der Tod eines Kindes aus Somalia nicht so nahe geht wie der Tod eines Kindes aus dem eigenen Land.

    Was ich mich allerdings frage ist, wie kann man ein Kind, das man nicht kennt, mit in den Urlaub nehmen ohne auch nur mit den Eltern gesprochen zu haben ? Für mich ist dies unvorstellbar.


    Auch das Drogenproblem der Jugend ist ein kleiner Teil des Buches. Wahnsinn, was so ein paar blaue Pillen mit den Kids macht.


    Ich möchte nicht zuviel verraten, nur noch, dass die trauernde Familie aus Somalia gegen Ende des Buches Gelegenheit bekommt, die Odyssee ihrer Flucht der Öffentlichkeit mitzuteilen. Ein sehr trauriges Kapitel.


    Fazit : Ein gut und flüssig geschriebenes Buch mit amüsanten Einschüben über ein aktuelles Hauptthema sowie andere angesprochene Themen, das von mir 4 Sterne bekommt.

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Eine Geschichte, die noch lange nachwirkt

    Zwei gut betuchte, befreundete Familien verbringen ihren Urlaub gemeinsam in der Toskana. Zu dem luxuriösen Urlaubsdomizil gehört auch ein Pool, „vermutlich der größte private in der gesamten Toskana“. Mit von der Partie ist das somalische Flüchtlingsmädchen Aayana, das mit Sophie Luise, der 14jährigen Tochter der einen Familie, in eine Klasse geht. Eigentlich haben die beiden Mädchen herzlich wenig gemeinsam, doch Sophie Luise hat es sich zum Ziel gesetzt, der schüchternen Aayana im Urlaub das Schwimmen beizubringen. Außerdem plant sie, sich in den sozialen Medien gemeinsam mit der dunkelhäutigen Aayana in Szene zu setzen, das wird mit Sicherheit Aufmerksamkeit und jede Menge Likes generieren!


    Kurz nach der Ankunft der Familien kommt es zu einer Tragödie, die das Leben aller Beteiligten für immer verändern wird.


    „Die spürst du nicht“ ist ein sehr vielschichtiges Buch. Wir erleben die Geschehnisse aus verschiedenen Perspektiven und lernen die Beteiligten und ihre Art und Weise, mit der Tragödie umzugehen, kennen. Während die einen „die Angelegenheit“ so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen, werden andere, vor allem Sophie Luise, völlig aus der Bahn geworfen. Erschreckend ist, dass zunächst Aayanas Familie und ihre Gefühle völlig außen vor bleiben. Das ändert sich, als sich ein Anwalt einschaltet, der vor Gericht eine hohe Schadenersatzsumme für die somalische Familie einklagen will. Die Medien, die das Vorkommnis eigentlich bereits ad acta gelegt hatten, wittern eine gute Geschichte, zumal eine bekannte Politikerin zu den Beklagten gehört. Auch in den sozialen Medien schlägt der Fall nun hohe Wellen, und wie üblich äußern sich alle möglichen Leute mehr oder minder abwertend bis hin zu schadenfreudig und menschenverachtend.


    Mich hat dieser Roman, der sich spannend wie ein Krimi liest und gleichzeitig der Gesellschaft einen Spiegel vorhält, fasziniert. Manche Bücher vergisst man sofort, nachdem man die letzten Seiten gelesen hat, dieser Roman hat mich noch lange gedanklich beschäftigt. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Zwei gutsituierte österreichische Familien fahren gemeinsam in den Sommerurlaub in die Toskana. Mit dabei ist Aayana, eine Freundin der 14jährigen Tochter Sophie-Louise und Flüchtlingskind aus Somalia. Der erste Ferientag verläuft geruhsam im Feriendomizil mit Pool, bis am Abend ein Unglück geschieht, das alles verändert.


    Die Geschichte beginnt als herrlich bissige Gesellschaftssatire und wechselt nach dem Unglück etwas den Ton, die ironische Note tritt in den Hintergrund. Der Roman beleuchtet unseren Umgang als Gesellschaft und als Einzelne mit Migranten und Migrantinnen, geprägt von mangelnder echter Empathie, herablassender Ignoranz und kulturellen Missverständnissen.


    Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Tochter Sophie-Louise und ihre Mutter Elisa, die für die Grünen im Nationalrat sitzt. Die Erzählung wird immer wieder ergänzt durch Onlineberichte diverser Medien und zugehörige Postings, die sehr gut getroffen sind. Jede Figur hat ihre eigene Art, mit dem Unglück umzugehen, doch drehen sie sich alle im Grunde nur um sich selbst und ihre eigenen Befindlichkeiten.


    Die Charaktere sind scharf getroffen, der Schreibstil ist toll zu lesen. Leider ist der Part um Sophie-Louise recht vorhersehbar. Die Beschreibung der somalischen Familie empfinde ich als weniger gelungen, die Figuren wirken unrund und ihr Verhalten wenig glaubwürdig.


    Zum Hörbuch: Das ungekürzte Hörbuch mit einer Laufzeit von 8h 47 min wurde von Tessa Mittelstaedt und Steffen Groth eingesprochen, wobei Frau Mittelstaedt die eigentliche Geschichte vorträgt und Herr Groth die Passagen, die Presseberichte und zugehörige Postings beinhalten. Diese Aufteilung ist eine tolle Idee und sehr gelungen umgesetzt. Beide haben eine sehr angenehme Stimme und ein gutes Sprechtempo. Herr Groth trifft genau den richtigen Presse-Ton und spricht auch die einzelnen Postings und Kommentare facettenreich und teilweise mit wunderbarem Wiener Dialekt. Ein echter Zugewinn zum reinen Buch! Auch Frau Mittelstaedt verstimmlicht jede Figur gekonnt und verleiht ihr eine individuelle Note.


    Insgesamt eine interessante, außergewöhnliche und zum Nachdenken anregende Geschichte und ein sehr empfehlenswertes Hörbuch mit hervorragenden Sprechern.

  • Wenn ein Urlaub zum Alptraum mutiert


    Um ihrer 14-jährigen Tochter Sophie-Luise einen Gefallen zu tun, nimmt die bekannte Grünen-Abgeordnete Elisa Strobl-Marinek, deren neue Klassenkameradin Aayana Ahmed, ein somalisches Flüchtlingskind, mit in den Familienurlaub in die Toskana. Neben den vier Strobl-Marineks, ist auch eine befreundete Familie mit von der Partie. Doch schon am Ende des ersten Tages nimmt der entspannte Urlaub in der Ferienvilla eine dramatische Wendung, der für alle Beteiligten zu einem traumatischen Ereignis wird!


    Schon beim Start ins Buch „Die spürst du nicht“ merkt man, hier hat man es mit einem Daniel Glattauer zu tun. Die Geschichte wird dem Leser auf eine für ihn typisch und einzigartige Weise präsentiert. Zu Beginn fühlt man sich ein wenig wie ein Voyeur, denn er seziert seine Figuren, betrachtet sie aus einer Art Vogelperspektive und charakterisiert sie gnadenlos. Auch das Geschehen wird oft aus diesem Blickwinkel betrachtet. Mehrmals wechselt die Perspektive und Glattauer konzentriert sich auf die Empfindungen seiner Hauptakteure, die allesamt durch das tödliche Unglück aus der Bahn gerissen werden. Zwischendurch erfährt man durch Pressemitteilungen, die mediale Auswirkung des Falls, durchweg kommentiert, als wäre man plötzlich mitten in einer Social Media Anwendung gelandet. Diese abwechslungsreiche Darstellung geben der dramatischen Geschichte eine eigene Dynamik, wobei auch, trotz des recht ernsten Themas nicht an Humor gespart wird. Der Tragik der Geschehnisse macht dies keinen Abbruch, der Eindruck dies könnte genau so geschehen sein ist groß und erschreckend! Die Handlung erinnert im weiteren Verlauf sogar ein wenig an Shakespeare und eine moderne Variante von Romeo und Julia, bedrückend und berührend.

    Den Titel finde ich treffend gewählt, denn diese Aussage gilt für die beiden Mädchen, für die privilegierte Sophie Luise und ihre arme Freundin Aayana. Auch das Cover ist perfekt, ein Hingucker.


    Mein Fazit:

    Ein überaus spannendes, erschütterndes und intensives Buch, das unserer Gesellschaft einen Spiegel vorhält. Die ganze Sache wird umwerfend erzählt und wirkt unglaublich tragisch, egal von welchem Standpunkt aus betrachtet. Mir haben die vielen unterschiedlichen Blickrichtungen sehr gut gefallen, sie geben der Geschichte ihre aktuelle Brisanz. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :study:

  • Einfach nur wow!


    Die österreichischen Familien Strobl-Marinek und Binder fahren gemeinsam in den langersehnten Toskana-Urlaub. Damit Tochter Sophie Luise (Solu) sich nicht langweilt, darf ihre Freundin Aayana mitfahren, die aus einer somalischen Flüchtlingsfamilie kommt. Solu hat sich vorgenommen, ihr im Urlaub das Schwimmen beizubringen. Genau genommen war der Feriengast ihre Bedingung, damit sie überhaupt mit in den Familienurlaub startet.

    Mutter Elisa Strobl-Marinek ist Grünen Politikerin im Nationalrat und steht vor einer Karriere als Ministerin. Das begleitende Paar Binder ist ebenfalls wohlhabend und führt eine angesehene Weinbau-Dynastie.

    Der Urlaub hat noch nicht mal richtig angefangen, da kommt es schon zur Katastrophe...


    Wo fange ich nur an bei diesem wunderbaren Buch? Sogar das Cover ist ausnehmend gut gewählt und passt wie die Faust aufs Auge!

    Glattauer gestaltet auf den ersten Seiten den Lesenden erst einmal eine Art Bühnenbild nebst ausführlicher Beschreibung sämtlicher Urlaubs-Protagonisten. Diese Ausführungen schafft Glattauer in einer unbeschreiblich lockeren und auch amüsant-schrägen Weise, die ich schon fast typisch österreichische Schreibweise nennen möchte. Ich liebe diesen Stil - er trifft genau meinen Humor. Die Dialoge stimmen auf den Punkt! Nicht ausufernd sondern immer knackig kurz und teils auch recht bissig.

    Mit der Katastrophe beginnt die eigentliche Story und das Geschehen nimmt seinen Lauf. Und hier vollbringt Glattauer ein echtes Kunststück. Er verwebt die unterschiedlichen Lebensläufe und das soziale Umfeld zu einer fesselnden Geschichte. Immer wieder zwischendurch Medienveröffentlichungen, zu denen mal mehr, mal weniger Kommentare aus den sozialen Medien folgen. Hier brauchte er sicher nicht viel Phantasie, denn sie sind ganz ähnlich täglich zu finden. Wobei er auch hier einen humorvollen Ton nicht vermissen lässt.

    Mehrfach wechselt die Perspektive und man kann verfolgen, wie alles immer mehr auf den Abgrund zu treibt. Für verschiedene Protagonisten, denn alle sind durch das Erlebte im Grunde ihres Herzens erschüttert. Und jeder geht anders damit um - und de facto niemand wirklich richtig. Die Herren verdrängen und tun alles einfach als Unfall ab. Die Damen zerreißt es zwischen Schuldgefühlen und Angst vor Repressalien. Die Tochter sucht ihr Heil in sozialen Medien und verwechselt virtuelle mit tatsächlicher Realität.

    Erst ganz gegen Ende blättert uns Glattauer auf, was das Geschehen denn eigentlich mit der am schlimmsten betroffenen Familie Ahmed gemacht hat; was das Schicksal überhaupt schon mit den Ahmeds so alles gemacht hat. Und das war für mich ein Glanzstück der besonderen Art.


    Ich bin sicher, dass dieses Buch verfilmt werden wird! Für mich das Highlight dieses bisherigen Jahres. Bravo, Herr Glattauer!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Auf den ersten Seiten stellt Glattauer seine Protagonisten vor, ausgesprochen launig und spitzzüngig. Ganz nach meinem Geschmack und ich dachte, das geht so weiter, der Klappentext hält sich ja ziemlich zurück bezüglich des Inhalts. Aber nach relativ kurzer Zeit das Break und sowohl die Geschichte als auch die Erzählweise entwickeln sich anders als nach dem Einstieg vermutet.


    Gerade zu Anfang werden einige Klischees bedient und Manches überzeichnet, doch das habe ich nicht als störend empfunden. War ein bisschen zum Schmunzeln und hat für mich die Figuren, vor allem ihre Entwicklung im weiteren Geschehen greifbar und noch interessanter gemacht.


    Insgesamt konnte mich das Buch sowohl sprachlich als auch erzählerisch überzeugen. Eine Zeit lang fand ich die Presseartikel samt der dazu geposteten Kommentare befremdlich bis nervig, auch wenn es dem Zeitgeist entspricht, mag ich so was nicht besonders. Hier vielleicht auch wegen der Distanz, die dieses Stilmittel jedes Mal geschaffen und meinen Lesefluss unterbrochen hat. Rückblickend kann ich jedoch sagen, dass es der Spannung dann doch keinen Abbruch getan hat, im letzten Drittel konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Und irgendwie hat es gepasst, dieses Hin und Her von intensiv bei dem jeweiligen Protagonisten sein um sich dann plötzlich außen vor zu finden. Am Ende habe ich es jedenfalls nicht mehr als Manko empfunden.


    Es ist ein aktueller und berührender Roman, zu dessen Inhalt man kaum etwas schreiben kann ohne zu spoilern, vermutlich ist auch deshalb der Klappentext so knapp ausgefallen. Liest sich gut, und obwohl sich die Geschichte langsam aber sicher in eine bestimmte Richtung bewegt, konnte sie mich immer wieder überraschen.


    Ein Buch, das vielleicht nicht nur die Protagonisten aus ihrer Komfortzone holt, das aufrüttelt und nachdenklich macht und hoffentlich von vielen Menschen gelesen wird.

  • In seinem neuen Roman "Die spürst du nicht" erzählt Daniel Glattauer eine Geschichte über drei Familien.

    Aayana, ein Mädchen, das vor zwei Jahren mit seiner Familie aus Somalia nach Österreich geflüchtet ist, darf die Tochter der angesehenen Grünen-Politikerin Elisa Strobl-Marinek in den Familienurlaub begleiten. In der Toskana haben die Strobl-Marineks gemeinsam mit einer befreundeten Familie eine Villa gemietet. Aayana soll endlich schwimmen lernen, die Tochter beschäftigen und möglichst nicht auffallen. Doch es kommt anders: Das vierzehnjährige Mädchen ertrinkt im Pool. Obwohl die anwesenden Erwachsenen alles tun um sie zu retten, versucht man im Nachgang das Geschehene so schnell wie möglich abzuschütteln. Doch das gelingt nicht. Aayanas Tod wird nicht nur zu einem Fall für die Justiz, sondern erschüttert auch die sowieso schon brüchigen Familienkonstrukte in ihren Grundfesten.

    "Die spürst du nicht" Der Titel des Buchs ist insofern bezeichnend für den Roman, da er sich in weiten Teilen hauptsächlich um die reichen österreichischen Familien dreht, in deren Obhut Aayana gestorben ist. Das Mädchen und ihre somalische Familie spielen dabei kaum eine Rolle, der Text und die Sorgen der Protagonist*innen kreisen vor allem um sich selbst. Dabei wird die Geschichte von einem allwissenden Erzähler wiedergegeben, der das Geschehen kommentiert und einen entlarvenden Blick auf die agierenden Personen wirft. Die Handlung wird oft sehr szenisch dargestellt. Fast als würde man eine Theateraufführung beobachten. Diese Betrachtungen wechseln sich ab mit Dialogen, Transkripten aus Interviews und Kommentarspalten auf Nachrichtenseiten, die von Aayanas Tod berichten. Der außergewöhnliche Aufbau das Romans trägt dazu bei, dass er sich kurzweilig liest und bis zum Schluss spannend bleibt. Ich habe das Buch in wenigen Tagen gelesen. Wenn man erst einmal damit anfängt, entwickelt sich schnell ein Lesesog. Man möchte wissen, wie es weitergeht. Vielleicht auch angetrieben durch die Emotionen, die das Buch auslöst.

    Also was habe ich gespürt, während ich "Die spürst du nicht" gelesen habe?

    Vor allem Wut und Scham im Bezug auf die Familie Strobl-Marinek und ihr Umgang mit den Ereignissen. Der Geschichte gelingt es wirklich fantastisch, die Doppelmoral vieler westeuropäischer wohlstandsverwöhnter Menschen herauszuarbeiten. Einige der Protagonist*innen wirken dabei sehr realistisch, andere sind eher überzeichnet. Die Frauen kommen hier tendenziell etwas besser, bzw. ambivalenter weg, als die Männer.

    Natürlich ist "Die spürst du nicht" ein politischer Roman, der nicht davor zurückschreckt gerade im letzten Drittel auch entsprechende Aussagen zu tätigen. Man muss diesen nicht zustimmen, um das Buch zu mögen, sie sind aber allemal lesenswert.

    (Anmerken möchte ich an dieser Stelle, dass im Buch wenige Male das N-Wort in seiner ausgeschriebenen Form verwendet wird. Das halte ich generell und auch speziell in diesem Buch bzw. dem hier gezeigten Zusammenhang für überflüssig.)

    Den inhaltliche Ausgang der Geschichte habe ich als grundsätzlich rund und folgerichtig, vor allem im Bezug auf das Schicksal der somalischen Flüchtlingsfamlilie Ahmed, empfunden. In einigen Ansätzen wirkt er vielleicht etwas märchenhaft auf mich.

    Fazit: Mit "Die spürst du nicht" ist es Daniel Glattauer gelungen einen spannenden und gesellschaftlich sehr relevanten Roman zu schreiben, der mit Sicherheit viel Stoff bietet, über den es sich zu diskutieren lohnt. Es handelt sich um ein Buch, an dem sich einige Leser*innen mit Sicherheit aufreiben werden, das aber mit seiner offensichtlichen Mission, wohlhabende Menschen in ihrer Doppelmoral zu kritisieren, mit Sicherheit erfolgreich ist.

  • Ein beeindruckendes tiefgehendes Buch was einen bleibenden Eindruck hinterlässt


    Daniel Glattauers Bücher sind mir seit jeher im Gedächtnis geblieben. Sein Schreibstil ist einfach unglaublich mitreißend und packend und so war ich sehr gespannt auf sein neustes Werk.

    Und das Buch hat mich schlichtweg umgehauen! Daniel Glattauer schafft es viele wichtige Themen wie Vorurteile, die sozialen Medien, Flüchtlinge, Mobbing und Schuld in eine Geschichte einzuweben, die einen nicht mehr loslässt und noch lange in den Gedanken nachhallt.

    Die Familien Binder und Strobl-Marinek fahren gemeinsam in den Urlaub, in eine Luxus-Villa in der Toskana. Die Tochter Sophie Luise der Politikerin Strobel-Marinek möchte gerne ihre neue beste Freundin, das Flüchtlingsmädchen Aayana, aus ihrer Schulklasse mitnehmen und ihr Schwimmen beibringen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelingt die Unternehmung. Es kommt zu einer Tragödie ...das Flüchtlingsmädchen ertrinkt. Im weiteren Verlauf der Geschichte geht es darum, wie die Familien, die Medien und die Schulkameraden mit dieser Tragödie umgehen.

    Der Autor hat vielschichtige Charaktere geschaffen, die man so nicht erwartet hätte. Dies führt zu Konflikten, spannenden Momenten und oft auch zu einem Kloß im Hals. Daniel Glattauer schafft es zudem die Geschichte sehr abwechslungsreich zu gestalten, indem er die verschiedenen Parteien auf unterschiedliche Art und Weise zu "Wort" kommen lässt, sei es durch Posts in sozialen Netzwerken, Medienbeiträge oder durch Kommentare.

    Die Geschichte hinterlässt auf alle Spuren in einem selbst, regt zum Nachdenken und Reflektieren an und spiegelt viele Probleme in unserer Gesellschaft wider. Zudem ist der Schreibstil einfach mitreißend. Trotz der sehr ernsten, traurigen und auch oft schockierenden Tatsachen schafft es Daniel Glattauer immernoch Humor miteinfließen zu lassen, der nie fehl am Platz ist.

    Das Buch ist nichts für schwache Nerven, jedoch bleibt es einem lange im Gedächnis.

  • konnte mich nicht überzeugen - 3 Sterne


    Worum geht es?

    Zwei Familien aus Österreich fahren in einen Luxus-Urlaub in die Toskana. Mit dabei auch eine Klassenkameradin der Tochter, Aayana aus Somalia. Mehrere Menschen sehen sie als ein leibhaftig gewordenes Hilfsprojekt, bis dann alles schief geht.


    Worum geht es wirklich?

    Ansehen, Außenwirkung und Ignoranz.


    Lesenswert?

    Nein, konnte mich nicht begeistern. Teilweise schwer beschreibbar ohne Spoiler.

    Der Beginn ist eher zum schämen, wenn man beim Lesen miterleben muss, wie die beiden Familien mit Aayana umgehen, wie über sie und ihre Familie geredet wird. Die österreichischen Personen werden dabei überspitzt und karikaturhaft gezeigt, was natürlich unterhaltsam ist, aber eben auch Fremdscham auslöst.

    Aayana hingegen tritt kaum in Erscheinung und so wird es auch den größten Teil des Weiteren Buches bleiben: Im Mittelpunkt stehen ständig die beiden Familien und ihr Umgang mit dem Ereignissen, ihre (überzeichneten) Sorgen und ihre kleinen unfassbaren Probleme, ihre Arroganz.

    Aayanas Familie hingegen ist bis auf wenige Ausnahmen passiv und bleibt im Hintergrund, meist wird über sie und nicht mit ihnen geredet.

    Während ich den Schreibstil mag und mir die überspitzen Protagonist*innen auch durchaus gefallen haben, frage ich mich aber, an welchem Punkt es denn zutrifft, dass hier „denen eine Stimme verliehen wird, die sonst keine haben“. Ist es ein Stilmittel, dass genau das eben nicht passiert? Oder reicht eine kurze Erklärung der Fluchtgeschichte aus, damit man sehen soll, dass die Familie ja auch Menschen sind?

    Der weitere Verlauf der Handlung orientiert sich dann an vielen Klischees und unglaubwürdigen Zufällen. Auch hier ist mir die Intention nicht klar. Soll das wirklich eine überraschende Entwicklung sein? Ist es ein nicht erkanntes Stilmittel?

    Eventuell begreife ich einfach nicht, was mir der Autor damit vermitteln möchte. Denn schlussendlich kann ich eigentlich nur sagen, dass genau die hier im Mittelpunkt stehen und eine Stimme bekommen, die es auch sonst bekommen: Reiche, in westlichen Ländern geborene, weiße Menschen.

  • Das Zweitwichtigste bei einer Aussage ist der Wahrheitsgehalt


    Welchen moralischen Dilemmata die Menschen der reichen Länder in der heutigen Zeit ausgeliefert sind: dieses brisante Thema greift Glattauer in diesem Buch auf, indem er einen Einzelfall einmal wieder so auf den Punkt bringt, dass man hinterher gar nicht mehr weiß, was gut und richtig ist. Und dafür lese ich solche Romane, denn sie zeigen auf, wie komplex das gesellschaftliche Getriebe ineinandergreift und dass es keine einfachen Lösungen gibt, wie manche Gruppierungen es wünschen.


    Dass er ausgerechnet eine Politikerin der Grünen in den Fokus stellt, ist kein Zufall, denn mehr als alle anderen werden diese an ihren Grundsätzen gemessen. Die einzelnen Charaktere mit jeweils deutlich mehr Schwächen als Talenten arbeitet Glattauer farbig heraus, genauso wie das Räderwerk, in das sie alle verflochten sind. Ich vermute, dass das österreichische Rechtssystem ähnlich funktioniert wie das deutsche, denn an dem Gerichtsverfahren rollt sich der Unglücksfall noch einmal auf und wird mehr oder weniger wahrheitsgemäß beleuchtet.


    Interessant finde ich die Rolle der sozialen Netzwerke, einerseits in der Beziehungsanbahnung des mysteriösen Pierre zu Sophie, andererseits aber auch in der Rolle der Medien und da ganz besonders die Kommentare, die wie der Chor in der antiken Tragödie ein Gemurmel im Untergrund ergeben und Erschreckendes zum Vorschein bringen.


    Auffällig blass erscheint die Familie aus Somalia, aber das entspricht auch dem Titel des Werks, bis sich am Ende deren erschütternde Geschichte enthüllt und aus dem über weite Strecken sarkastischen Text ein humanitärer Weckruf wird.


    Ich habe diesen aktuellen Roman, der mit ganz viel Diskussionsstoff aufwartet, mit großem Interesse gelesen.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Zwei wohlsituierte Familien aus Wien machen in der Toskana gemeinsam Urlaub. Mit dabei sind deren Kinder und ein somalisches Flüchtlingskind, die Freundin von Sophie Luise, ohne die sie nicht mitgefahren wäre.


    Sie war die erste überhaupt, die sich für Aayana zu interessieren begann. Und sie beschloss bald, sie zu ihrer neuen besten Freundin zu küren. Sie würden ein megacooles, ja ein geradezu krass ungleiches Paar abgeben, das nach Fotoserien auf Instagram und vielleicht sogar nach You-Tube-Videos schrie.


    Es war recht schwierig die somalische Familie zu überzeugen, dass ihre Tochter einen schönen Sommerurlaub in der Toskana verbringen und bei der Gelegenheit Schwimmunterricht von Sophie Luise bekommen wird. Aayana ist ein schüchternes hübsches Mädchen, das sehr ruhig und zaghaft anmutet. Man spürt sie nicht!

    Dass Aayana Angst vor dem Wasser hat, schränkt Sophie Luise in ihrem Schwimmunterrichtswahnsinn kaum ein. Sie meint es gut mit ihr und verspricht ihr Freiheit, zumindest im Schwimmbadwasser.

    Im Haus wird das Abendessen zubereitet während Sophie-Luises Mutter auf dem Liegestuhl am Pool schläft. Dass Aayana fehlt, fällt nicht auf. Das Mädchen schleicht sich aus dem Haus um im Pool die Freiheit zu probieren. Die Katastrophe bricht herein.


    Im Mittelmeer ertrinken jährlich tausende Flüchtlinge, das kümmert mittlerweile kein Schwein mehr. Dann verirrt sich einmal ein Migrantenkind in einen vornehmen Swimmingpool einer bekannten Grün-Politikerin und geht dort unter, und die mediale Welt steht Kopf bei uns. Wir sein schon eine kranke Gesellschaft!


    Meine persönlichen Leseeindrücke

    Im Südtiroler Sprachgebrauch versteht man unter „die spürt man nicht“ Personen (singular oder plural ist egal), die zwar zugegen sind, aber sich so ruhig und unauffällig verhalten, dass man ihre Anwesenheit nicht bemerkt; sie stören nicht! Und genau in diesem Sinne ist dieser Roman zu verstehen, denn es geht um Menschen, die zwar da sind, aber deren man sich nicht bewusst wird, weil sie unbemerkt bleiben.


    Niemand wagt sie anzusprechen. Sie sind unantastbar. Man kann zwar ahnen, war in ihnen vorgeht, aber man fühlt es nicht. Sie sind kein gutes Motiv für Fotografen. Sie lassen keine legendigen Bilder zu.


    Darüber hinaus wirft das Buch die große Frage auf, was ein Menschenleben wert sein kann. Diesen Part übernimmt der schrullige, kauzige Rechtsanwalt der Flüchtlingsfamilie, der selbst ein Mensch ist, den man kaum spürt. Mit einem Clou schafft er es, die mediale Aufmerksamkeit auf den Unfall und die darin verwickelten Personen zu lenken– nun werden sie sichtbar. Im Gerichtsverfahren treten menschliche Schicksale in den Vordergrund und großartige Freundschaften und Karriere drohen zu zerbrechen.

    In diesem Kontext inszeniert der Autor ein Romanstück, in welchem wirklichkeitsgetreue Protagonisten, spannende Szenen und starke Dialoge für ein sehr aktives Leseerlebnis sorgen. Der Roman ist weniger schöngeistige Literatur, als eine realitätsnahe, berichtähnliche Aufzeichnung eines Unglücks mit seinen schwerwiegenden Folgen für alle Beteiligten. Auffallend, aber passend, sind die Chatverläufe der Sophie-Luise mit Pierre, die der Geschichte einen modernen Empathie Tick verpassen. Es ist das Schicksal des überlebenden Mädchens, das mich in diesem Roman am meisten mitnimmt.


    Liebe So-Lu, du musst wissen, ich will nur, was macht Glückliches in dir, schreibt er.


    Nur am Rande bemerkt: Ich kann die Marketingstrategie der Buchverlage durchaus verstehen, dass sie das Cover mit dem roten Pickerl versehen, aber für mich ist diese Bestsellerbekundung schon lange kein Qualitätsmerkmal mehr.


    Fazit

    „Die spürst du nicht“ von Daniel Glattauer ist ein bewegender Roman über den Unfalltod eines Flüchtlingsmädchens, und Menschen, die man nicht spüren will.