Becky Chambers - Die Galaxie und das Licht darin / The Galaxy, and the Ground Within

  • Kurzmeinung

    Farast
    Wunderbar warmherzige Geschichte mit tollen Protagonisten. Ein schöner Abschluss der Reihe.
  • Kurzmeinung

    Affric
    Ein mehr als gebührender Abschluss der grandiosen Wayfarer-Reihe
  • Klappentext


    Das „Five Hop One Stop“ ist ein kleines, unbedeutendes Motel am Rande einer viel befahrenen Sternenstraße. Wer hier übernachtet, der will eigentlich nur weiter. Trotzdem lassen Ouloo und Tupo nichts unversucht, um die besten Gastgeber der gesamten Galaxie zu sein. Doch als das Satellitensystem des Planeten zusammenbricht, und drei seltsame Reisende bei ihnen tagelang stranden, benötigen sie ihr gesamtes Geschick, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Und vielleicht sogar unvergesslich.


    Meine Meinung


    Als erstes muss ich sagen, dass ich die Reihe insgesamt wirklich großartig finde! Die Autorin bewegt sich hier in einer Zukunft, in der die Galaxie in weiten Teilen erforscht ist und von den unterschiedlichsten Spezies bevölkert wird. Es gibt Kontakte, Handel und Gesetze, die dieses "Zusammenleben" regeln sollen - denn natürlich ist eine friedliche Gesellschaft auf diesem Niveau mit den unterschiedlichsten Kulturen eine Gratwanderung.

    Der vierte und letzte Band war für mich definitiv ein Highlight!


    Schon die Auswahl des Schauplatzes, das kleine Motel „Five Hop One Stop“ auf einem eher unbedeutenden Planeten, der als Transitknotenpunkt funktioniert, ist perfekt. Eine Zwischenstation für Reisende, die auf ihren Weiterflug warten, mag unscheinbar klingen, aber Becky Chambers zeigt mit so viel Einfühlungsvermögen und Liebe zum Detail wie bedeutsam es ist, Toleranz zu zeigen. In jedem Moment.


    Geführt wird das Motel von Ouloo. Sie gehört der Spezies der Laru an und hat ein Kind, Tupo. Dieses ist noch im pubertierenden Alter und hat noch kein spezifisches Geschlecht, da es das selbst entscheiden kann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Die Autorin verwendet für diese Figur (wie auch schon in den Vorbänden) besondere Artikel. So heißt es z. B. "sire Mutter" oder "mochte ser diese Art" - das ist gewöhnungsbedürftig, aber hier finde ich es wirklich super integriert.


    Ouloo ist ein wundervoller Charakter, denn sie hat sich auf die verschiedensten Eigenheiten jeder Spezies vorbereitet, die zu ihr zu Besuch kommen, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist. Das fängt mit der Farbwahl an, den Essensgewohnheiten, den Bedingungen für die Baderäume usw. Sie gibt sich immens Mühe, dass sich jeder wohlfühlt, ganz gleich, welcher Kultur er angehört. Becky Chambers hat sich da viele originelle Eigenheiten einfallen lassen, die das Bild dieser Zukunft sehr lebendig machen.


    Zu Besuch kommt Roveg, ein Quelin, der aus seiner Heimat verbannt wurde, weil er seine radikalen Ideen zur Sprache gebracht hat.

    Pei, ein Älounerin und Fracht-Kapitänin, die ein Geheimnis hat, dessen Offenbarung ihre gesamte Laufbahn beeinflussen kann.

    Und Speaker, die zu einer Spezies gehört, über die wenig bekannt ist und die von Vorurteilen befrachtet ist.

    Ein Notfall, der sämtliche Kommunikation lahm legt, lässt sie für einige Tage dort festsitzen. Die unterschiedlichen Lebensweisen und Ansichten kommen durch diese zwangsweise Isolation sehr zum tragen, doch die Annäherung lässt Konflikte, aber auch Verständnis aufkommen, Aussprachen und Hilfestellungen, die einem wirklich ans Herz gehen.


    Natürlich ist es nicht immer leicht und anstrengend, was hier sehr treffend ausgedrückt wird:


    Zitat

    "Alles, was ich sage oder tue, zielt darauf ab, dass mir die Leute gewogen sind. Dass sie mich respektieren. Nichts davon ist eine Lüge, aber es ist Theater, und manchmal ist das sehr, sehr ermüdend."

    Zitat Seite 308


    Das Sinnbild der verschiedenen Spezies kann man natürlich auf die verschiedenen Kulturen von uns Menschen ummünzen. Jeder von uns hat eine andere Vergangenheit, andere Erlebnisse, jeder fühlt und denkt anders, "urteilt" anders - wobei nicht gleich der eine Recht und der andere Unrecht haben muss. Es sind die Blickwinkel, die für jede Ansicht sprechen. Wichtig ist dabei, anderen zuzuhören und zu versuchen, sie zu verstehen, auch wenn man die andere Meinung nicht annimmt.


    In einer kleinen Diskussion geht es darum, sich für oder gegen etwas zu entscheiden und Gründe dafür zu finden. Dazu noch ein kleines Zitat:


    Zitat

    "Das ist kein Grund. Das ist ein Gefühl. Gefühle müssen begründbar sein."

    "Seit wann denn das?"

    Zitat Seite 322

    Es geht noch weiter und läuft darauf hinaus, das es reicht, wenn man sich unwohl fühlt. Dass einem das Bauchgefühl sagt, ob man etwas möchte oder nicht und man keine Rechenschaft schuldig ist. Man sollte sich so entscheiden, wie es für einen selbst richtig erscheint und wie es einem guttut, ohne es begründen zu müssen! Das hat mich sehr berührt!

    Und es gibt viele solcher Szenen, kleine Gesten oder Gespräche zwischen den Figuren, die einem das Herz öffnen und zeigen, wie harmonisch es sein kann, wenn man sich Zeit nimmt - wenn auch nur für einen Moment - um seinem Gegenüber mit offenen Augen gegenüberzutreten und seine Meinung wahrzunehmen.


    Eine wundervolle Geschichte: ein Plädoyer für die zwischenmenschliche Offenheit und das Zuhören, das Hinschauen, das Mitfühlen - und die Akzeptanz, auch wenn die Meinungen auseinandergehen: UND das Zusammenhalten wenn es darauf ankommt.


    Mein Fazit: 5 Sterne


    Weltenwanderer

  • Aleshanee

    Hat den Titel des Themas von „Becky Chambers - Die Galaxie und das Licht darin / Record of a Spaceborn Few“ zu „Becky Chambers - Die Galaxie und das Licht darin / The Galaxy, and the Ground Within“ geändert.
  • Inhaltlich gut auf den Punkt gebracht, großartige Rezension Aleshanee


    Mal schauen, wenn ich auch noch eine Rezension beisteure, dann will ich nicht wiederholen, was du schon geschrieben hast. ;)

  • Tren ist ein Sonnensystem mit nur einem Planeten, Gora, das eigentlich nichts zu bieten hat, aber in unmittelbarer Nähe ein Tunnelknotenpunkt liegt, so dass die Schiffe hier warten müssen, bis sie in durch den nächsten Tunnel zu ihrem eigentlichen Ziel reisen können. Auf Gora sind daher Habitatkuppeln entstanden, in denen allerlei Vergnügungen und Dienstleistungen angeboten werden.


    Die Laru Ooli Oht Ouloo betreibt zusammen mit ihrem Kind Tupo ein solches Habitat, und erwartet gerade drei neue Gäste, die Äluonerin Pei, den Quelin Roveg und die Akarak Speaker. Ein Problem mit den Satelliten zwingt alle Gäste, auf dem Planeten zu bleiben, und so müssen auch in Ouloos Habitat alle fünf mehrere Tage miteinander auskommen – sie kommen sich in dieser Zeit näher, lernen sich kennen, stellen Ressentiments auf den Prüfstand, helfen einander und müssen Gefahren gemeinsam meistern.


    Becky Chambers Reihe hängt im Grund nur lose zusammen, es gibt aber immer etwas oder jemanden, wodurch eine Verknüpfung entsteht, hier ist es Pei, die mit Ashby, dem Wayfarer-Captain aus dem ersten Band, eine Beziehung hat, die hier auch eine Rolle spielt, denn Pei ist auf dem Weg zu Ashby. Wie ich gelesen habe, soll dies der letzte Band der Reihe sein, was ich ausgesprochen schade finde, zum einen wäre ich gerne noch einmal auf der Wayfarer gelandet, zum anderen gäbe es noch so viele Geschichten aus diesem Universum zu erzählen.


    Das Besondere an der Reihe ist, dass die Autorin es schafft, alle Spezies, alle Individuen, und auch alle Hintergründe authentisch wirken zu lassen. Sie mögen noch so fremd wirken, sie werden doch alle greifbar. Sehr gut gefällt mir auch, dass die Beziehungen untereinander thematisiert werden, und dass die Autorin es meistens schafft, dass sie tolerant und sensibel miteinander umgehen, zumindest im Laufe des Romans. In diesem Band ist das ganz besonders gut zu sehen, und hat mich sehr berührt. Am liebsten hätte ich Platz genommen zwischen Ouloo, Tupo, Pei, Speaker und Roveg.


    Dieses besondere Charakter- und Worldbuilding gelingt Becky Chambers wohl auch durch ihren persönlichen Hintergrund, die Eltern sind Astrobiologin sowie Luft- und Raumfahrttechniker. Auch Diversity ist immer wieder ein Thema in der Reihe, nicht nur durch die verschiedenen Spezies, so hat sich z. B. Tupo noch nicht für ein Geschlecht entschieden, und wird dadurch mit geschlechtsneutralen Pronomen, wie z. B. „sir“ angesprochen, das kennt man bereits auch aus den Vorgängerbänden.


    Erzählt wird aus den Perspektiven der einzelnen Charakteren, so dass man diese nicht nur aus ihrer eigenen Sicht, sondern auch aus die der anderen erlebt, was das Ganze rund macht, und zeigt, wie sie voneinander denken, und sich ihre Sichtweisen auch ändern.


    Der vierte, und wohl leider auch letzte, Band der Reihe ist wieder ein ganz besonderer Roman. Mich beeindruckt und berührt diese Reihe sehr und ich bin gespannt auf die weiteren Werke Becky Chambers’.

  • Gora ist ein ganz und gar unspektakulärer Planet und sticht einzig und allein durch seine günstige Lage hervor, die ihn als Zwischenstopp auf interplanetaren Reisen prädestiniert. Dort führt Ouloo das "Five-Hop One-Stop", eine Art Weltraum-Motel für Durchreisende und versucht ihren Sprössling Tupo vernünftig zu erziehen, und dort stranden diverse Reisende, nachdem aus unbekannter Ursache plötzlich Kommunikations- und Navigationssysteme flächendeckend ausfallen und die Weiterreise nicht sicher wäre.


    Die Aeluonerin Pei ist hin- und hergerissen zwischen ihren persönlichen Wünschen und ihren Pflichten als Frachterpilotin und gewinnt durch den unfreiwilligen Aufenthalt einerseits Bedenkzeit, andererseits geschieht etwas, das ihr Dilemma zunächst noch verschärft. Roveg befindet sich seit längerer Zeit im Exil von seinem Heimatplaneten und hat dort nun einen wichtigen Termin, der darüber entscheiden wird, ob er seine Heimat noch einmal sehen darf. Die Verzögerung kann er überhaupt nicht gebrauchen. Und Speaker, die zum Zeitpunkt des Technikausfalls mit einem kleinen Shuttle nach Gora gekommen ist, erlebt zum ersten Mal in ihrem Leben eine längere Trennung von ihrer Zwillingsschwester, die im Hauptschiff zurückgeblieben ist.


    Diese drei Gäste in Ouloos Unterkunft unterscheiden sich in so ziemlich allem - in der Spezies, in ihrer Art, die Welt wahrzunehmen, in ihren Gepflogenheiten und Einstellungen. Hinzu kommt die angespannte Gesamtsituation, in der auf den offiziellen Infokanälen, die noch funktionieren, bloß generische Durchhalteparolen zu hören sind. Kein Wunder, dass die Nerven blank liegen. Doch nicht zuletzt dank Ouloos Einfühlungsvermögen gelingt doch die eine oder andere Annäherung.


    Auch der letzte Band von Becky Chambers' Wayfarer-Reihe besticht durch wundervoll gezeichnete Weltraum-Wesen - wobei sich "Wesen" bezieht hier sowohl auf die verschiedenen Lebensformen als auch deren Charaktere - und kann auch als großartiges Plädoyer für Diversität gelesen werden. Es ist beileibe nicht alles Friede-Freude-Weltraumäquivalent-zu-Eierkuchen, wie sich nicht zuletzt an Rovegs Ausschluss von seinem Heimatplaneten zeigt, doch es gibt auch viele schöne Beispiele, wie ein konstruktives, wohlwollendes Miteinander gelingen kann.


    Der Versuch, in einer Krisensituation so etwas wie beruhigenden Alltag herzustellen, in einer zufällig zusammengewürfelten Schicksalsgemeinschaft miteinander auszukommen und zumindest ein bisschen Verständnis für anders geartete Mit-Wesen aufzubringen, verlangt allen Beteiligten einiges ab, und Becky Chambers fängt das in gewohnter Weise ausgezeichnet ein.


    Schade, dass diese schöne kleine Wohlfühlreihe nun zu Ende ist, andererseits ist es auch gut, aufzuhören, so lange das Niveau noch stimmt.