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Fakire wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3 Sternen.

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Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Fakire

    Der Autor (nach Klappentext): Antonin Varenne, geboren 1973, studierte Philosophie in Nanterre und lebte in den USA, Island und Mexiko, bevor er wieder nach Frankreich zurückkehrte. Für seinen dritten Kriminalroman „Fakire“ wurde er 2009 mit den zwei wichtigsten Krimipreisen Frankreichs ausgezeichnet, dem „Prix Michel Lebrun“ und dem „Prix Sang d’Encre“. 2010 erhielt der Roman den „Prix du meilleur polar de Points“.
    Werke: Le Fruit de vos entrailles (2006), Le Gâteau mexicain, (2008), Fakirs (2009, dt. Fakire), Le Mur, le Kabyle et le Marin (2011), Trois mille chevaux-vapeur (2014, dt. Die sieben Leben des Arthur Bowman)
    Inhalt (laut Klappentext): Eine Serie spektakulärer Selbstmorde erschüttert Paris. Kommissar Guérin sucht nach einem Zusammenhang, denn er hat Zweifel, ob nicht mehr dahintersteckt. Zur gleichen Zeit erfährt der amerikanische Psychologe John Nichols, dass einer seiner Patienten bei einem Auftritt als Fakir verblutet ist. Schwer traumatisiert aus dem Irakkrieg zurückgekehrt, zerstört er sich systematisch selbst. Doch Nichols glaubt nicht an einen Selbstmord. Ihre Nachforschungen führen Komissar Guérin und Nichols schließlich zusammen, und gemeinsam kommen sie einer Tragödie auf die Spur.
    Einige überschwängliche Kritiken zu Varennes „Die sieben Leben des Arthur Bowman“ haben mich sehr neugierig gemacht auf den Autor und so griff ich zunächst zu dem einzigen anderen seiner Romane, der auch in deutscher Sprache erhältlich ist: „Fakire“ von 2009, der 2011 in der Übersetzung von Tobias Scheffel und Claudia Steinitz groß als Hardcover und in moderner Thriller-Aufmachung bei Ullstein erschienen ist. Auf dem Cover prangt der Schriftzug „Kriminalroman“, was insofern gerechtfertigt ist, da sich einer der zwei Erzählstränge um den Pariser Kommissar Richard Guérin und seinen Assistenten Francis Lambert dreht, und die Hintergründe eines außergewöhnlichen Selbstmordes die Handlung antreiben. Man sollte nur nicht erwarten, dass die Aufklärung der Geschehnisse die Welt wieder ins Lot bringt.
    Guérin ist Leiter (und zusammen mit seinem Assistenten einziger Mitarbeiter) der unbeliebten Polizeiabteilung, die sich nur mit Selbstmorden beschäftigt. Der Außenseiter wird wegen seiner extravaganten Spleens unter seinen Kollegen allgemein geschmäht. Außerdem wird ihm vorgehalten, er wäre für den Selbstmord seines früheren Assistenten verantwortlich. Vorgänge, die für die spätere Handlung noch einiges Gewicht bekommen werden...
    Lambert ist ein einfach denkender junger Mann, der sich aus dem Pariser Banlieue „hochgearbeitet“ hat. Niemand traut ihm sonderlich große Stücke zu, doch er ist ein loyaler Untergebener, der alles für seinen Chef tun würde, jedoch auch von den anderen Kollegen gerne akzeptiert werden würde.
    Mein Lesevergnügen litt leider ein wenig unter den großen Erwartungen, hier eine neue, düstere Stimme im Krimi- und Thrillersegment vorzufinden. Diese Erwartung wurde auch durch die zu Werbezwecken aufs Cover gedruckten Kritikerzitate unterstützt, die die Latte recht hoch hängen. Dabei muss gesagt sein, dass es Varennes Absicht offensichtlich fern lag, einen schmissigen Thriller zu schreiben, dazu kümmert er sich zu sehr und die Spannung schmälernd um die Art und Weise, wie die beteiligten Personen mit den Geschehnissen umgehen, vor allem mit dem Schicksal des drogensüchtigen Lebenskünstlers Alan Mustgrave, der bei seinem Auftritt als Fakir auf der Bühne eines anrüchigen Sado-Maso-Szeneklubs anscheinend vor Publikum durch langsames Verbluten Selbstmord beging.
    Sein Freund John Nichols, der ihn oft in Notlagen unterstützte, ist ein amerikanischer Psychologe, der über Foltermethoden der CIA promovierte und der in Südfrankreich als Aussteiger in einer Hütte im Wald lebt. Er versucht Näheres darüber zu erfahren, wie es mit Alan so weit kommen konnte – und ob überhaupt ein Selbstmord vorliegt. Bei seinen Erkundigungen, die ihn nach Paris führen, wird er, anscheinend im Auftrag von Alans derzeitigem Dealer, zusammengeschlagen und daran erinnert, er müsse nach Alans Tod dessen Drogenschulden begleichen.
    Im Zuge seiner Ermittlungen und Gespräche mit Bekannten begegnet John Nichols zufällig einem alten Ex-Knacki, der inzwischen zurückgezogen und fern jeden menschlichen Kontaktes (unter ähnlichen Lebensbedingungen wie er selbst) als Parkwächter in Paris lebt. „Bunker“ nennt er ihn wegen seiner physiognomischen Ähnlichkeit zu Edward Bunker, Ex-Häftling, Offbeat-Krimiautor und Hobby-Schauspieler. Bunker, der meiner Ansicht nach die interessanteste Figur des Romans ist, wird Nichols das eine oder andere Mal bei dessen Suche helfen. Ob er es noch bereuen wird, dafür sein Schneckenhaus, in dem er sich mit Hund und Rotwein genügsam eingerichtet hat, verlassen zu haben? Und ob es sich vielleicht als von Belang herausstellen wird, dass sich der im Grunde friedfertige Alan bei seinem Kampfeinsatz im Irakkrieg als gewiefter Folterer erwiesen hat?
    Die zwei Erzählstränge um Guérin/Lambert und Nichols/Bunker laufen für meine Begriffe zu lange nebeneinander her. Ihre schlussendliche Verbindung ergibt keinen rechten dramaturgischen Nutzen oder Erkenntnisgewinn. Oder doch: Alle Erklärungen sind sinnlos, schöner wird das Leben auf diesem verkommenen Planeten dadurch auch nicht!
    Guérin, der genial-verrückte Ermittler, der zu seiner Erbauung versucht, auf eine gewissermaßen „ganzheitliche Weise“ die unterschiedlichsten Vorfälle miteinander in Verbindung zu setzen, ist zwar eine schön tragische Figur, wie er da in der Wohnung seiner verstorbenen Huren-Mutter sitzt und sich von ihrem vulgäre Sprüche plärrenden Papagei – ja, auch der Kommissar scheint eine selbstzerstörerische Ader zu haben - die Glatze blutig hacken lässt. Doch da er selber nicht unter seiner Lage und seiner sozialen Verarmung leidet, habe ich für ihn auch keinerlei Mitgefühl. Er bleibt für mich zu sehr eine ausgedachte und auf Seltsamkeit gebürstete Figur.
    Überhaupt scheinen etliche Figuren des Romans selbstzerstörerische Wesenszüge zu besitzen. Die gegenwärtige Welt ist nicht schön, bevölkert von bösen Menschen und solchen, die anderen Böses tun. Es wird viel gelitten. Die Menschen sind innerlich zerstört oder liegen am Boden. Die Polizei und andere „Sicherungssysteme des modernen Lebens“ taugen nicht mehr als Garantie zum Glück, zur Unversehrtheit des Lebens und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit. Die menschliche Gesellschaft ist marode. Selbst das Wissen darüber, wer für den Dreck und das Verbrechen verantwortlich ist, bringt keine Linderung. Am Schluss müssen nur wieder die Falschen dran glauben.
    Dass die – auch von dem Anreißer-Klappentext in den Raum gestellte - „spektakuläre Selbstmordserie“ gewissermaßen eine reine Behauptung ist und das Motiv der Serie kaum als Erklärung für irgendetwas in dem etwas unübersichtlich dargebotenen Plot herhalten kann, bremst die Spannung einerseits doch einigermaßen aus, passt aber andererseits ausgezeichnet zu der negativen Weltsicht, die den Roman durchweht: Alle Erklärungen laufen ins Leere, jedes Ansinnen, Licht ins Dunkel zu bringen, muss scheitern. Wenn alles mit allem in Verbindung steht, steht irgendwie auch nichts mit allem in Verbindung.
    Ein interessanter, wenn auch nicht sonderlich spannender Roman (doch langweilen tut er auch nicht), der einen schönen Blick auf Außenseiter der Gesellschaft wirft, der einen surrealen Kommissar ins Rennen schickt, der aber seltsam fade bleibt, und insgesamt seine vielfältigen Handlungsstränge und inhaltlichen Komponenten individueller und gesellschaftlicher Selbstzerstörung (Drogensucht, Sado-Maso, CIA-Folter, Aussteigertum, Selbstmordabsichten, Mobbing, Machotum und – ja auch – Nekrophilie) etwas beliebig herumliegen lässt und nicht zu einem großen Gesellschaftsbild verbindet. Ein besonderes Buch, das sich gut lesen lässt, interessante Themen anbietet, aber auch über einige nur hingehuscht beschriebene Charaktere und eine etwas schräg konstruierte Dramaturgie verfügt, das allerdings dabei einen schön ruppigen Tonfall pflegt, um seine noire Weltsicht zu verbreiten. Man muss nur wissen, was man nicht erwarten sollte: Thrills und gute Laune! Ich bin allen Einschränkungen zum Trotz doch ganz froh, den Roman gelesen zu haben.
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Ausgaben von Fakire

Hardcover

Seitenzahl: 320

Taschenbuch

Seitenzahl: 320

Hörbuch

Laufzeit: 00:04:59h

Besitzer des Buches 8

Update: