Tintorettos Engel

Buch von Melania G. Mazzucco, Birte Völker

Bewertungen

Tintorettos Engel wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4 Sternen.

(0)
(3)
(0)
(0)
(0)

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Tintorettos Engel

    Klappentext:
    Tintoretto, der geniale venezianische Maler der Renaissance, legt auf dem Sterbebett Gott Rechenschaft ab über sein Leben – als Mensch, als Sünder, als Künstler, der alles und jeden herausfordert, als Vater mit besonderer Nähe zur Tochter.
    »Von Michelangelo die Zeichnung, von Tizian die Farbe«, so lautete das Credo des Färbersohns Jacopo Robusti, genannt Tintoretto, der sich in seinem Leben alles erkämpfen musste, weil er – anders als sein Rivale Tizian – niemals ein Liebling der Venezianer war. Und trotzdem hat er seine Heimatstadt künstlerisch geprägt wie kaum ein anderer. Ungestüm und voll überbordender Schaffenskraft tritt er dem Leser aus dem Roman entgegen. Tintoretto berauschte sich daran, mit den Traditionen zu brechen und sich selbst immer neu zu erschaffen, für ihn war Malen wie Träumen. Sein unbändiges Streben nach Freiheit in der Kunst teilte er mit seiner Tochter Marietta, der ersten Künstlerin der Renaissance. Sie war das uneheliche Kind mit seiner großen Liebe Cornelia, einer deutschen Hure.
    Mit ungeheurem Einfühlungsvermögen und reich an bestens recherchierten Details erzählt Melania G. Mazzucco die dramatische Geschichte dieses Malergenies des 16. Jahrhunderts. Es ist nicht zuletzt die Art, wie die Autorin diese außergewöhnliche Geschichte von Vater und Tochter erzählt und in den Mittelpunkt von Tintorettos Lebensbeichte stellt, die diesen Roman zu einem ganz besonderen Leseereignis werden lässt.
    Zur Autorin:
    Melania G. Mazzucco, geboren 1966, hat zahlreiche, von der Kritik gefeierte Romane geschrieben. Bei Knaus erschien zuletzt »Vita«, für den sie den renommierten »Premio Strega« erhielt. Für ihren neuen Roman »Tintorettos Engel«, der sich in Italien 200.000 Mal verkaufte, hat sie viele Jahre intensiv recherchiert. Mazzucco gilt als große Kennerin Tintorettos und hat auch ein Sachbuch über die Familie des Malergenies verfasst.
    540 Seiten, aufgeteilt in 15 Tageskapitel vom 17. Mai 1594 bis zum 31. Mai 1594, jeweils mit „Erster Fiebertag“ bis „Fünfzehnter Fiebertag“ betitelt. Eingebettet in zwei Rahmenerzählungspassagen mit dem Titel „Exitus“.
    Wenn ich ein Buch über einen Musiker lese, will ich Töne und Melodien aus den Zeilen hören; wenn ich ein Buch über einen Maler lese, will ich ein Bild sehen, Farben, das Spiel von Licht und Schatten, die Haltung und Beziehung der Figuren. Kurz: Dann will ich ein Buch lesen wie dieses, ein 540 Seiten dickes Gemälde.
    Tintoretto (= „Färberlein“, so genannt nach dem Beruf seines Vaters und wegen seiner geringen Körpergröße) weiß, dass er sterben wird, auch wenn die Ärzte ihm noch Hoffnung machen. Er leidet an Fieberschüben, wird matter und kraftloser, mit Opium behandelt; in qualvoll schlaflosen Stunden spult sich in seinem benebelten Gehirn sein Leben ab. Er formuliert seine Erinnerungen als Lebensbeichte und überantwortet sie Gott, der nach Tintorettos Glauben darüber richten wird.
    Im Zentrum der Erinnerungen steht Marietta, die er schon früh zu seiner wichtigsten Schülerin macht. (Ob sie tatsächlich Kind einer Hure war? Die Quellen sind sich nicht einig. Anm.d.R.) Tintoretto steckt sie in Jungenkleidung, denn als Mädchen hätte sie im 16. Jahrhundert in einem Maleratelier nichts zu suchen. Obwohl er neun Kinder aus seiner Ehe mit Faustina hat, ist Marietta sein Augapfel, sein „Funke“, eine (emotional!) inzestuöse Beziehung, die das Mädchen an einer eigenständige Entwicklung hindert und Zeit seines Lebens Anhängsel des Vaters sein lässt – sowohl menschlich als auch künstlerisch. Mit Mariettas Tod vier Jahre vor dem des Vaters scheint auch seine Kreativität am Ende.
    Jedem seiner Kinder widmet Tintoretto ein Kapitel seiner Erinnerungen, den Töchtern, die er ins Kloster steckt, den aufmüpfigen Söhnen, die er aus dem Elternhaus vertreibt, und den braven, die ausharren und als Gehilfen in seiner Werkstatt arbeiten dürfen. Nicht immer kann dabei eine strenge Chronologie durchgehalten werden; also spielt manchmal eins der Kinder wieder eine Rolle, obwohl man im Kapitel zuvor bereits von seinem Tod erfuhr.
    Tintorettos Geburts- und Heimatstadt Venedig, von der er sich nie lange oder weit entfernt, ist mehr als Staffage oder Hintergrundkolorit. Venedig ist Tintoretto und Tintoretto ist Venedig. Das Klatschen der Wellen an Häusermauern, das Brackwasser, Ebbe und Flut, der Gestank bei Sommerhitze, die durchdringende Nässe in Herbst und Winter, aber auch das glanzvolle (und ungerechte) Gesellschaftssystem mit Doge, Kirchenfürsten, Blutadel und reichen Kaufleuten – all das bestimmt sein Leben so, wie es in keiner anderen Stadt möglich wäre.
    Man könnte der Autorin vorwerfen, ihren Tintoretto zu pathetisch auftreten zu lassen: Wo ein anderer einmal jammern würde, kann er es seitenweise. Auch sein (anfangs) geringes Selbstbewusstsein, seine Liebe, sein Stolz, seine Selbstanklagen, seine Verzweiflung: Alles eine Nummer größer, lauter und wortreicher als notwendig. Betrachtet man dazu allerdings die Gemälde, wird das Pathos des literarischen Tintoretto auf einmal authentisch.
    Einen guten Einblick erhält man in die Arbeitsweise der Künstler: Anders als die Maler der jüngsten Vergangenheit oder der Gegenwart waren die Gemälde nicht das Produkt EINES Meisters, sondern das seiner Werkstatt, in der sich die Gehilfen spezialisierten: Einer fürs Kopieren der Skizze auf die Leinwand, ein anderer für Gesichter, ein dritter für Hintergrundlandschaften, usw. Wert bekamen die Bilder erst durch die Signatur des Malers.
    Schade, dass in diesem Buch nur auf ein, zwei Gemälde Tintorettos konkret eingegangen wird. Hier hätte ich mir mehr zu Inspiration, Komposition und Ausführung gewünscht. Auch, um die Ideen und Träume des Malers über Kunst aus der Gedankenwelt zu holen und in einem Bild sichtbar zu machen.
    Fazit:
    Ein Buch für Kunstinteressierte, für Biographienleser, für Venedigfans und für alle, die sich gern in eine farbenfrohe und emotionale Geschichte versenken.
    Weiterlesen

Ausgaben von Tintorettos Engel

Hardcover

Seitenzahl: 544

Taschenbuch

Seitenzahl: 544

E-Book

Seitenzahl: 545

Besitzer des Buches 6

  • Mitglied seit 25. April 2012
  • Mitglied seit 30. September 2011
  • Mitglied seit 24. November 2008
  • Mitglied seit 25. Februar 2004
  • Mitglied seit 31. Dezember 2008
  • Mitglied seit 4. Juni 2004
Update: