Der Fall Sneijder

Buch von Jean-Paul Dubois, Nathalie Mälzer

Bewertungen

Der Fall Sneijder wurde insgesamt 2 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Fall Sneijder

    Der 1950 in Toulouse geborene und in Deutschland trotz zweier schon 2005 und 2007 veröffentlichter Romane noch relativ unbekannte französische Schriftsteller Jean-Paul Dubois ist in seiner Heimat ein sehr bekannter und schon mit vielen Preisen ausgezeichneter Autor.
    Vielleicht ändert sich sein Bekanntheitsgrad bei uns mit seinem neuen bei DTV erschienenen Roman „Der Fall Sneijder“. Auf 240 Seiten, die sich beim Lesen umblättern wie im Flug, erzählt er spannend und mit großer erzählerischer Tiefe die Geschichte von Paul Sneijder. Dessen Leben nimmt am 4. Januar 2011 um genau 13:12 Uhr eine dramatische Wendung. Denn er wird zusammen mit seiner aus erster Ehe stammenden, etwa dreißigjährigen Tochter Marie und zwei weiteren Menschen Opfer eines furchtbaren Unfalls. Der Aufzug eines Hochhauses in Montreal stürzt mit seinen vier Fahrgästen aus ungeklärten Umständen 28 Stockwerke in die Tiefe. Paul Sneijder ist der einzige, der das Unglück überlebt. Ein Wunder, über das sich Paul Sneijder, den Dubois die Geschichte selbst erzählen lässt, aber nicht wirklich freuen kann. Von einem auf den anderen Tag stellt der Unfall sein Leben auf den Kopf. Er weiß, dass er sein altes Leben nicht weiterleben kann, doch er lehnt professionelle Hilfe ab, genauso wie er später seine versicherungsrechtlichen Ansprüche schleifen lassen wird:
    „“Jedenfalls habe ich nicht im Entferntesten die Absicht, zum Arzt zu gehen. Ich habe über mein Problem nachgedacht und beschlossen, es zu akzeptieren, damit zu leben. So wie man sich nach einem Unfall damit abfindet, dass man hinkt. Vielleicht gibt es seit diesem Ereignis tatsächlich Momente, in denen mein Gehirn ein wenig hinkt, Nun, dann werde ich künftig riskante Situationen meiden, mich sooft es geht, von Hochhäusern fernhalten und vor allem von den Leuten, die darin leben.“
    Seine gut bezahlte Stelle als Weinhändler kündigt er, und nicht nur deswegen wird die Kluft zwischen ihm und seiner zweiten Frau Anna immer größer. Doch das stört ihn nicht. Paul Sneijder beschäftigt sich immer intensiver mit allem, was er über Aufzüge an Informationen bekommen kann und wird bald zu einem regelrechten Spezialisten. Und dann stößt er auf einen Artikel mit dem Titel „Up an Then Down“ im New Yorker:
    „’Aufzüge werden weit unterschätzt und unterbewertet. Sie sind für eine Stadt das, was Papier für das Lesen oder Kanonenpulver für den Krieg sind. Ohne Aufzüge gäbe es keine Vertikalität mehr, also auch keine Bevölkerungsdichte. Man müsste die Energie über immer weitere Strecken transportieren, und alle kulturellen Fermente, die an die Urbanität geknüpft sind, würden sich auflösen. Die Bevölkerung würde sich ausbreiten, sich wie ein Öllache über den gesamten Planeten verteilen, und die Leute verbrächten ihr Leben in öffentlichen Verkehrsmitteln.’“
    Und es wird ihm klar: „Die Wirklichkeit war nicht mehr dieselbe, wenn man sie von einer Fahrstuhlkabine aus betrachtete.“ Und nun wird sein gesamte Nachdenken und Forschen zu einer Parabel über das Leben in unserer Gegenwart und die Aufzüge zu einer Metapher für die moderne urbane Welt. Seine beiden in Europa lebenden Söhne aus erster Ehe kommen mehrmals geflogen, um ihren Vater zur Räson zu rufen, vor allen Dingen auch, weil er Millionenbeträge, die ihm von der Versicherung zustehen würden, in den Wind schlägt. Und obwohl sie in trauter Eintracht mit ihrer Stiefmutter ihren Vater für unmündig erklären lassen, hält Paul an seinem Traum fest: er will in Dubai mit dem Aufzug auf das höchste Gebäude der Welt fahren…
    Unterhaltsam und fesselnd, und dennoch von beeindruckender menschlicher Tiefe wirkt dieser Roman noch lange nach, macht nachdenklich und skeptisch.
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  • Rezension zu Der Fall Sneijder

    Klappentext:
    Am 4. Januar 2011, um exakt 13:12 Uhr, stürzt der Aufzug eines Hochhauses in Montréal 28 Stockwerke in die Tiefe. Paul Sneijder ist der einzige Überlebende. Die vier anderen Mitfahrer, darunter seine Tochter Marie aus erster Ehe, sind tot. Der Unfall verändert das Leben Paul Sneijders gänzlich - er kündigt seine Stelle als Weinimporteur, distanziert sich von seiner zweiten Frau. Er sucht nach den Gründen für den Absturz und hinterfragt die Bedingungen unserer modernen Existenz. Pointiert und mit schneidendem Witz beschreibt Paul Sneijder sein Leben - ein ebenso verwundeter wie starker Held, zu dessen Schicksal es zudem gehört, nichts zu vergessen. (von der Verlagsseite kopiert)
    Zum Autor:
    Jean-Paul Dubois wurde 1950 in Toulouse geboren, wo er derzeit wieder lebt. Er studierte Soziologie, arbeitete mehrere Jahre als Sportreporter bei verschiedenen Tageszeitungen. Er hat 15 Romane veröffentlicht, von denen ›Une vie francaise‹ (dt. ›Ein französisches Leben‹, 2005) mit dem renommierten ›Prix Femina‹ ausgezeichnet wurde. Er zählt zu den wichtigsten französischen Autoren der Gegenwart. (von der Verlagsseite kopiert)
    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Le cas Sneijder
    Erstmals erschienen 2011 bei Éditions de l’Olivier, Paris
    Aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Mälzer
    Ich-Erzählung des Paul Sneijder
    Prolog, 10 nummerierte Kapitel, Epilog, Danksagung
    237 Seiten
    Inhalt:
    Aus seiner ersten Ehe mit der alkoholkranken Gladys hat Paul Tochter Marie. Drei Jahre nach der Scheidung heiratet er Anna, bekommt Zwillingssöhne mit ihr, Klone ihrer Mutter, zu denen er nie eine Vater-Beziehung aufbauen kann. Anna verwehrt ihm den Umgang mit der Tochter, verschließt das Haus vor ihr, so dass Treffen nur auf „neutralem Boden“ möglich sind.
    Dann aber verunglückt Marie tödlich, der einzige Mensch, den Paul von Herzen liebt. In einem abgestürzten Aufzug sterben außer Marie zwei weitere Menschen, nur Paul kommt davon. Sein Leben gerät aus den Fugen. Er kündigt seinen guten Job zum Missfallen seiner auf Geld, Ansehen und Status bedachten Frau und führt fortan Hunde aus. Seine Beschäftigung mit Aufzügen, ihrer Technik und ihren vielfältigen Bauweisen, wird zur Obsession. Bis Anna und die Söhne genug haben und dem Ehemann und Vater sein scheinbar verkorkstes Leben aus der Hand nehmen.
    Eigene Meinung / Bewertung:
    Paul Sneijder offenbart sich als Feigling. Er schaffte es nicht, gegenüber seiner zweiten Frau durchzusetzen, dass Marie ihn zuhause besuchte oder bei ihm lebte. So vermischen sich die Schuldgefühle, die ihn als einzigen Überlebenden einer Katastrophe heimsuchen, mit der Scham als Vater versagt zu haben.
    Anna hat das Zepter in die Hand. Sie unterjocht ihren Mann, setzt ihren Willen eisern durch, gleichzeitig verachtet sie ihn wegen seiner Unterwürfigkeit.
    Die Dinge des täglichen Lebens, ein guter Job und Geld interessieren Paul nach Maries Tod nicht mehr. Als Hundeausführer fühlt er sich wohl: Überschaubare Verantwortung, viel freie Zeit und eine Arbeit, die Anna missbilligt. Trotz gelegentlicher Panikattacken und der schmerzlichen Trauer um Marie bekommt er sein Leben nach und nach in den Griff. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, sucht er den Fehler, der Marie das Leben kostete. – Und weil es weniger peinigend ist, einen technischen Defekt aufzuspüren statt sich mit eigener Schuld zu konfrontieren. – Auch bei seinem neuen „Hobby“ kann er auf Annas Interesse nicht hoffen. Paul ist völlig allein.
    Paul berichtet, seine Erzählungen wirken eher distanziert, und Emotion und Verzweiflung sind so zwischen den Zeilen zu spüren. Die Passagen über Aufzugtechnik – sicher für die meisten Leser weniger interessant – sind wohltuend kurz gehalten, haben also weniger Vorlesungscharakter, sondern unterstreichen Pauls Manie.
    Das Ende des Romans kann nicht gefallen – soll es bestimmt nicht. Doch es ist logisch und greift die Zufälligkeit und Unwägbarkeit des Daseins auf, die schon zu Beginn Pauls Leben auf den Kopf stellt. Jetzt wartet und hofft er darauf.
    Fazit:
    Ein sachlicher ruhiger Roman über das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann: Der Tod eines Kindes.
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Ausgaben von Der Fall Sneijder

Taschenbuch

Seitenzahl: 240

Der Fall Sneijder in anderen Sprachen

  • Deutsch: Der Fall Sneijder (Details)
  • Französisch: Le cas Sneijder (Details)

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  • Mitglied seit 4. Juni 2004
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