The Booker Prize 2022

  • London, 1965. Eine junge Frau glaubt das der berühmte Psychotherapeut Collins Braithwaite am Suizid ihrer Schwester Schuld trägt. Unter falschen Namen geht sie zu ihm in Behandlung, mit dem Ziel ihn zu überführen. Ihre Sitzungen hält sie in Notizbüchern fest.


    Dekaden später findet ein Verwandter diese Bücher und stellt sie dem Autor zur Verfügung, der dabei ist eine Biographie über diesen Therapeuten zu schreiben.


    Hier geht es mehr um die Charaktere als um die Aufklärung des Suizids. Wer kein Problem mit unzuverlässigen Erzählern hat, sich für Psychologie interessiert und generell Spaß hat wenn sich Fiktion und Realität vermischen ist hier goldrichtig.


    Clever und auch nicht ohne die ein oder andere Dosis Humor.

  • Im diesem Buch springen wir zwischen den Schilderungen der krebskranken Lia und deren Familie und der Stimme der Erkrankung selbst hin und her.


    Mehr muss und sollte man über die Story vorerst nicht wissen. Dies ist ein trauriges Buch aber wie ich finde keines, das das bereitlegen von Taschentüchern erfordert.


    Das gesagt würde ich aber Menschen für die das Thema Krebs zu sensibel ist davon abraten es zu lesen.


    Allen anderen lege ich es aber sehr ans Herz. Es ist ein außerordentlich tolles Buch. Manche Bücher kommen mit einer neuen frischen Idee einher, andere spielen mit Typografie, wieder andere verstehen es, sich in Charaktere hinein zu versetzten oder haben ein gutes Gespür für Familiendynamik. Dieses Buch hat all dies und setzt beautiful prose noch obendrauf.

  • Die 17jährige Kiara muss irgendwie die Miete für ihr Apartment in einem schäbigen Komplex in East Oakland aufbringen. Ihr Vater ist verstorben, die Mutter nicht zugegen und ihr Bruder ist auch keine Hilfe, tagträumt er doch ständig von der großen Rap Karriere.


    Niemand will ihr einen Job geben und so rutscht sie eines Abends, eher durch Zufall in die Prostitution. Auch Nightcrawling genannt. Unter ihren Freiern sind auch diverse Cops. Etwas das sie später zum Mittelpunkt einer großen Ermittlung macht.


    Dies ist eine sehr düstere Story um sexuelle Gewalt, Rassismus, Ausbeutung, Machtmissbrauch und vor allem um die Chancenungleichheit schwarzer Menschen in den USA.


    Das Buch ist wunderschön geschrieben, was ein guter und notwendiger Kontrast ist zu der Hässlichkeit der Geschichte. Zuweilen waren mir die Sätze aber dann zu verschnörkelt. Die Metaphern eine zu viel. Was mich dann ein wenig von den Charakteren entfernte.

  • Die 1920er. Dies ist die Geschichte vom Wall Street Tycoon Benjamin Rask und seiner Frau Helen.


    Sie sind die Creme de la Creme der New Yorker High Society. Niemand ist reicher, niemand hat mehr Einfluss. Aber wie kam das Ehepaar zu seinem Vermögen?


    Erzählt wird die Geschichte vier mal , in vier verschiedenen Stilen. Einem Roman innerhalb des Romans, einer Autobiographie, Memoiren und in der Form von Tagebucheinträgen.


    Aber was hiervon ist Realität und was Fiktion, welcher Erzähler vertrauenswürdig? Denn nicht alle vier Geschichten erzählen das Gleiche.


    Mann braucht ein wenig Durchhaltevermögen, gerade am Anfang. Aber es lohnt sich. Vielschichtig und toll geschrieben und eine interessante Herangehensweise an die unreliable narrator Thematik.

  • Glory beginnt mit dem Sturz von Old Horse, dem langjährigen politischen Führer eines fiktionalen Landes namens Jidada. Was folgt ist ein Chorus aus Tierstimmen die von der brutalen politischen Lage im Land erzählen. Und wie vom herrschenden Diktator nach immer neuen Strategien gesucht wird, um die Illusion von absoluter Macht zu halten.


    Angelehnt an George Orwells Animal Farm, ist dies eine fiktionale Erzählung des coup d’état in Simbabwe in 2017 in dem Robert Mugabe vom Volkshelden zum Diktator wurde.


    Satirisch und erschütternd fast es wohl ganz gut zusammen. Ein wirklich gutes Buch mit einer alten Idee neu umgesetzt. Zuweilen aber auch ein wenig anstrengend.

  • 1822. Der Schauspieler Junius Booth zieht mit seiner Frau in eine Hütte ca. 30 Meilen von Baltimore entfernt. Dort wird sie über die nächsten 16 Jahre 10 Kinder zur Welt bringen. Junius selbst ist immer nur sporadisch zu Hause und als Geldverdiener eher unzuverlässig.


    Der Leser folgt nun dem Wachsen der Familie und wie mit jedem Jahr das Land immer mehr auf einen Bürgerkrieg zusteuert.


    Anders als gedacht geht es in diesem Buch nicht allein um John Wilkes Booth der ein Attentat auf Abraham Lincoln verübte, sondern um die Familie Booth als Ganzes vor dem Hintergrund des dramatischen Wandels im Land.


    Dies ist ein solides Buch, solide geschrieben aber mehr war es für mich nicht. Empfehlen würde ich es nur denjenigen die sich für den US Bürgerkrieg interessieren oder allgemein gerne Bücher über Familien lesen.

  • Ich bin jetzt durch die Vorstellungen gesprintet aber das reale Leben ist mir dazwischen gekommen und ich habe einfach nicht die Zeit. Einen Eindruck kann man hoffentlich trotzdem gewinnen, den ich wollte den begonnen Thread auch nicht so mittendrin enden lassen. Deshalb an dieser Stelle die light Version.


    Zwei Bücher folgen gleich noch, diese habe ich aber noch nicht ganz beendet.


    Ich muss sagen das mir die diesjährige Longlist außerordentlich gut gefallen hat. Wenn die letzten beiden Romane so bleiben dann sind von den 13 Nominierungen allein 8 Bücher dabei die von mir die volle Punktzahl bekommen.

    Auch gefallen hat mir das diesmal auf die richtig großen Namen verzichtet wurde und das viele Independent Verlage dabei sind.

    Insgesamt finde ich die Auswahl der Jury dieses Jahr sehr frisch und innovativ.


    Nach dem jetzigen Stand würden folgende auf meine Shortlist kommen.

    • The Seven Moons of Maali Almeida
    • After Sappho
    • Maps of Our Spectacular Bodies
    • The Colony
    • The Trees
    • Small Things Like These

    Einen klaren Gewinner habe ich nicht. Ein klein wenig liegt "Maps" vorne, am anderen Tag ist es wieder "Sappho" oder "Colony". In der Jury möchte ich wirklich nicht sitzen.

  • In Vignetten wird die Geschichte diverser Frauen erzählt die sich zwischen 1870 und den späten 1920ern einen Namen als Autorinnen, Künstlerinnen, Schauspielerinnen, Aktivistinnen etc. gemacht haben. Sarah Bernhardt, Virginia Woolf, Lina Poletti, Josephine Baker, Florence Nightingale um nur die bekannteren zu nennen.


    In teils vernichtendem Humor wird deren Kampf gegen das Patriarchat geschildert.


    Bis jetzt liebe ich einfach alles an diesem Buch. Die Idee, die Art der Erzählung, den bitter bösen Humor. Fantastisch!

  • Colombo, 1989. Maali Almeida war ein nicht als offen schwul lebender Photograph und Spielsüchtiger. Die Betonung liegt auf war, den die Geschichte beginnt damit das Maali gerade verstorben ist. Ermordet um genauer zu sein. Und nun befindet er sich in einer Art himmlischen Bürger oder Totenamt, in dem man ihm mitteilt das er noch 7 Monde Zeit hat bevor er ins Licht gehen muss.


    Maali kann sich nicht erinnern wer in ermordet hat und im vom Bürgerkrieg heimgesuchten Sri Lanka sind die Möglichkeiten vielfältig. Nun rennt ihm die Zeit davon um seinen Mörder zu finden und den Menschen die er liebt von den Fotos zu erzählen, die er gemacht hat und die Sri Lanka zum beben bringen könnten.


    Sri Lankas Folklore, ein sehr gutes vermitteln der Bürgerkrieg Dynamik, ein feiner Humor und der innere Kampf sich zwischen Rache und Akzeptanz der Umstände entscheiden zu müssen. Bisher liebe ich jede Seite und es würde mich überraschen sollte sich das noch ändern. Vollste Leseempfehlung.