Autorin
Kathrine Kressmann Taylor, 1903 in Portland geboren, arbeitete nach dem Studium als Journalistin und Werbetexterin. 1938 veröffentlichte sie den Briefroman „Adressat Unbekannt“, der über sechzig Jahre später auch zum Bestseller in Frankreich und Deutschland wurde. Ihr zweiter Roman „Bis zu jenem Tag“ (1942) mehrte ihren Ruhm, und sie lehrte fortan am Gettysburg College. Später lebte sie abwechselnd in Minneapolis und in Florenz. 1997 starb sie.
(Quelle: Verlagsinfo Hoffmann und Campe)
Inhalt und Aufbau
Zur Vorgeschichte: Die beiden Freunde Martin Schulse und der Jude Max Eisenstein studierten gemeinsam in Deutschland. Nach ihrem Studium wanderten sie als mittellose Künstler nach Amerika aus, wo sie gemeinsam eine gut laufende Galerie aufbauten. Martin ist verheiratet und hat Kinder. 1932 kehrte er nach München zurück, weil er wollte, dass seine Söhne in Deutschland aufwachsen.
Max führt derweil die Galerie weiter und überweist Martin regelmäßig seine Anteile am Gewinn. Zum Kundenstamm gehören vorwiegend ältere „jüdische Matronen“.
Der Briefroman setzt ein, als Martin Schulse 1932 bereits wieder in München lebt, wo er mit seinem erworbenen Reichtum ein Schloss erwerben kann. Die Bevölkerung in Deutschland leidet zu dieser Zeit unter einer Wirtschaftskrise, es herrscht viel Arbeitslosigkeit, Armut und Unzufriedenheit.
Im ersten Brief, der datiert auf den 12. November 1932, erkundigt sich Max bei Martin wie er sich in München eingelebt hat. Anhand der danach alle 3-6 Wochen folgenden Briefe, kann man mitverfolgen, wie sich in Deutschland die Stimmung ändert. Der Nationalsozialismus verbreitet sich und die anfangs skeptische und „nur“ opportunistische Haltung von Martin Schulse verwandelt sich in einen Fanatismus, der darin gipfelt, dass Martin zwar gerne das Geld aus der Galerie annimmt, aber sonst den Kontakt zu Max abbrechen möchte, weil er sich in seiner Position keinen Briefkontakt zu einem Juden leisten kann. Alle Post, die an die Privatadresse geschickt wird, wird abgefangen und gelesen. Max darf, wenn es denn nötig ist, seine Briefe nur noch mit der Geschäftspost an die Bank richten.
Max Eisensteins Schwester Griselle, die früher mal Martins Geliebte war, ist Schauspielerin und nimmt ein Engagement an einem Berliner Theater an. Bald ist der Antisemitismus so verbreitet, dass sie in Bedrängnis gerät. Ein Brief, den Max an Griselle richtet, kommt zurück mit dem Vermerk „Adressat Unbekannt“. Max fürchtet das Schlimmste und bittet Martin um Hilfe.
Der Briefkontakt geht weiter bis zum 3. März 1934.
Meine persönliche Meinung
Für das Verständnis des Romans ist es von Vorteil, wenn man mit den wichtigsten Eckdaten der Geschichte von 1932 bis 1934 wie der Machtergreifung Hitlers, der Zensur und der Judenverfolgung etwas vertraut ist. Je mehr man darüber weiß, desto mehr Details kann man verstehen.
Im zweiten Teil des Briefromans nimmt die Handlung eine unerwartete Wendung. Der von seinem Freund Martin schwer enttäuschte Max wechselt in seinen Briefen, die er wieder an die Privatadresse von Martin schickt, zu einem auffallend freundlichen Ton und lässt die Gefahr so richtig zwischen den Zeilen lauern.
Eine Geschichte, die zur Zeit des Nationalsozialismus spielt, wie es recht viele gibt, könnte man im ersten Moment meinen. - Doch weit gefehlt! Die Qualität dieses Werks liegt nicht nur im originellen Format des Briefromans, durch das man direkt in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten blicken kann. Die amerikanische Autorin Katherine Kressmann Taylor hat dieses Buch im Jahre 1938 veröffentlicht, im Jahr der Reichsprogromnacht. Zu einer Zeit also, wo in Deutschland (angeblich) noch viele Leute „nicht wussten“ was mit der jüdischen Bevölkerung geschah und was es mit Konzentrationslagern auf sich hatte.
Das Hörbuch ist gesprochen von Matthias Brandt und Stephan Schad. Ich war beeindruckt von der Eiseskälte, die Stephan Schad dem Martin Schulse in den Mund zu legen vermag. Auch Matthias Brandt interpretiert die Briefe aus Eisensteins Feder sowohl in sehr warmem, freundschaftlichem Ton, als auch so, dass man die panische Angst um seine Schwester förmlich spüren kann.
Mein Fazit
Ich habe dieses kurze Hörbuch von 60 Minuten Dauer mehrmals sehr aufmerksam gehört und konnte jedes mal wieder neue Aspekte entdecken, die mir bislang entgangen waren. Es gibt noch immer ein paar Punkte, die ich noch nicht bis ins letzte Detail verstanden habe. Aber ich denke ich habe den Sinn zwischen den Zeilen von Eisensteins letzten Briefen richtig interpretiert, so dass mir am Ende wirklich der Atem stockte.
Ein kurzes Buch in einer sehr schönen Hörbuch Umsetzung, das mich sehr berührt hat.
Ich möchte sowohl das Buch als auch die Hörbuchversion empfehlen mit