Verlagstext
Mit zwei Flaschen Amselfelder auf dem 10-Meter-Brett.
Als der 15-jährige Morten Schumacher, genannt Motte, einen Anruf bekommt, ist in seinem Leben nichts mehr, wie es einmal war. Sein bester Freund Bogi ist plötzlich sehr krank. Aber das ist nur eine der herzzerreißenden Explosionen dieses Jahres, die in Matthias Brandts Roman »Blackbird« Mottes Leben komplett auf den Kopf stellen. Kurz danach fährt Jacqueline Schmiedebach vom Einstein Gymnasium auf einem Hollandrad an ihm vorbei, und die nächste Erschütterung nimmt ihren Lauf. Zwischen diesen beiden Polen, der Möglichkeit des Todes und der Möglichkeit der Liebe, spitzen sich die Ereignisse immer weiter zu, geraten außer Kontrolle und stellen Motte vor unbekannte, schmerzhafte Herausforderungen. Doch zum richtigen Zeitpunkt sind die richtigen Leute an Mottes Seite und tun genau das Richtige. Und er selbst schaut den Dingen mutig ins Gesicht, mit scharfem Blick und trockenem Witz. Die Figuren dieses Ausnahmeromans wird man nicht mehr vergessen, die Schornsteinfegerin Steffi, Elvis, den lebensklugen Bademeister mit den langen Koteletten, Neandertal-Klaus, und selbst den lustbetonten Sozialkundelehrer Meinhardt. Denn sie und all die anderen zeigen uns durch die Erzählkunst des Schriftstellers Matthias Brandt die Komik und die Tragik des Lebens, ihres Lebens in einer kleinen Stadt in den 70ern, aber auch unseres. Und wir können es sehen, ganz deutlich.
Der Autor
Matthias Brandt, geboren 1961 in Berlin als jüngster Sohn von Rut und Willy Brandt, ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler. Er war an renommierten deutschsprachigen Theatern engagiert, in den letzten Jahren arbeitete er hauptsächlich vor der Kamera. Für seine Leistungen ist er vielfach ausgezeichnet worden.
Inhalt
Mottes/Morten Schumachers Leben wird auf den Kopf gestellt, als der Vater seines Freundes Bogi die Turnierfahrt absagt, auf der sich die Jungs mit Amselfelder besaufen wollten. Vater Bogert hält sich anfangs mit genauen Aussagen über Bogis Krankheit zurück; Nachrichten zwischen den Jungs werden auf dem Umweg über die Erwachsenen ausgetauscht. Als schließlich die Diagnose Non-Hodgkin-Syndrom feststeht, sieht sich der 15-jährige Icherzähler unter dem Druck, Bogi im Krankenhaus zu besuchen und sich mit ihm zu unterhalten. Bogis Leben scheint unerwartet stehengeblieben zu sein – worüber soll man sich mit jemanden unterhalten, der nichts mehr erlebt? Motte scheint es am schwersten von allen Beteiligten zu fallen, Bogi mit Allerweltskram aufzuheitern. Woher sollte er das auch können? Krankenhaus, Krankheit überhaupt, das ist für die Jungen eine hassenswerte Welt, in der man die Kontrolle über sich abgeben muss. Neben einem beunruhigenden Interesse an Jacqueline Schmiedebach (die mit dem Hollandrad) und der Peinlichkeit einer neuen „Lebensgefährtin“ seines Vater sieht Motte sich verpflichtet, plötzlich wie ein Erwachsener für den schwerkranken Freund da zu sein. In der unrealistischen Erwartung, Motte könnte das von einem Tag auf den anderen, spiegelt sich die Hilflosigkeit der Erwachsenen, die Bogis drohendem Tod ebenso unvorbereitet gegenüberstehen.
Allein durch ein Wort wie Turnbeutel oder Plattenladen entsteht hier ein authentisches Feeling der 70er Jahre. Matthias Brandt zeichnet das Bild eines weichgespülten, behüteten Jahrzehnts, in dem Jugendliche aus heutiger Sicht bemerkenswert realitätsfern aufwuchsen. Dafür glaubten viele sicher zu wissen, dass Zivildienstleistende oder Sanitäter Drückeberger waren, jedenfalls so lange, wie sie selbst nicht zur Musterung gezogen wurden. Motte wird seine Weltfremdheit bewusst, als der Schornsteinfeger klingelt – es ist Steffi, mit der er gemeinsam zur Grundschule ging. Steffi gehört zu denen, die von Mottes Jahrgang automatisch herablassend behandelt werden, auch wenn niemand von ihnen persönlich Hauptschüler kennt. In der Begegnung mit der hinreißend normalen Steffi müsste selbst Morten auffallen, dass er im Gegensatz zu ihr keine Meinungen formulieren kann und keine Entscheidung treffen. Das Mädchen entwickelt sich zu Mortens großer Stütze, u. a. weil sie erstaunlich viel über Bogi weiß. Motte wirkt auf mich ein wenig zu brav und zu verständnisvoll, besonders gegenüber steinalten Lehrern. In seinem Alter wäre er eigentlich verpflichtet, Deutsch und Französisch zu hassen, aber nein, seine Deutschlehrerin mag ihn, weil er Wörter mag.
Coming-of-Age-Geschichten gibt es zwar viele, aber wie Morton das Leben und das andere Geschlecht entdeckt, das finde ich treffsicher gezeichnet und absolut lesenswert.