Glasmondmann

Buch von Jayne Anne Phillips, Barbara Schaden

Bewertungen

Glasmondmann wurde insgesamt 3 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,8 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Glasmondmann

    […]
    An einer Stelle irgendwo im letzten Drittel (hab mir leider die Seitenzahl nicht gemerkt) wird erwähnt, dass Lark nach ihrer Mutter, Lola also, genannt wurde.
    Ein großartiger Roman. Für Bücher wie dieses hat man lesen gelernt. Danke für den Tipp, @Jean van der Vlugt .
    Beeindruckend, wie die Autorin Termite sprechen lässt und seine andersartige Wahrnehmung transparent macht. Einmal stilistisch: Während Lark und Nonie als Ich-Erzähler auftreten, lässt sie Termite in der 3. Person erzählen. Einfach und logisch: Ein erzählendes Ich muss in der Lage sein zu reflektieren.
    Bei Termite ist alles Wahrnehmung, er hört feiner, unterscheidbarer und gleichsam in die Zukunft; er beobachtet und sieht durch die Dinge hindurch, Schönheit und Bewegung (das blaue Band) dort, wo man sie als "Normalo" nicht mehr sehen kann oder würde. Er riecht differenzierter und nutzt den Geruch, um das Gesehene und Gehörte zu unterstreichen. Niemand weiß, wie und ob real ist, was die Autorin aus Termites Kopf und mit seinen Augen erzählt, doch das spielt keine Rolle.
    Schwer erträglich die Szenen aus Korea. Die Hilflosigkeit gegen die Gewalt, das Wissen, dass man durch einen Irrtum der eigenen Leute stirbt ...
    Einziger - klitzekleiner - Kritikpunkt: Die überzeichnete Gladdy als egoistisches Muttertier.
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  • Rezension zu Glasmondmann

    Die Autorin: Jayne Anne Phillips ist eine 1952 geborene US-amerikanische Schriftstellerin, die bereits an diversen universitären Bildungseinrichtungen und Creative-Writing-Workshops unterrichtet hat. Neben ihren zwei Sammlungen von Kurzgeschichten (die erste - von Nadine Gordimer und Raymond Carver in hohen Tönen gelobt - war "Das himmlische Tier / Black Tickets" (1979), die zweite "Überholspur / Fast Lanes" (1987)) veröffentlichte sie die Romane "Maschinenträume / Machine Dreams" (1984), "Sommercamp / Shelter" (1994), "MutterKind / MotherKind" (2000), "Glasmondmann / Lark & Termite" (2009) und "-- / Quiet Dell" (2013). Sie wird der literarischen Strömung des "Dirty Realism" zugerechnet. Andere Vertreter sind unter anderem Raymond Carver, Richard Ford, Tobias Wolff, Frederick Barthelme und Cormac McCarthy - und wenn man so will auch Charles Bukowski und Carson McCullers. "Dirty Realism" zeichnet sich durch eine sparsame, schmucklose Sprache, detailreiche Beschreibungen und einen Blick auf die düster-gewöhnlichen Seiten des alltäglichen Lebens aus. (Quelle: Internet)
    Klappentext: Winfield, West Virginia, in den 1950er-Jahren. Lark ist neun Jahre alt, als ihr neugeborener Halbbruder Termite in die Fürsorge ihrer Tante und Ziehmutter Nonie gegeben wird. Während Nonie hart arbeitet, um den Lebensunterhalt zu verdienen, kümmert sich Lark um ihren Bruder. Sie wird zu Termites Sprachrohr zur Welt, und er ist ihre einzige Verbindung zu ihrer gemeinsamen Mutter, ihrer Vergangenheit. Lark beschließt, koste es, was es wolle, dem Geheimnis um ihre leibliche Mutter und der Identität ihrer beiden Väter auf die Spur zu kommen. In ihrem Roman schildert Jayne Anne Phillips die berührende Geschichte der Geschwister Lark und Termite. Termite kann weder laufen noch sich mitteilen - einzig Lark versteht ihn, denn die beiden verbindet das Band ihrer ungewissen Herkunft. „Termite kann seinen Kopf jetzt halten, außer wenn er müde ist. Als ich klein war, dachte ich, sein Kopf ist so schwer, weil so viel drin ist, das er nicht erzählen oder sagen kann. Dass alles drinbleibt, egal, ob er die Bilder erkennt oder nicht. Dass er alle Worte behält, die ich gar nicht mehr weiß, die Worte unserer Mutter und Worte über sie."
    Den Roman zeichnet eine besondere Art „undramatischen“ Erzählens aus, das seine Geheimnisse erst nach und nach preisgibt, ganz beiläufig wichtige Informationen über die Figuren und ihre Vergangenheit benennt, oft so beiläufig, dass man sie fast überliest, ihre Bedeutung erst mit der Zeit mitbekommt. Es ist wahrlich keine Erzählerstimme, die mit ausgestrecktem Zeigefinger auf clever konstruierte Wendungen hinweist, eine Stimme ganz ohne Stolz auf die melodramatisch angerührten Schicksale der Figuren. Beiläufig, demütig, still. Um dann zum Ende hin nochmal richtig Gas zu geben.
    Die Figuren leben und handeln in kleinen Momenten, in überschaubaren Szenen – Vorbereitungen auf einen schweren Sturm, ein gemeinsames Mittagessen im örtlichen Diner während der stillen Nachmittagsstunden, Saubermachen im Haus und Spaziergänge zum Rangierbahnhof -, doch ihre Gedanken sind groß, gehen in die Weite, umfassen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wobei mindestens eine Zeitstufe immer verschwommen und voller Unsicherheit ist. Menschen, die im Grunde nur über ihre Gegenwart sicher verfügen.
    Vor allem die beiden Hauptfiguren Lark und Termite gehen einer ungewissen Zukunft entgegen: Wird Lark, das Teenagermädchen mit den erwachenden Bedürfnissen einer jungen Frau und ihren eigenen Vorstellungen über ein selbstbestimmtes Leben, ihren geistig behinderten Halbbruder Termite noch so wie jetzt pflegen und umsorgen können, wenn er selber zu einem erwachsenen Mann herangewachsen ist? Wird sein Gesundheitszustand Termite vielleicht ein so langes Leben gar nicht mehr ermöglichen? Und auch ihre Vergangenheit weist viele weiße Flecken auf: Wer sind ihre Väter? Warum gab ihre Mutter Lola beide Kinder jeweils einige Zeit nach ihrer Geburt an ihre größere Schwester Noreen ab? Was geschah mit Lola, nachdem sie nach Florida gegangen ist?
    Jayne Anne Phillips schrieb mit „Glasmondmann“ erneut eine polyphone Erzählung, einen Roman mit vielen Stimmen und kapitelweise wechselnden Erzählern, die oft überlappend die gleichen Geschehnisse aus anderer Sicht rekapitulieren. Die Erzählerstimmen kommen von der 18-Jährigen Lark, ihrer Tante Nonie und dem neunjährigen Termite und kreisen um Ereignisse aus den letzten Tagen des Juli im Jahr 1959. Hineingeschnitten werden die letzten Gedanken von Termites Vater Bobby Leavitt, einem im Koreakrieg gefallenen US-Soldaten, der Ende Juli 1950 das Pech hatte, zusammen mit einigen koreanischen Flüchtlingen, die von der amerikanischen Armee irrtümlich für feindliche Guerillakämpfer gehalten und beschossen wurden, schwer verletzt in einem Tunnel zu sterben. Es sind zweimal vier Tage, in denen Menschen, denen Informationen vorenthalten werden, Menschen, denen Missverständnisse und mangelnde Kommunikation zum Verhängnis zu werden drohen, durch besondere Umstände in Gefahr geraten, vereinzelt werden und auf Hilfe angewiesen sind, Hilfe, die entweder kommt - oder die nicht kommt.
    Wie in ihrem Erstling „Maschinenträume“ wirft ein Krieg in der Ferne seine Schatten auf die Menschen in der Heimat, reißt der Tod Familien auseinander. Andererseits ist auch „Glasmondmann“ wie schon ihr zweiter Roman „Sommercamp“ eine Coming-of-Age-Geschichte über ein Mädchen (in "Sommercamp" waren es mehrere) an der Schwelle zum Erwachsenensein, das gewissermaßen in die Selbstständigkeit geschubst wird. Ein Roman, in dem es wenige Mütter und viele Waisen gibt, dafür aber eine böse Großmutter, eine geheimnisvolle Katze und einen engelsgleichen Sozialdienstmitarbeiter. Zum Ende hin mischt sich in die Vielstimmigkeit der Geschichte, ganz ohne aufgesetzt zu wirken, tatsächlich auch ein märchenhaft magischer, fast schicksalhafter Tonfall; spätestens dann, wenn die Kriegsszenen und die Geschehnisse, die auf die Flut folgen, in einem hellstrahlenden und gewissermaßen hellsichtigen, quasi gleichzeitigen Höhepunkt gipfeln. Ein Blick durch die Zeiten, der die im Schmerz vereinten Generationen räumlich verbindet.
    Es ist auf keinen Fall die gängige Behindertengeschichte, in der Menschen mit Handicap beweisen dürfen, was sie trotz Behinderungen nicht alles bewerkstelligen können, um über sich hinauszuwachsen. Der Roman „Glasmondmann“ (der deutsche Titel bezieht sich übrigens auf einen gläsernen Parfümflakon in Gestalt eines Mondgesichtes, den Termite gerne in den Händen hält) zeigt, dass Termite kein gleichwertiges Familienmitglied ist, jedoch ein Mensch mit gleicher Würde. Der Roman will nicht Eindruck schinden für alle „normalen Leser“, die eine herzerwärmende Geschichte erwarten, ist aber auch kein niederschmetterndes Sozialdrama. Gerade die Figur des Termite hilft dabei zu erkennen, dass es in diesem Roman im Grunde um lauter Menschen geht, die durch eines geeint sind: Sie sind autark und eigensinnig, selbstständig auf ihre Weise, doch alle durch die Bank weg auch angewiesen auf ein Gegenüber, auf ihre kleine familiäre, nachbarschaftliche Gemeinschaft. Es sind Figuren, die dadurch verbunden sind, dass sie jemanden verloren haben, die in „halben Familien“ leben und unter dem Verlust und der Ungewissheit über ihre Vergangenheit leiden.
    Selbst das große Thema der durch Dauerregen verursachten Überschwemmung deutet in diese Richtung, ist allerdings so unaufgeregt und ohne großes Brimborium in Szene gesetzt, dass es nicht wie eine billige, dramaturgische Spiegelung innerer Vorgänge und bestimmter Charakterzüge der beteiligten Figuren wirkt: Menschen, die durch die Flut in Not geraten, vereinzelt und eingeschränkt sind, doch mit Selbstbewusstsein und Tatkraft das wenige behaupten, was ihnen geblieben ist: die Bruchstücke ihrer Identität. Entwurzelte Menschen, die einander und die Hilfe anderer brauchen.
    Insofern stellt sich tatsächlich der Moment kurz vor dem Scheitelpunkt der Flut, wenn die Möbel im überschwemmten Wohnzimmer tanzen und die Ratten langsam angeschwommen kommen, für Lark als der perfekte Augenblick heraus, um endlich die verschlossenen Umzugskisten ihrer verschwundenen Mutter auf dem Speicher zu öffnen, wohin sie sich zusammen mit Termite zurückgezogen hat, um endlich mehr über ihre Herkunft und über sich selbst zu erfahren. Um danach, hoffentlich von den Schatten der Vergangenheit befreit, vielleicht woanders neu anzufangen...
    […]
    (S. 326)
    Ein ruhiges, atmendes Buch, menschlich, mit sehr großen emotionalen Verwerfungen und Figuren, denen der Wind immer ins Gesicht weht, für die ein süß-saures, verlustreiches und vermeintlich aussichtsloses Happy End mehr bedeutet, als sie erwarten konnten – blauäugig und mit blauem Auge in die Zukunft -, ein Buch, das es geschafft hat, mich die Einsamkeit von Menschen, die ihrer Geschichte und ihrer Herkunft beraubt sind, fühlen zu lassen. Und auch das Glück, wenn man wenigstens einen Namen und ein Foto von früher entdeckt. Den Moment, wenn man merkt, jetzt die Vergangenheit auch endlich ruhen lassen zu können.
    Eine sehr eindringliche Erzählung. Wenn doch nur so Leute wie Stephen King (oder wenigstens Elke Heidenreich), und nicht nur so unbedeutende Leute wie Alice Munro das Buch oder ihre Autorin loben würde, dann wären ihre Romane vielleicht auch hierzulande so bekannt, wie sie es verdient hätten.
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Ausgaben von Glasmondmann

Hardcover

Seitenzahl: 336

Taschenbuch

Seitenzahl: 336

Glasmondmann in anderen Sprachen

  • Deutsch: Glasmondmann (Details)
  • Englisch: Lark and Termite (Details)
  • Französisch: Lark et Termite (Details)
  • Niederländisch: Lola's kinderen (Details)

Besitzer des Buches 7

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