Renate Feyl - Die unerlässliche Bedingung des Glücks

  • Im Jahre 1845, dem sogenannten Vormärz, ist Sophie Gräfin von Hatzfeldt bereits seit 25 Jahren in einer unglücklichen Ehe gefangen. Ihr Ehemann Edmund hat sie von Anfang an betrogen, hält die gemeinsamen Kinder von ihr fern, ist säumig mit den Zahlungen und auch sonst zu jeder Bosheit bereit, die Sophie schaden könnte.
    Die Gräfin trägt sich mit Scheidungsabsichten, doch ist kein Anwalt bereit, sich mit einem der mächtigsten Männer des Landes anzulegen.
    Alles ändert sich als Sophie auf einer Gesellschaft dem 20 Jahre jüngeren Ferdinand Lassalle begegnet, einem Freigeist und glühenden Verfechter von Recht und Freiheit. Ohne juristische Ausbildung ist der Student bereit, sich der Sache der Gräfin anzunehmen, die sich seinem Charisma nicht entziehen kann.



    Mit dem vorliegenden Roman hat Renate Feyl ein kleines Meisterwerk geschaffen, das seine Leser sofort in ihren Bann ziehen wird. Großartig verknüpft die Autorin historische Tatsachen mit einer fantasievollen Geschichte um Recht und Gerechtigkeit und einer ganz außergewöhnlichen, lebenslangen Liebes- oder besser gesagt, Beziehungsgeschichte.
    Ferdinand Lassalle ist ein sehr interessanter Charakter, ein Kämpfer für das Recht im weitesten Sinne, das er nicht in erster Linie an der aparten Erscheinung der Gräfin von Hatzfeldt festmacht. Sophie repräsentiert für ihn den unterdrückten Menschen schlechthin, für den es sich einzusetzen gilt. Dabei ist es gleichgültig, dass Sophie selbst der Oberschicht angehört, gegen die Lassalle vehement zu Felde zieht. Ungerechtigkeit in jeder Form ist für ihn unerträglich, ein Zustand, den er mit allen Mitteln ändern muss. Wie mutig sich Lassalle gegen alle Widerstände für die Betrogene und Hintergangene einsetzt, beschreibt die Autorin äußerst eindrucksvoll.
    Sophies Sohn Paul trifft den Wesenskern des eloquenten Verteidigers der Rechte seiner Mutter mit folgenden Worten sehr gut.

    Zitat

    ... denn er weiß genau was er will, hat dafür die Worte, das Feuer, die Glut und schlimmer noch - er kann dafür so begeistern, dass man vergisst, eigene Gedanken zu fassen.

    Renate Feyl hat den von seiner Bestimmung Getriebenen charakterlich sehr glaubwürdig dargestellt, ebenso wie die leidgeprüfte Gräfin.
    Sophie, der gewiss alle Sympathien der Leser zufliegen werden, ist eine ausgesprochen mutige Frau, die sich selbst in den schlimmsten Zeiten ihres Lebens nicht in die Knie zwingen lässt. Sie bleibt trotz der Verachtung, die ihr während des Scheidungsprozesses, vor allem aber wegen ihres Umgangs mit Lassalle entgegenschlägt, Aristokratin durch und durch, genießt die verehrungsvolle Bewunderung ihres Verteidigers, bewundert dessen scharfen Verstand, seine demokratische Gesinnung und verliert doch nicht den Boden unter den Füßen. Ihre Leidenschaft konzentriert sich eher auf Geistiges als Körperliches. So zumindest porträtiert die Autorin ihre Heldin.

    Zitat

    Und doch - es war trostlos ohne ihn. Ringsum öde. Kein Spiel des Geistes, kein Flammenwurf, kein Gedankenblitz, kein Austausch, kein Feuer, keine Bewunderung, keine Wahrnehmung. Nichts, was Sonne in den Tag gab.

    Den steinigen Weg Lassalles zum Wortführer der frühen Arbeiterbewegung beschreibt die Autorin ebenso eindrucksvoll wie die Entwicklung Sophies als Gefährtin und Unterstützerin an seiner Seite.
    Stilistisch hat es mir der Roman ebenfalls angetan. Knapp und präzise hageln die Worte hernieder, lassen dem Leser keine Zeit zum Verweilen, zum Nachsinnen, dulden keinen Aufschub. Wie sich der leidenschaftliche, wortgewaltige Redner jahrelang durch die Gerichtsverfahren der von ihm verehrten Gräfin kämpft, keine Niederlage hinnimmt, sich auch nach der niedergeschlagenen Revolution keine Pause gönnt, wie er noch aus dem Gefängnis heraus unerlässlich seine Hasstiraden gegen die Obrigkeit schleudert, so bleibt auch dem Leser kaum Zeit zum Atemholen. Unmöglich ist es, sich diesem packenden, temporeichen und doch poetischen Stil zu entziehen, die Spannung bleibt hoch bis zum Schluss und immer wieder blitzt auch subtiler Humor aus den Zeilen.

    Leider fehlt am Ende des Buches ein Hinweis der Autorin darauf, wie sehr sie Dichtung und Wahrheit miteinander verwoben hat.
    Historische Romane solcher Qualität sind ein seltener Glücksfall, die viele Leser und natürlich die beste Bewertung verdienen :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Liebe Grüße von Lorraine :)


    "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen." (Karl Kraus) :study: