Der Schneesturm

Buch von Vladimir Sorokin, Stefan Kaminski

Bewertungen

Der Schneesturm wurde insgesamt 20 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,9 Sternen.

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Meinungen

  • Ein verrückter roadtrip. Lustig, unterhaltsam und atmosphärisch.

    Sinas

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Schneesturm

    Inhalt (Klappentext):
    Ein fantastisches Wintermärchen vom großen russischen Stilisten Vladimir Sorokin Was beginnt wie eine Erzählung aus dem 19. Jahrhundert, entpuppt sich als fantastische Irrfahrt durch das ländliche Russland einer nahen Zukunft. Der Landarzt Garin will so schnell wie möglich in den Ort Dolgoje, um die Menschen dort gegen eine rätselhafte Krankheit zu impfen, die jeden Infizierten zum Zombie macht. Doch es herrscht Schneesturm, Garins Pferde sind erschöpft, und so heuert er den einfältigen Brotkutscher Kosma an, dessen Schneemobil von winzigen Pferden gezogen wird. Und so beginnt seine Reise in eine Märchenwelt mit Ingredienzien einer Hochtechnologiegesellschaft. Eingebettet in den erzählerischen Kosmos von Tolstoi, Tschechow und Gogol, versetzt »Der Schneesturm« ein grotesk-imaginäres Russland in den Abgrund zwischen den Zeiten – ein zugleich heiteres wie verstörendes Buch, das von der Kritik einhellig gefeiert wurde und einmal mehr Sorokins herausragende Stellung unter den zeitgenössischen russischen Schriftstellern untermauert.
    Na endlich, wieder einmal ein Buch wie für mich geschrieben! Der Schneesturm von Vladimir Sorokin liegt genau auf meiner Wellenlänge und erfüllt genau die Kriterien, die für mich bei einer Lektüre maximale Unterhaltung bedeuten.
    Vladimir Sorokin ist dafür bekannt, dass er gesellschaftskritische Romane schreibt. Mein erstes Buch dieses Autors war Der Tag des Opritschniks, ein extrem derber Roman mit einem unkritischen und obrigkeitshörigen Ich-Erzähler in der literarischen Figur eines unzuverlässigen Erzählers, dass mir fast übel wurde beim Lesen. Aber die Kritik an der politischen Aktualität Russlands kam zweifelsohne sehr deutlich herüber. In Der Schneesturm verwendet der Autor die Elemente einer solchen Kritik diskreter und mit wesentlich mehr Atmosphäre.
    Dass der Arzt Garin eigentlich genau weiß, was er zu tun hat, um der Dorfbevölkerung von Dolgoje zu helfen und dass dies von ihm erwartet wird, führt jedoch nicht automatisch in die direkte und disziplinierte Umsetzung seines Pflichtbewusstseins. Der Schneesturm als gefährliche Naturgewalt legt dem Arzt und dem Brotkutscher Krächz, der ihn zu seinem Einsatz bringen soll, immer neue Hindernisse in den Weg, die mich sowohl ihrer Fantastik als auch ihrer Intertextualität wegen immer wieder aufs Neue in Begeisterung mitgerissen haben. Aber nicht nur klimatische und geografische Gegebenheiten erschweren und zögern die Ankunft im "Zombie"-Dorf Dolgoje hinaus, sondern auch die persönlichen Schwächen des Arztes, der ihm dargebotenen Versuchungen einfach nicht widerstehen kann ... Es erscheint mir nicht allzu schwer, diese Erzählelemente in Der Schneesturm auf die Situation im heutigen Russland umzusetzen, und wenn man bedenkt, welches Volk Vladimir Sorokin am Ende seiner Geschichte und vor allem wie er es auftreten lässt, dann fragt man sich, ob der Autor die Zukunft für Russland so sieht - ich hoffe nicht, dass die Zukunft Russlands so aussehen wird ...
    Im Klappentext wird ja schon der Bezug zu Tolstoi, Tschechow und Gogol hergestellt. Was mich jedoch absolut wundert, dass das Feuilleton wirklich nur Vergleiche mit und Bezüge zu Schriftstellern aus der russischen Tradition herstellt, z.b. in der FAZ vom 17.08.2012 oder in Die Welt vom 11.08.2012, die die Liste aus dem Klappentext noch um Puschkin, Turgenjew und Leskow erweitern. In Der Schneesturm gibt es viel deutlichere Bezüge zu einem ganz anderen großen nicht-russischen Klassiker, die einem geradezu aus den Seiten entgegenschreien, nämlich zu Jonathan Swifts Gullivers Reisen:
    Da sind schon einmal klipp und klar die Riesen- und Zwergenelemente wie z.B. die Pferde, die so groß sind wie dreistöckige Häuser und die Minipferdchen des Brotkutschers (Pferde spielen auch bei Swift im letzten Teil eine große Rolle, die sog. "Houyhnhnms"), da ist der auf der Fahrbahn festgefrorene Riese und da ist der zwergenwüchsige Müller (der außerdem auf dem Busen seiner Frau herumklettert, Gulliver ist doch auch auf der Brustwarze eines höfischen Fräuleins herumgeturnt, wenn ich mich recht erinnere). Dann sind da noch die futuristischen Drogen in Form geometrischer Figuren, die Garin konsumiert, und bei Swift nehmen die Wissenschaftler auf der Insel Laputa ihre Nahrung in der Form von geometrischen Körpern zu sich. Man könnte auch anführen, dass Garin den gleichen Beruf wie Gulliver hat und auch Gulliver gelangt in einen Sturm, wenn auch in keinen Scheesturm. Und dann darf man nicht vergessen, dass beide Autoren, Sorokin wie auch Swift, gesellschaftliche Missstände anprangern.
    Wenn ich das alles zusammennehme, also die tolle Atmosphäre mit Winter, Eis, Schnee, Stürmen, klirrender Kälte etc., die Sprache, die einem vergangenen Jahrhundert nachempfunden ist, den gesellschaftskritischen Hintergrund von Russlands aktueller Situation und möglicher zukünftiger Entwicklung in künstlerisch-phantastischer Umsetzung, plus intertextuelle Bezüge en masse, dann sind meines Erachtens für eine solch durchdachte, künstlerisch und kunstvoll umgesetzte und atmosphärische Erzählung keinesfalls zu viel.
    Ein Dankeschön an @cyphella, die mir mit ihrer Rezension Lust auf diesen tollen russischen Autor gemacht hat, der "ganz schön was drauf" hat als Schriftsteller
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  • Rezension zu Der Schneesturm

    Ich erhielt diesen besonderen Roman als Geschenk und gab Sorokin nach einer ersten Leseenttäuschung eine andere Chance. Die Lektüre war interessant und « russisch », aber ich war nun auch dankbar, den Beitrag von cyphella zu entdecken, der mir beim Verständnis um einiges geholfen hat.
    Was einem in der russischen Literatur ein wenig bekannten Leser sofort auffällt ist der Titel (Метель/Schneesturm) und das Thema klassischer Art von der beschwerlichen Kutschfahrt zu Winterszeiten. Ich erinnerte sofort eine Erzählung von Alexander Puschkin (siehe : http://gutenberg.spiegel.de/buch/3601/4 ; bei der Suche nach dem Puschkin-Text stieß ich auch auf diesen bestätigenden Artikel : http://www.br.de/radio/bayern2…rokin-schneesturm100.html ) als auch eine Erzählung von Lew Tolstoi von 1856 unter dem gleichen Titel. Diese Parallelen sind unmöglich zufälliger Art und für jeden halbwegs literarisch kultivierten Russen sofort parat.
    Auf seiner immer wieder unterbrochenen Reise erhält diese dadurch einen nahezu kafkaesken Charakter : wodurch wird der Landarzt Garin noch alles abgehalten ?
    Es mag sein, dass einige Elemente durchaus futuristischer Art sind, doch sehe ich hier auch phantastische und Märchenelemente, die erzähltechnisch an das 19. Jahrhundert erinnern. Glaubt man einigen Hinweisen auf das Alter von Krächz und der Einbettung in die sowjetische Geschichte, so könnte man den Zeitrahmen also durchaus näher an der Gegenwart ansetzen, etwas früher sogar. Aber eventuell ist dies sekundär. Der Bezug, wie cyphella schreibt, zu diesem oder jenem derzeitigen Mißstand ist versteckt, jedoch erkennbar.
    Eine interessante Lektüre, die mich mit Sorokin ein wenig versöhnte !
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  • Rezension zu Der Schneesturm

    Über den Autor (Amazon-Infos)
    Vladimir Sorokin, geboren 1955, gilt als der bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller Russlands. Er wurde bekannt mit Werken wie »Die Schlange«, »Marinas dreißigste Liebe«, »Der himmelblaue Speck« und zuletzt »Der Tag des Opritschniks« und »Der Zuckerkreml«. Sorokin ist einer der schärfsten Kritiker der politischen Eliten Russlands und sieht sich regelmäßig heftigen Angriffen regimetreuer Gruppen ausgesetzt.
    Rezension:
    Die Geschichte beginnt in einem kleinen Dorf im winterlichen Russland, wo der Arzt Garin vergeblich versucht, seine Reise durch einen hartnäckigen Schneesturm fortzusetzen. Sein Auftrag ist es, eine Vakzine in ein verseuchtes Dorf zu bringen. Der Erzählstil erinnert an alte russische Erzählungen in der Tradition von Tschechow oder Gogol, die Atmosphäre ist geprägt durch Kälte, Schnee, Holzhäuser, warme Öfen, Wodka, Pelzmützen und Filzstiefeln. In Ermangelung an normalen Pferden gerät der Arzt an den Fuhrmann Krächz, der stolzer Besitzer eines Mobils mit 50 Pferdestärken ist und sich bereit erklärt, ihn zu begleiten. Und ab nun wird dem Leser klar, dass gar nichts so ist, wie es zu sein scheint. Die Pferdestärken bestehen aus leibhaftigen 50 Minipferden, so groß wie Rebhühner, die das Mobil durch den eisigen Sturm befördern, obenauf das ungleiche Paar aus dem pflichtbewußten, doch verbissenen Arzt und dem etwas phlegmatischen, doch gutherzigen Krächz. Eine zähe Reise durch die Kälte und Finsternis beginnt, die beiden Reisenden begegnen so einigen sonderbaren Dingen und grotesken Gestalten, die jedoch nur den Leser verwundern.
    Nach und nach wird klar, dass die Geschichte wohl in einem zukünftigen Russland spielt, wo es hochtechnologische Errungenschaften gibt wie Hologramme oder sich selbst erzeugende Materialien, und wo Menschen und Tiere Mutationen von Riesen- oder Zwergarten entwickelt haben. Trotzdem scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, die Menschen leben eher traditionell und in einfachen Verhältnissen. Die Geschichte schwankt irgendwo zwischen Märchen und Science-Fiction, Road-Movie und magischem Realismus.
    Die beiden Hauptfiguren kommen nur unter größten Mühen vorwärts, immer wieder bleiben sie stecken, werden zugeschneit, müssen sich ausgraben. Dem Autor gelingt es hervorragend, das Gefühl von Zähigkeit und Beschwernis zu transportieren. (Fast) Immer wieder gibt es aber Lösungswege und Zufluchtsorte, und auch der Leser wird dann mit neuen Verrücktheiten für seine Geduld belohnt.
    Während der langen Fahrt lernt man die beiden Protagonisten nach und nach besser kennen: Krächz nimmt auf seine einfache, warmherzige Art das Leben so, wie es ist und versucht mit und nicht gegen die Naturgewalten zu arbeiten. Der verkopfte Doktor hingegen hadert mit sich und der Welt. Seinem Fuhrmann gegenüber tritt er er herrisch und fordend auf, bei Anforderung reagiert er jähzornig und schuldzuweisend. Zunächst besitzt er genügend Intellekt, um sich selbst zu reflektieren und sich somit auch immer wieder ein Stück zu regulieren. Ihn benutzt Sorokin gelegentlich, um Bezüge zum aktuellen Russland herzustellen und um rauhe Kritik an seinem Land zu üben. Krächz hingegen scheint eher die warme Seele Russlands zu verkörpern.
    Mit zunehmender Dauer der Fahrt und Verzweiflung verliert der Doktor an Haltung, wird unausgeglichener, nach Drogeneinnahme sogar wahnhaft und manisch. Auch hier begleitet der Leser ihn durch eher unangenehme Seelenlandschaften, die Beklemmungsgefühle hervorrufen, doch der Autor schafft es durch seinen abwechslungsreichen Stil und seinen fantastischen Ideen, den Spannungsbogen noch zu halten und den Leser bis zum Schluß auf der Reise mitzunehmen.
    Mein Fazit:
    Ich glaube, dass das Buch viele Anspielungen und Interpretationsmöglichkeiten beinhaltet, die mir als Laie verschlossen geblieben sind, dennoch habe ich es gerne gelesen. Ich habe viel gestaunt, den Kopf geschüttelt, gefröstelt und geschmunzelt. Am Ende bin ich etwas ratlos und verwirrt zurückgeblieben, was aber vermutlich Intention des Autors ist und mich daher nicht allzu sehr gestört hat, so dass ich insgesamt eine klare Leseempfehlung geben kann.
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Ausgaben von Der Schneesturm

Taschenbuch

Seitenzahl: 208

Hardcover

Seitenzahl: 208

E-Book

Seitenzahl: 208

Hörbuch

Laufzeit: 00:05:44h

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