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Daniel Glattauer - Die spürst du nicht

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  • Literarische Perle


    Daniel Glattauer kredenzt ein Werk. Ich durfte es dank Verlag und vorablesen.de schon vor Erscheinen verschlingen und genießen. Dafür Danke.

    Der Klappentext verspricht mit dem Blick auf ein "Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft" nicht zu wenig. Es ist ein Spiegel, in den jede/r Lesende blicken und dessen Bild sie/er sich stellen muss.

    Doch zunächst lesen wir amüsiert die Urlaubsankunft der Familien Strobl-Marinek und Binder in der Toskana. Eine Villa mit Pool. In spöttisch-ironischem Unterton lernen wir die Protagonist:innen kennen und beobachten ahnungslos, wie sie in die Katastrophe steuern.

    Der Atem stockt. Und dann ist da ein Haufen Scherben, der nicht so wirklich unter den Teppich passen will.

    Die Suche nach Staubsauger oder Schaufel und Besen hält einige Wendungen und viele sprachliche Rafinessen bereit. Immer wieder zückt der Autor in solchen Momenten oben benannten Spiegel.

    Oskar lässt er über Geflüchtete sagen "...Bei uns zu sein heißt noch lange nicht, zu uns zu gehören oder gar uns zu gehören" (S.27)

    Und später, auf S. 268 wird Wilenitsch sagen: "Die sind zwar auch unter uns, aber nur scheinbar mitten unter uns. Sie sind unter uns in einem anderen Sinn: Sie sind darunter."

    Es sind diese wie spielerisch vorgebrachten Sprachakrobatiken und das virtuose Spiel mit Erzählstilen, die das Buch zu einer Perle machen. Und die treffen und nachdenklich machen.

    Dazu natürlich die feine Beobachtung der Protagonist:innen, die der Autor in einer wohl proportionierten Mischung aus sachlich-distanzierter Schilderung und subtil-ironischer Kommentierung (häufig in Form von Anmerkungen und Nebensätzen) verteilt.

    Alle sind dabei. Mitglieder der als "bürgerliche Mitte" wahrgenommenen Wohlstandsgesellschaft, die Presse, Justiz, ein Anwalt mit einem schlechten Namensgedächtnis, Soziale Medien (wo jede/r kommentieren darf und leider auch "muss"). Und die, die man nicht spürt. Dies alles in vielfältigen Schattierungen auszuleuchten und auf 300 Seiten zu packen, sodass man es in einem Ruck runterlesen will oder muss, ist große zeitgenössische Literatur.

    Zum Schluss dreht es zwar fast in eine Schnulze ab, aber Herr Glattauer bekommt grad noch die Kurve.

    Schade, dass ich nur 5 Sterne vergeben kann.

  • Das Buch erscheint am 20. März, ist jetzt schon die Veröffentlichung der Rezension erlaubt (ausser auf vorablesen natürlich) ?

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Das Buch erscheint am 20. März, ist jetzt schon die Veröffentlichung der Rezension erlaubt (ausser auf vorablesen natürlich) ?

    Zitat

    15. Muss ich die Sperrfrist der Bücher beachten?

    Nein. Sofern nicht anders von uns angegeben, können Sperrfristen getrost ignoriert werden. Das gilt sowohl für Rezensionen auf Vorablesen als auch für Rezensionen auf anderen Plattformen.

    Ob es außerhalb der Plattform Vorablesen sinnvoll ist, ist allerdings eine andere Frage.



    Zitat

    Oskar lässt er über Geflüchtete sagen "...Bei uns zu sein heißt noch lange nicht, zu uns zu gehören oder gar uns zu gehören" (S.27)

    Und später, auf S. 268 wird Wilenitsch sagen: "Die sind zwar auch unter uns, aber nur scheinbar

    StepfelLiest

    Was sind das für Links - könntest du den Text evtl. auch in Anführungszeichen zitieren?

    :study: -- French - Afrika

    :study: --

    :musik:-- Meyer - Die Bücher, der Junge ...

    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Gerade habe ich mit diesem Buch begonnen und ganz vorne steht, ich zitiere

    Zitat

    Wir bitten Sie, Rezensionen nicht vor dem 20.3.2023 zu veröffentlichen. Wir danken für Ihr Verständnis.

    StepfelLiest , das hast Du wahrscheinlich übersehen :-k

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Ergreifend


    Wow - das Buch hat mich sehr bewegt und lässt mich mit vielen Emotionen zurück - Verwirrung, Trauer, Entsetzen, sind nur einige Begriffe die mir einfallen.
    Es fängt alles so gut und harmlos an: Der Familienurlaub steht an, verschiedene Familien verreisen gemeinsam mit ihren Kindern nach Italien. Mit an Bord ist auch ein Flüchtlingskind, das eine Schulkameradin einer der Töchter ist.
    Eine gute Tat, das Kind mitzunehmen, das denkt sich jeder. Bis es zu einem entsetzlichen Unfall kommt, der alle in eine Situation bringt, in der sie sich nie wiederfinden wollten und zugleich viele Fragen aufwirft.

    Der neue Roman von Daniel Glattauer ist aufwühlend und zerreißt die Vorhänge des wohlen Scheins. Es wechseln die Perspektiven auf das Geschehene, mal spricht die Mutter, mal die Tochter, mal werden Tweets und Zeitungsartikel zitiert.

    Das Buch ist sicherlich keine leichte Kost und auch kein Wohlfühlroman, der so dahinplätschert. Eher ein Buch, das den Leser noch lange nach dem Zuklappen beschäftigt und in die Seite zwickt.

  • Inhalt :


    Die Binders und die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven Urlaub in der Toskana. Tochter Sophie Luise, 14, durfte gegen die Langeweile ihre Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune gechillt, kommt es zur Katastrophe. Was ist ein Menschenleben wert? Und jedes gleich viel? Daniel Glattauer packt große Fragen in seinen neuen Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und in dem er all sein Können ausspielt: spannende Szenen, starke Dialoge, Sprachwitz. Dabei zeichnet Glattauer ein Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft, entlarvt deren Doppelmoral und leiht jenen seine Stimme, die viel zu selten zu Wort kommen.


    Über den Autor :


    Mit seinem Buch "Gut gegen Nordwind" gelang dem österreichischen Schriftsteller Daniel Glattauer der Sprung auf die Bestsellerlisten. Der 1960 in Wien geborene Autor studierte nach seiner Matura Kunstgeschichte und Pädagogik.


    Allgemeines :


    Erscheinungstermin : 20. März 2023, Verlag Paul Zsolnay, Hardcover, 304 Seiten


    Meine Meinung :


    Das Cover gefällt mir aufgrund der Farbe sehr gut.


    Das Buch ist trotz der traurigen Thematik und des tödlichen Unfalls angenehm zu lesen. Der Autor schreibt wie immer flüssig und mit einem Quäntchen Humor.


    Es ist schon interessant, wie man Entschuldigungen findet, um sich keine Vorwürfe machen zu müssen. Das Mädchen, welches ihre Schulkameradin in die Ferien eingeladen hat, behauptet plötzlich, dass sie Aayana gar nicht richtig gekannt hätte und sie eigentlich gar nicht ihre Freundin gewesen wäre. Aber wahrscheinlich glaubt sie das selbst nicht.


    Befremdlich finde ich, dass die Eltern von Sophie Luise nicht mal die Familie des Opfers kontaktieren. Es ist klar, dass hier Verständigungsprobleme herrschen. Aber nach zwei Jahren Aufenthalt im Land sollte zumindest der Sohn ein paar Kenntnisse haben. Und es gibt ja auch Dolmetscher.


    Diese Einschübe mit Forenbeiträgen finde ich ziemlich nervend, obwohl natürlich zutreffende Beiträge dabei sind. Die Protagonisten sind mir teilweise ein bisschen zu klischeelastig.


    Die Forderung nach einer hohen Summe Schmerzensgeld der Opferfamilie kommt sehr unerwartet und reisst sozusagen alte Wunden der beiden Urlauber-Familien wieder auf. Da die «Sache» gerichtlich nicht weiterverfolgt wurde dachten alle, das Ganze wäre mehr oder weniger überstanden und man bräuchte nicht mehr daran zu denken. Dies ist wohl nur sehr schwer machbar, wenn einem so etwas passiert. Und dann glauben sie oft, dass Geld Ihre Schuld bzw. Gewissensbisse tilgen kann. Wahrscheinlich ist es so, dass der Gesellschaft der Tod eines Kindes aus Somalia nicht so nahe geht wie der Tod eines Kindes aus dem eigenen Land.

    Was ich mich allerdings frage ist, wie kann man ein Kind, das man nicht kennt, mit in den Urlaub nehmen ohne auch nur mit den Eltern gesprochen zu haben ? Für mich ist dies unvorstellbar.


    Auch das Drogenproblem der Jugend ist ein kleiner Teil des Buches. Wahnsinn, was so ein paar blaue Pillen mit den Kids macht.


    Ich möchte nicht zuviel verraten, nur noch, dass die trauernde Familie aus Somalia gegen Ende des Buches Gelegenheit bekommt, die Odyssee ihrer Flucht der Öffentlichkeit mitzuteilen. Ein sehr trauriges Kapitel.


    Fazit : Ein gut und flüssig geschriebenes Buch mit amüsanten Einschüben über ein aktuelles Hauptthema sowie andere angesprochene Themen, das von mir 4 Sterne bekommt.

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Eine Geschichte, die noch lange nachwirkt

    Zwei gut betuchte, befreundete Familien verbringen ihren Urlaub gemeinsam in der Toskana. Zu dem luxuriösen Urlaubsdomizil gehört auch ein Pool, „vermutlich der größte private in der gesamten Toskana“. Mit von der Partie ist das somalische Flüchtlingsmädchen Aayana, das mit Sophie Luise, der 14jährigen Tochter der einen Familie, in eine Klasse geht. Eigentlich haben die beiden Mädchen herzlich wenig gemeinsam, doch Sophie Luise hat es sich zum Ziel gesetzt, der schüchternen Aayana im Urlaub das Schwimmen beizubringen. Außerdem plant sie, sich in den sozialen Medien gemeinsam mit der dunkelhäutigen Aayana in Szene zu setzen, das wird mit Sicherheit Aufmerksamkeit und jede Menge Likes generieren!


    Kurz nach der Ankunft der Familien kommt es zu einer Tragödie, die das Leben aller Beteiligten für immer verändern wird.


    „Die spürst du nicht“ ist ein sehr vielschichtiges Buch. Wir erleben die Geschehnisse aus verschiedenen Perspektiven und lernen die Beteiligten und ihre Art und Weise, mit der Tragödie umzugehen, kennen. Während die einen „die Angelegenheit“ so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen, werden andere, vor allem Sophie Luise, völlig aus der Bahn geworfen. Erschreckend ist, dass zunächst Aayanas Familie und ihre Gefühle völlig außen vor bleiben. Das ändert sich, als sich ein Anwalt einschaltet, der vor Gericht eine hohe Schadenersatzsumme für die somalische Familie einklagen will. Die Medien, die das Vorkommnis eigentlich bereits ad acta gelegt hatten, wittern eine gute Geschichte, zumal eine bekannte Politikerin zu den Beklagten gehört. Auch in den sozialen Medien schlägt der Fall nun hohe Wellen, und wie üblich äußern sich alle möglichen Leute mehr oder minder abwertend bis hin zu schadenfreudig und menschenverachtend.


    Mich hat dieser Roman, der sich spannend wie ein Krimi liest und gleichzeitig der Gesellschaft einen Spiegel vorhält, fasziniert. Manche Bücher vergisst man sofort, nachdem man die letzten Seiten gelesen hat, dieser Roman hat mich noch lange gedanklich beschäftigt. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Zwei gutsituierte österreichische Familien fahren gemeinsam in den Sommerurlaub in die Toskana. Mit dabei ist Aayana, eine Freundin der 14jährigen Tochter Sophie-Louise und Flüchtlingskind aus Somalia. Der erste Ferientag verläuft geruhsam im Feriendomizil mit Pool, bis am Abend ein Unglück geschieht, das alles verändert.


    Die Geschichte beginnt als herrlich bissige Gesellschaftssatire und wechselt nach dem Unglück etwas den Ton, die ironische Note tritt in den Hintergrund. Der Roman beleuchtet unseren Umgang als Gesellschaft und als Einzelne mit Migranten und Migrantinnen, geprägt von mangelnder echter Empathie, herablassender Ignoranz und kulturellen Missverständnissen.


    Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Tochter Sophie-Louise und ihre Mutter Elisa, die für die Grünen im Nationalrat sitzt. Die Erzählung wird immer wieder ergänzt durch Onlineberichte diverser Medien und zugehörige Postings, die sehr gut getroffen sind. Jede Figur hat ihre eigene Art, mit dem Unglück umzugehen, doch drehen sie sich alle im Grunde nur um sich selbst und ihre eigenen Befindlichkeiten.


    Die Charaktere sind scharf getroffen, der Schreibstil ist toll zu lesen. Leider ist der Part um Sophie-Louise recht vorhersehbar. Die Beschreibung der somalischen Familie empfinde ich als weniger gelungen, die Figuren wirken unrund und ihr Verhalten wenig glaubwürdig.


    Zum Hörbuch: Das ungekürzte Hörbuch mit einer Laufzeit von 8h 47 min wurde von Tessa Mittelstaedt und Steffen Groth eingesprochen, wobei Frau Mittelstaedt die eigentliche Geschichte vorträgt und Herr Groth die Passagen, die Presseberichte und zugehörige Postings beinhalten. Diese Aufteilung ist eine tolle Idee und sehr gelungen umgesetzt. Beide haben eine sehr angenehme Stimme und ein gutes Sprechtempo. Herr Groth trifft genau den richtigen Presse-Ton und spricht auch die einzelnen Postings und Kommentare facettenreich und teilweise mit wunderbarem Wiener Dialekt. Ein echter Zugewinn zum reinen Buch! Auch Frau Mittelstaedt verstimmlicht jede Figur gekonnt und verleiht ihr eine individuelle Note.


    Insgesamt eine interessante, außergewöhnliche und zum Nachdenken anregende Geschichte und ein sehr empfehlenswertes Hörbuch mit hervorragenden Sprechern.

  • Wenn ein Urlaub zum Alptraum mutiert


    Um ihrer 14-jährigen Tochter Sophie-Luise einen Gefallen zu tun, nimmt die bekannte Grünen-Abgeordnete Elisa Strobl-Marinek, deren neue Klassenkameradin Aayana Ahmed, ein somalisches Flüchtlingskind, mit in den Familienurlaub in die Toskana. Neben den vier Strobl-Marineks, ist auch eine befreundete Familie mit von der Partie. Doch schon am Ende des ersten Tages nimmt der entspannte Urlaub in der Ferienvilla eine dramatische Wendung, der für alle Beteiligten zu einem traumatischen Ereignis wird!


    Schon beim Start ins Buch „Die spürst du nicht“ merkt man, hier hat man es mit einem Daniel Glattauer zu tun. Die Geschichte wird dem Leser auf eine für ihn typisch und einzigartige Weise präsentiert. Zu Beginn fühlt man sich ein wenig wie ein Voyeur, denn er seziert seine Figuren, betrachtet sie aus einer Art Vogelperspektive und charakterisiert sie gnadenlos. Auch das Geschehen wird oft aus diesem Blickwinkel betrachtet. Mehrmals wechselt die Perspektive und Glattauer konzentriert sich auf die Empfindungen seiner Hauptakteure, die allesamt durch das tödliche Unglück aus der Bahn gerissen werden. Zwischendurch erfährt man durch Pressemitteilungen, die mediale Auswirkung des Falls, durchweg kommentiert, als wäre man plötzlich mitten in einer Social Media Anwendung gelandet. Diese abwechslungsreiche Darstellung geben der dramatischen Geschichte eine eigene Dynamik, wobei auch, trotz des recht ernsten Themas nicht an Humor gespart wird. Der Tragik der Geschehnisse macht dies keinen Abbruch, der Eindruck dies könnte genau so geschehen sein ist groß und erschreckend! Die Handlung erinnert im weiteren Verlauf sogar ein wenig an Shakespeare und eine moderne Variante von Romeo und Julia, bedrückend und berührend.

    Den Titel finde ich treffend gewählt, denn diese Aussage gilt für die beiden Mädchen, für die privilegierte Sophie Luise und ihre arme Freundin Aayana. Auch das Cover ist perfekt, ein Hingucker.


    Mein Fazit:

    Ein überaus spannendes, erschütterndes und intensives Buch, das unserer Gesellschaft einen Spiegel vorhält. Die ganze Sache wird umwerfend erzählt und wirkt unglaublich tragisch, egal von welchem Standpunkt aus betrachtet. Mir haben die vielen unterschiedlichen Blickrichtungen sehr gut gefallen, sie geben der Geschichte ihre aktuelle Brisanz. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :study:

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