Arminuta handelt von einem italienischen Mädchen in den 70ern, das bis zu ihrem 13. Lebensjahr bei einer Adoptivfamilie aufwächst, ohne es zu wissen. Mit einem Mal wird sie dann in ihre eigentliche Familie zurückgegeben. Im Gegensatz zur Adoptivfamilie ist diese sehr arm und kinderreich. Mit diesem Unterschied muss die Protagonistin zurechtkommen.
Die unterschiedlichen Familiendynamiken, die im Buch aufeinandertreffen, sind unglaublich spannend formuliert. Während die Protagonistin mit ihrer Adoptivfamilie den Sommer am Strand verbrachte, nachmittags zum Ballettunterricht ging und zu dritt in einem Haus wohnte, zieht sie nun zu einer ihr völlig fremden Familie, von der sie bis zu diesem Zeitpunkt nichts wusste. Dort herrschen völlig andere Verhältnisse - ihr "richtiger" Vater ist Arbeiter in einer Ziegelei, sie hat mit einem Mal viele Geschwister und das Geld ist knapp. Noch dazu wird das Fehlverhalten der Kinder mit Schlägen bestraft, was die Protagonistin so noch nicht kennt.
Die Charaktere sind besonders vielschichtig in diesem Roman: Sie verhalten sich nicht nach dem Muster einer ihnen zugehörigen Rolle, bleiben aber dennoch ihrem Charakter treu. So kenne ich das auch aus dem echten Leben - eine mutige Freundin springt nun Mal doch nicht über jeden Graben. Niemand verhält sich nur nach dem Plan der Eigenschaften, die ihn ausmachen. Das ist im Buch gut gelungen, genau so wie die Charakterentwicklung der Protagonistin. Anfangs ist sie ein eher zurückgenommenes Mädchen. Mit Ausnahme weniger Ausbrüche nimmt sie ihre neue Lebenssituation hin und passt sich den Gegebenheiten an. Doch das erlebte formt sie, und ihre ganz besondere Beziehung zu ihrer Schwester ist eine einzigartige Beschreibung von Zusammenhalt unter Schwestern.
Doch kommen wir nun zu dem, was mich dann doch sehr irritiert hat: In der ersten Hälfte des Buchs sind die Begegnungen der Protagonistin mit ihrem ältesten Bruder, dem 18-jährigen Vincenco im Vordergrund. Die beiden haben sich nicht als Bruder und Schwester kennengelernt, sind nicht in diesem Verhältnis aufgewachsen. Daher entsteht aus dieser Verwirrtheit eine sexuelle Aufladung, die mir dann doch etwas zu viel war. Immer wieder gibt es Momente, in welchen die beiden Grenzen überschreiten oder sich mitreißen lassen. Mehr als ein Kuss ist am Ende nicht wirklich dabei, aber dennoch ist diese Thematik für mich ein ganz klares No-Go. Ich möchte nicht über hundert Seiten hinweg von dieser sexuellen Verwirrtheit zweier pubertärer Geschwister untereinander hören, zumal ich allein den Altersunterschied von 13 zu 18 Jahren in dem Alter schon problematisch finde.
Dieser Aspekt hat meine Wertung des Buchs doch stark hinuntergezogen. Die zweite Hälfte des Buchs nimmt dann Abstand von dieser Beziehung und hat das Ruder noch ordentlich herumgerissen. Mit Abstand von dieser Thematik ist das Buch ganz besonders, aber so gefiel mir ein großer Teil einfach nicht. Daher nur 3 unentschlossene Sterne von mir.