T.C. Boyle - Das Licht / Outside looking in

  • Kurzmeinung

    mondy
    Sex, LSD und Jazz ... Boyle, wie ich ihn kenne und schätze.
  • Kurzmeinung

    Hypocritia
    bissige Darstellung über die Entstehung einer Art religiösen Kults um LSD und seinen Sog nach unten
  • Kurzbeschreibung:

    T. C. Boyles Roman über den Psychologen und Hippie Timothy Leary und dessen LSD-Experimente: hell, bunt und wie ein Rausch


    Harvard-Professor, Psychologe und LSD-Guru Timothy Leary schart Anfang der 60er einen Kreis von Jüngern um sich, für neuartige Experimente mit psychedelischen Drogen. Unter dem Deckmantel seriöser Wissenschaft steuert das Ganze auf den totalen Kontrollverlust zu. Ein greller Trip an die Grenzen des Bewusstseins und darüber hinaus. Endlich wird der aufstrebende wissenschaftliche Assistent Fitz auf eine der LSD-Partys seines Professors, des Psychologen und LSD-Gurus Timothy Leary eingeladen. Er erhofft sich davon einen wichtigen Karriereschritt, merkt aber bald, dass Learys Ziele weniger medizinischer Natur sind; es geht dem Psychologen um eine Revolution des Bewusstseins und eine von sozialen Zwängen losgelöste Lebensform. Fitz wird mitgerissen von dieser Vision, mit Frau und Sohn schließt er sich der Leary-Truppe an: Sie leben in Mexiko, später in der berühmten Kommune in Millbrook, mit Drogen und sexuellen Ausschweifungen ohne Ende. Ein rauschhaftes Hörerlebnis – T.C. Boyle at his best. (Quelle: Verlagswebsite)


    Autor:

    T.C. Boyle wurde 1948 in Peekskill, im Hudson Valley, geboren und wuchs in schwierigen Familienverhältnissen auf. Nach ausschweifenden Jugendjahren in der Hippie- und Protestbewegung der 60er Jahre war Boyle Lehrer an der High School in Peekskill und publizierte während dieser Zeit seine ersten Kurzgeschichten in namhaften Zeitschriften. Heute lebt er mit seiner Frau und drei Kindern in Kalifornien. Bis ins Jahr 2012 unterrichtete er an der University of Southern California in Los Angeles 'Creative Writing'. Für seinen 1987 erschienenen Roman "World´s End" erhielt Boyle den PEN/Faulkner-Preis. (Quelle: Verlagswebsite)


    Sprecher:

    Florian Lukas, 1973 geboren, hat seine Karriere am Theater begonnen, sich dann aber bald einen Namen mit Filmrollen gemacht. Nach den Kinoerfolgen Absolute Giganten und St. Pauli Nacht (beide 1998) erhielt er bereits erste Auszeichnungen. Für seine Darstellung in Goodbye, Lenin! (2003) folgten der Deutsche Filmpreis sowie ein Bambi. In dem preisgekrönten Fernsehmehrteiler Weissensee spielt Florian Lukas die Hauptrolle, auch in vielen weiteren Kino- und TV-Produktionen ist er zu sehen. Daneben bestreitet er Lesungen und spricht Hörbücher. (Quelle: Verlagswebsite)


    Allgemeines:

    Erschienen bei „derHörverlag“ im Januar 2019.
    Hörbuch MP3-CD, 1 CD, Laufzeit: 11h 28 min, gekürzte Lesung
    Originalverlag: Carl Hanser Verlag
    Originaltitel: „Outside looking in“ übersetzt von Dirk van Gunsteren

    Erzählt wird in der dritten Person aus wechselnden Perspektiven.


    Meine Meinung:

    „Hell, bunt und wie ein Rausch“ steht in der Kurzbeschreibung. Naja, das hell und bunt hab ich ehrlich gesagt vermisst. Rausch gibt es dafür reichlich. Gefühlt ist man 10 von 11 Stunden Hörbuch auf LSD oder anderen Drogen. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Vielleicht hätte ich vorher die Inhaltsangabe lesen sollen, aber ich wollte einfach Boyle noch eine Chance geben, den viele so hoch loben. Und so bin ich eine Geschichte gestolpert über einen LSD-Guru, von dem ich vorher noch nie gehört hatte (ich hab erst nach dem Hören realisiert, dass es den wirklich gab). Allerdings spielt Tim nicht einmal die Hauptrolle, sondern einer seiner Jünger, dem mit zunehmendem Drogenkonsum die Kontrolle über sein Leben entgleitet. Also nichts weltbewegend Neues. Und auch die Handlung hält keine wirklichen Überraschungen bereit, von der Tatsache abgesehen, dass Leary über schier unerschöpfliche finanzielle Mittel verfügt haben muss oder die Behörden sensationell unfähig gewesen sein müssen. Nun ja – das mag zur damaligen Zeit sogar funktioniert haben. Ansonsten folgt ein Tripp dem anderen, alle haben sich lieb – zumindest meistens – und wenn nicht, hilft auch hier der nächste Tripp beim Versöhnen oder Drüberwegkommen. Selten gibt es mal Episoden, die zum Schmunzeln anregen, die man dann aber umso dankbarer annimmt.


    Da das Hörbuch nicht sonderlich lang ist, kommt nicht wirklich Langeweile auf, aber die große Unterhaltung war es jetzt auch nicht. Apropos Länge: warum man ein Hörbuch, dass in der ungekürzten Version 14 Stunden umfasst, dann noch in einer auf 11,5 Stunden gekürzten Version herausbringen muss, erschließt sich mir nicht wirklich. Nun ja – wie auch immer: Boyle und ich werden uns wohl doch nicht anfreunden. Von mir gibt es :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:. Boyle-Fans werden das sicher anders sehen.


    Fazit: Viel Rausch, wenig Amüsement.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


    "Wenn der Schnee fällt und die weißen Winde wehen, stirbt der einsame Wolf, doch das Rudel überlebt." Ned Stark

  • Boyle-Fans werden das sicher anders sehen.

    Das wird sich zeigen. Ich habe die Printausgabe in der Bücherei vorbestellt. Einige seiner Bücher gehören für mich zu den besten, die ich in den letzten Jahrzehnten von amerikanischen Autoren gelesen habe, mit anderen komme ich nicht so gut klar.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Boyle-Fans werden das sicher anderssehen.

    Wir werden sehen. Ich hab das Buch zum Geburtstag bekommen und sehe das so wie Marie . Ich mag sehr viel von Boyle, aber nicht alles. Ein permanenter Drogenrausch klingt jetzt nicht nach dem, was ich sehr gerne lese, andererseits glaube ich daran, dass Boyle was draus machen kann.

  • Boyle-Fans werden das sicher anderssehen.

    Ich bezeichne mich zwar nicht als Boyle-Fan aber seine "Terranauten" hatten mich richtig begeistert !

    Dieses Buch hier habe ich recht schnell abgebrochen, das war nun so gar nicht mein Thema.

    Man muss ja auch, selbst wenn man "Fan" eines Autors ist, nicht vorbehaltlos alle seine Bücher gut finden, oder ?

  • Man muss ja auch, selbst wenn man "Fan" eines Autors ist, nicht vorbehaltlos alle seine Bücher gut finden, oder ?

    Nein, natürlich nicht. Aber vielleicht geht ja irgendwas an Boyles Stil an mir vorbei, das ihn für andere so lesenswert macht. Ich habe zum Beispiel gesehen, dass taliesin das Buch mit 5 Sternen bewertet hat.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


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  • Man muss ja auch, selbst wenn man "Fan" eines Autors ist, nicht vorbehaltlos alle seine Bücher gut finden, oder ?

    Nein, natürlich nicht. Aber vielleicht geht ja irgendwas an Boyles Stil an mir vorbei, das ihn für andere so lesenswert macht. Ich habe zum Beispiel gesehen, dass taliesin das Buch mit 5 Sternen bewertet hat.

    Hm, ich glaube das liegt auch mit daran ob man einen persönlichen Bezug zurThematik herstellen kann oder ob einem diese eher fremd ist.

    In dem Teil Deutschlands wo ich gross geworden bin, kam man mit diesem Drogenkram (zumindest damals, heute sieht das auch anders aus) nicht in Berührung und das war auch gut so. Aber somit kann man mit dem Thema dann auch nicht wirklich viel anfangen.

  • Dieses Buch wurde am Freitag im „Literarischen Quartett“ besprochen. Volker Weidermann, Thea Dorn und der Gast Robert Habeck fanden es ziemlich schwach und langweilig, Christine Westermann, die es vorgestellt hatte, gefiel es dagegen sehr. Thea Dorn outete sich als großer T.C.-Fan und empfahl Westermann und den Zuschauern, lieber Boyles Roman „Drop City“ zu lesen, der ebenfalls das Thema „Drogen“ behandele, aber weitaus besser sei als der neue Roman.


    Ich war mal ein T.C. Boyle-Fan, bin dann aber von ihm abgekommen, weil ich einige schwache Romane von ihm gelesen habe, die mich sehr gelangweilt haben. Deshalb kenne ich bis jetzt nur Romane von ihm, die vor der Jahrtausendwende erschienen sind. Vor ein paar Jahren habe ich es noch mal mit „Grün ist die Hoffnung“ versucht, in dem es um den Anbau von Marihuana geht. Da das Buch in demselben Zeitraum wie meine beiden Lieblingsromane von ihm „World’s End“ und vor allem „Wassermusik“ erschienen ist, konnte eigentlich nichts schief gehen, aber ich war enttäuscht. Es war dieselbe Masche wie in „World’s End“: Der Protagonist gerät von einer Katastrophe in die andere und all seine Pläne gehen den Bach runter. Das fand ich dieses Mal nicht witzig, sondern einfach nur absehbar und langweilig. Wenn ich es zwanzig Jahre früher gelesen hätte, hätte es mir aber vielleicht gefallen.


    Da ich auf meinem Kindle die „Terranauten“ habe, werde ich es damit noch mal probieren und bei Gefallen dann tatsächlich „Drop City“ lesen, wenn ich auch vor Drogen immer Angst hatte (die Zeile „You know, I've seen a lot of people walkin' 'round with tombstones in their eyes“ aus dem Lied „The Pusher“ von Steppenwolf ist mir bis heute mahnend im Ohr geblieben).

    Dass T.C. Boyle eine zwanzigjährige Drogenkarriere hinter sich hat, sieht man ihm auch an. Meine Güte, ist der spindeldürr. Aber das Schreiben hat ihm darüber hinweggeholfen. Bei den meisten drogen- oder alkoholabhängigen Autoren klappt das nicht.

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • mofre , in diesem Fall darf ich Dir Boyles Kurzgeschichten empfehlen. Wenn ich mich richtig erinnere, hast Du auch ein Faible für die kurzen Gattungen? :-k


    In dem Zusammenhang: Guck mal den letzten Satz in meinem alten Beitrag an! :shock:

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  • mofre , in diesem Fall darf ich Dir Boyles Kurzgeschichten empfehlen. Wenn ich mich richtig erinnere, hast Du auch ein Faible für die kurzen Gattungen? :-k


    In dem Zusammenhang: Guck mal den letzten Satz in meinem alten Beitrag an! :shock:

    Ach, ich habe Dir T.C. Boyle empfohlen? Da kannst Du mal sehen. Schade, dass Du bei Thomas Mann so bockbeinig bist.:wink: Was meinen Faible für Kurzgeschichten betrifft, hast Du Recht. Ich lese sie tatsächlich gern. Ich kenne schon Boyles Kurzgeschichtenband "Tod durch Ertrinken" und fand ihn nicht schlecht, soweit ich mich erinnere. Aber wie soll man es bloß schaffen, all diese Bücher jemals zu lesen? An diesem Problem müssten die Forscher dieser Welt dringend mal arbeiten.

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

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  • An dem Roman scheiden sich wohl die Geister.

    Mir hat einiges gut gefallen:

    - Z. B. die grundsätzliche Idee Boyles, einen Roman über Timothy Leary zu schreiben. Boyle erzählt nicht zum ersten Mal von einem Prominenten der amerikanischen Zeitgeschichte.

    Dass er ihn eher in der Außensicht beschreibt, also aus der Perspektive des Doktoranden Fitz und seiner Frau Joanie, finde ich auch gelungen.

    - Das Vorspiel (muss das so ausführlich sein?) macht dem Leser klar, dass es sich bei LSD eigentlich und ursprünglich um ein

    Medikament im Bereich der Psychotherapie handelt, und diese wissenschaftliche Verortung ist ebenfalls gelungen.

    - Der Anfang des Buchs zeigt ein symptomatisches Bild des Protagonisten: das Auto stottert, seine Frau lässt ihn warten, weil der Babysitter noch nicht da ist, beide sind genervt. Wir erfahren, dass Joanie ihr Studium wegen der Schwangerschaft abgebrochen hat und die Familie nun mit ihrer Arbeit durchbringt. Und so versteht man als Leser gleich zu Beginn des eigentlichen Romans, wieso die beiden nur eines wollen: ausbrechen aus diesem Alltag.

    Wie Boyle diese Lage mit einigen wenigen Worten skizziert, ist einfach gekonnt.


    Aber:

    Wieso erzählt Boyle diese Geschichte so merkwürdig routiniert und lieblos? Die Beschreibungen der Trips wiederholen sich: Lichtvisionen, ekstatische Glücksgefühle, ebenso ekstatischer Sex querbeet, Halluzinationen. Dazu dann das Aufgehoben-Sein in einer Art Sekte.

    Nun gut. Das kann man ja genießen.

    Aber nur in einem Nebensatz ist die Rede von den Gefahren, die der Konsum des LSD mit sich bringt und die schließlich auch der Grund dafür sind, dass Leary seiner akademischen Ämter enthoben wurde.


    Mich hat das Buch streckenweise einfach gelangweilt.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Aber nur in einem Nebensatz ist die Rede von den Gefahren, die der Konsum des LSD mit sich bringt und die schließlich auch der Grund dafür sind, dass Leary seiner akademischen Ämter enthoben wurde.

    Muss Boyle darauf hinweisen? Man erwartet von einem Autor auch nicht, dass er sagt, das Wasser sei nass, wenn er ein Schwimmbad beschreibt.


    Mir gefällt es, dass Boyle aus der Sicht einer Person (oder zweier) erzählt, die sich positive Erfahrungen von der LSD-Einnahme versprechen und nicht wissen (wollen), was Sucht ist oder dass sie selbst jemals süchtig werden könnten. (Ich habe noch ein Drittel des Buches vor mir, daher meine Ansichten hier unter Vorbehalt. :wink:)

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Muss Boyle darauf hinweisen? Man erwartet von einem Autor auch nicht, dass er sagt, das Wasser sei nass, wenn er ein Schwimmbad beschreibt.

    Na ja, als so banal würde ich das nicht ansehen.


    Für mich hätte der Roman dadurch Tiefgang gewonnen. Vor allem hinsichtlich der Entscheidung des Protagonisten-Paares, ihrem charismatischen "Guru" zu folgen und damit ihre bürgerliche Existenz zu verlassen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Na ja, als so banal würde ich das nicht ansehen.

    Nun ja, Bukowski hat es auch nicht als notwendig empfunden in jeder Geschichte darauf hinzuweisen, wie gefährlich übermäßiger Alkoholkonsum ist und auch in vielen anderen Werken der mehr oder minder klassischen Literatur werden bei Protagonisten vorkommende Süchte eher en passant behandelt - wohl auch, weil sie auch im richitgen Leben in manchen Kreisen so behandelt werden.


    Frei nach Oscar Wilde: Es ist nicht Aufgabe des Autoren zu unterrichten, sondern zu unterhalten.

  • drawe , es würde mir gefallen, wenn Boyle eine Figur entworfen hätte, die durch den Konsum von LSD einen psychischen Schaden davontragen würde. Das entspräche der Realität und würde die andere Seite zeigen.

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  • nicht als notwendig empfunden in jeder Geschichte darauf hinzuweisen, wie gefährlich übermäßiger Alkoholkonsum

    Nein - weil das zum Alltagswissen gehört. Mehr oder weniger.

    Hier liegt die Sache meiner Meinung nach aber anders: LSD ist neu und wird als Medikament betrachtet, die Wirkungen und Nebenwirkungen sind zunächst unbekannt. Da hätte es das Bild abgerundet, auch von negativen Erfahrungen zu lesen.

    Im Roman ist zwar die Rede von einem "schlechten Trip" - aber es bleibt offen, was das jetzt ist. Und, wie gesagt, die Entscheidung des Paares, ihrem Guru zu folgen, hätte dadurch ein anderes Gewicht bekommen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • nicht als notwendig empfunden in jeder Geschichte darauf hinzuweisen, wie gefährlich übermäßiger Alkoholkonsum

    Nein - weil das zum Alltagswissen gehört. Mehr oder weniger.

    Hier liegt die Sache meiner Meinung nach aber anders: LSD ist neu und wird als Medikament betrachtet, die Wirkungen und Nebenwirkungen sind zunächst unbekannt. Da hätte es das Bild abgerundet, auch von negativen Erfahrungen zu lesen.

    Im Roman ist zwar die Rede von einem "schlechten Trip" - aber es bleibt offen, was das jetzt ist. Und, wie gesagt, die Entscheidung des Paares, ihrem Guru zu folgen, hätte dadurch ein anderes Gewicht bekommen.

    Zum Zeitpunkt der Handlung mag LSD neu gewesen sein, aber nicht zum Zeitpunkt der Entstehung des Buches. Dass Drogenkonsum egal in welcher Form gefährlich ist, weiß man heute einfach. Aber in einem gebe ich dir Recht: ich habe eigentlich auch die ganze Zeit darauf gewartet, dass irgendwas gravierendes passiert. So ein richtiger Knaller hat irgendwie gefehlt.

    Gelesen in 2024: 9 - Gehört in 2024: 6 - SUB: 626


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  • Nein - weil das zum Alltagswissen gehört. Mehr oder weniger.

    Hier liegt die Sache meiner Meinung nach aber anders: LSD ist neu und wird als Medikament betrachtet, die Wirkungen und Nebenwirkungen sind zunächst unbekannt.

    Es ist immer wieder erstaunlich, wenn man mit Alkoholkranken zu tun hat - und ihren Angehörigen, wieviel von diesem "Alltagswissen" nicht den wissenshcaftlichen udn meidzinischen Fakten entspricht. Und auch bei Leuten, die zu ihrem Glück keine direkten oder indirekten Erfahrungen damit gemacht haben. Und es gibt immer noch genug Leute, die bestimmte alkoholische Getränke als Medikamenten betrachten - und sie auch entsprechend anwenden. Und da die 60er Jahre nun auch schon über ein halbes Jahrhundert her sind und LSD eine Menge Presse bekommen hat seinerzeit, ist das Wissen darum in der Allgemeinheit zur damaligen Zeit auch nicht wesentlich gesicherter gewesen als zum Alkohol. Wir reden von einer Zeit, in der Männer teils Bier zum Frühstück getrunken haben, sich dann ins Auto setzten, zur Arbeit fuhren, wo sie einen "medizinischen" Flachmann in der Schublade hatten, in der Mittagspause gerne ein "Herrengedeck" (einen Schnaps und ein Bier) zu sich nahmen und nach Feierabend auf dem Nachhauseweg auch noch einmal kurz irgendwo einkehrten. Und wo das als total normal gesehen wurde. Ach ja, und Zigaretten waren gut gegen Erkältungssymptome. :shock:


    Vor zwei, drei Jahren hat der GUARDIAN darüber berihtet, dass die ersten Banken und Versicherungen in London ihren Mitarbeitern - gerade in der Akquizse - das Alkoholtrinken in der Mittagspause untersagten - und insbesondere auch "Arbeitsessen" mit möglichen Kreditnehmern mit hohem Alkoholkonsu, weil durch die Abschlüsse unter Alkoholeinfluß den Firmen zum Teil Milliardenschäden entstanden sind. Außerdem ist es ""Alltagswissen," dass Opiate süchtig machen und zum Tod führen können. Trotzdem haben unter anderem die USA und die Vereinigten Königreiche eine seit etlichen Jahren andauenrde Opiatkrise, deren Hauptmitverursacher - die Sacklerfamilie - im Moment in den USA vor dem dritten Bundesstaatgericht stehen.


    In den 60er und 70er Jahren wurde viel mit Drogen experimentiert - übrigens wohl auch von behördlicher Seite. Schlechte Trips waren durch die Presse und andere Medien ziemlich bekannt.


    Es gab Menschen mit negativen Erfahrungen mit LSD, aber Boyle hat sich entschieden, über andere zu reden - die wohl innerhalb der Gruppe der LSD-Konsumenten eine Majorität dargestellt haben, nehme ich an. Das ist als Autor sein Recht. Natürlich ist auch die Leserschaft berechtigt, das Fehlen solcher Charaktere, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, als einen Makel zu betrachten. :wink:


    BTW, zu sagen, dass Leary wegen seiner LSD-Guruhaftigkeit seiner akademischen Ämter enthoben worden ist mag ein wenig zu monokausal sein. Viele seiner philosophischen und politischen Ansichten hatten sein Entfernen von den Unis wohl auch so wünschenswert erscheinen lassen.

  • K.-G. Beck-Ewe , das kann ich alles nachvollziehen, was Du sagst - vor allem,

    da ich in einem Landstrich wohne, in dem das Trinken noch als Männlichkeitsritual aufgefasst wird.


    Wir haben wohl eine unterschiedliche Betrachtungsweise, was dieses Buch angeht.

    Zum Zeitpunkt der Handlung mag LSD neu gewesen sein, aber nicht zum Zeitpunkt der Entstehung des Buches

    Ja natürlich - und ich versetze mich in die Zeit, von der es handelt, und ich gehe nicht mit meiner heutigen Brille daran.


    Es ist so, dass Leary quasi eine Versuchsanordnung vorgeschrieben hat (laut Buch), die er aber ins private Umfeld verlagert hat. Jede Einnahme, jede Wirkung wird von den Probanden protokolliert. Jedenfalls anfänglich, im Lauf der Geschichte verliert sich dieser "wissenschaftliche" Anspruch (der sowieso zu bezweifeln wäre).

    Und da sollen nur positive Ergebnisse herauskommen?


    Egal, wie man das sehen will: ich denke nach wie vor, dass aus dramaturgischen Gründen eine differenziertere Darstellung dem Roman genützt hätte.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • zu sagen, dass Leary wegen seiner LSD-Guruhaftigkeit seiner akademischen Ämter enthoben worden ist mag ein wenig zu monokausal sein.

    … noch ein Punktabzug fürs Buch.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).