Titus Müller - Die fremde Spionin

  • „Vergib deinen Feinden, aber vergiss niemals ihre Namen.“ (John Fitzgerald Kennedy)

    Die 10-jährige Ria wird jäh von ihrer jüngeren Schwester Jolanthe getrennt und sowohl ihrer Familie als auch ihrem Umfeld beraubt, als die DDR-Staatssicherheit ihre Eltern als Volksverräter inhaftiert. Sie wächst in einer Pflegefamilie in Ostberlin auf und hat keinerlei Möglichkeit, mit ihrer Schwester in Kontakt zu treten. In Ria wird der Gedanke nach Rache immer größer, vor allem aber möchte sie unbedingt ihre Schwester wiederfinden. Durch einen Wink des Schicksals erhält Ria, die inzwischen im Ministerium für Außenhandel arbeitet, 1961 vom BND die Möglichkeit, als Spionin für den Westen zu arbeiten, wobei sich Ria natürlich auch Unterstützung bei der Suche nach ihrer Schwester erhofft. Die Arbeit als Spionin fordert Rias ganze Aufmerksamkeit, damit sie bei ihrer Arbeit nicht enttarnt wird und in die Fänge des DDR-Regimes gerät. Doch leider gelingt es ihr nicht, unsichtbar zu bleiben, so dass ihr schon bald sowohl die Stasi als auch der KGB mit seinem effektiven Top-Agenten Sorokin auf den Fersen sind. Wird Ria ihre Schwester wiederfinden?


    Titus Müller hat mit „Die fremde Spionin“ einen fesselnden Roman als Auftakt für seine neue Trilogie vorgelegt, der nicht nur mit exzellent recherchiertem historischem Hintergrund, sondern auch mit atemberaubender Spannung den Leser von Beginn an in Atem hält. Der flüssige, bildgewaltige und teils recht dramatisch anklingende Erzählstil Müllers lässt keine Wünsche offen und schickt den Leser auf eine Zeitreise zurück in die jüngste deutsche Vergangenheit, wo das Land zwar schon geteilt, die Mauer jedoch noch nicht errichtet war. An der Seite von Ria Nachtmann erlebt der Leser nicht nur originalgetreu das Leben im DDR-Regime mit, sondern wird nahezu hineinkatapultiert in die undurchsichtige und berechnende Welt der Geheimdienste, die ihre Agenten wie auf einem großen Schachbrett hin- und herschieben, um den Gegner matt zu setzen. Durch geschickte Perspektivwechsel lernt der Leser aber auch die Seite von Sorokin kennen, so dass er sich gut in beide Hauptprotagonisten hineinversetzen kann. Müller ist ein wahrer Erzählkünstler, der Fiktion mit Wahrheit so gekonnt verbindet, dass der Übergang fließend ist und den Leser sofort davon überzeugt, dass alles genauso stattgefunden haben kann. Dabei lässt er neben erfundenen Protagonisten damalige politische Größen wie Kennedy, Ulbricht, Schalck-Golodkowski oder Erich Honecker auftreten, was die Geschichte nur noch authentischer macht. Überraschende Wendungen sowie das undurchsichtige Katz- und Maus-Spiel der verschiedenen Geheimdienste machen die Handlung nicht vorhersehbar, so dass der Spannungsbogen auf sehr hohem Niveau bis zum Ende gehalten wird, und der Leser wunderbar miträtseln kann, wie die tiefgründig konzipierte Geschichte wohl enden wird.


    Die Charaktere sind sehr facettenreich ausgearbeitet, Ihnen wurde regelrecht Leben eingehaucht. Authentische menschliche Eigenschaften machen sie für den Leser glaubwürdig, der ihnen als unsichtbarer Schatten folgt und dabei Geschichte leibhaftig miterlebt. Ria ist aufgrund ihres Lebenslaufs eine zerrissene Persönlichkeit. Viel zu naiv und unbedarft geht sie an ihre Aufgaben als Agentin heran, bringt sich mehr als einmal in Gefahr, doch wächst sie an ihren Aufgaben und dem Leser immer mehr ans Herz. Sorokin wirkt wie ein eiskalter Killer, der stringent seine Aufträge erledigt, doch auch er ist aus Fleisch und Blut, kann Gefühle zulassen, die man ihm nicht zutrauen würde. Hähner wirkt eher wie ein Mensch denn wie ein Geheimdienstoffizier, denn er zeigt Verantwortung. Die übrigen Protagonisten sind ebenfalls sehr gut gezeichnet und tragen zur Spannung der Geschichte maßgeblich bei.


    „Die fremde Spionin“ lässt mit einer sehr gut ausgeklügelten Handlung nicht nur den kalten Krieg wieder lebendig werden, sondern hält den Leser mit rasantem Tempo in atemloser Spannung, während er bei der Lektüre ein Wahnsinnskopfkino sowie eine Achterbahn der Gefühle durchlebt. Absolute Leseempfehlung für alle, die Geschichte leibhaftig miterleben wollen!!!


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    Albert Einstein


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    gelesene Bücher 2020: 432 / 169960 Seiten

  • Gekauft und gelesen habe ich das Buch für den Lesekreis @Leselilien Darmstadt

    Der Autor war Gast im Bücherpodcast eat.READ.sleep (Folg #66), woraufhin eine es vom Lesekreis auf ihren Wunschzettel packte.

    Bei der Auslosung beim ersten gemeinsamen Treffen für unser gemeinsames Lesebuch dann wurde der Titel „Die fremde Spionin“ gezogen.

    Kleiner Funfact dazu ist, dass ICH das einzige Exemplar in ganz Darmstadt in einem von zwei großen Ketten kaufte, mich dabei noch gegen meine Freund @Literaturwahn durchsetze und eine andere aus dem Lesekreis es dann bestellen musste. In Groß-Zimmern und anderen Randgebieten scheint es keine Probleme mit der Vorrätigkeit des Buches gegeben zu haben …

    Nun aber zum Buch.

    Es ist der 1. Teil einer Trilogie und spielt 1961. Ich fand anfangs schwer rein, denn KGB und all das ist mir zwar namentlich ein Begriff, aber so etwas über ihre Arbeit, ihr Verbindungen zu lesen, ist dann doch was anderes. Aber der Schreibstil des Autors macht es einem leicht trotzdem reinzukommen und ich hatte sehr schnell Spaß an der Lektüre. Während dem Lesen überlegte ich, wie ich das Buch einsortieren sollte, denn ein Krimi oder Thriller ist es nicht, aber man kann es definitiv als „Spannungsroman“ bezeichnen.

    Man merkt dem Buch hat, dass der Autor sehr gut recherchiert hat, sowohl detailiert beschriebene Zimmer, als auch andere Requisiten verleihen zu den zeitlichen Abläufen, die teilweise etwas „verschoben“ wurden, Authentizität.

    Die Charakter haben, laut Nachwort lebendige Vorbilder, aber trotz allem war mir Ria etwas zu sehr „Superheldin“ in ihrer Rolle als Spionin. Sie ist von Anfang an sehr gewieft, raffiniert und trickreich.