Der Stich der Biene

Buch von Paul Murray, Wolfgang Müller

  • Kurzmeinung

    Abroxas
    Ausladend, aber raffiniert erzählter Familienroman, packend und vielstimmig

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Der Stich der Biene

Familie Barnes steckt in Schwierigkeiten. Dickie Barnes’ lukratives Autogeschäft läuft nicht mehr. Aber anstatt sich dem Problem zu stellen, beginnt er in den Wäldern einen Bunker zu bauen. Seiner Frau Imelda, die ihren Schmuck auf eBay verkauft, erscheinen die Avancen von Big Mike, dem reichen Rinderzüchter, immer attraktiver. Die achtzehnjährige Cass, die immer die Klassenbeste war, reagiert auf den Niedergang, indem sie beschließt sich bis zu ihrem Abschluss jeden Tag zu betrinken, während der zwölfjährige PJ einen Plan schmiedet, um von zu Hause abzuhauen. Wenn das Leben und die Welt auseinanderfallen, stellen sich die großen Fragen: Wann und warum begann der Untergang? Was hätte man tun können und wie weit müsste man zurückgehen, wenn man die Geschichte ändern könnte? Bis zu dem Tag als Dickie Barnes zehnjährig zitternd vor seinem Vater stand und lernte, wie man ein richtiger Mann wird? Bis zu dem Autounfall zwölf Monate vor Cass’ Geburt? Oder bis zu dem verheerenden Stich der Biene, der Imeldas Hochzeitstag ruinierte?
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Bewertungen

Der Stich der Biene wurde bisher einmal bewertet.

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Meinungen

  • Ausladend, aber raffiniert erzählter Familienroman, packend und vielstimmig

    Abroxas

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Stich der Biene

    Im letztjährigen Booker Prize Shortlist-Titel Der Stich der Biene erzählt Paul Murray die Geschichte der Familie Barnes, bestehend aus Vater Dickie, Mutter Imelda, Tochter Cass (unmittelbar vor ihrer Hochschulreife) und Sohn PJ (etwa 12). Sie lebt im heutigen Irland in einer Kleinstadt ein paar Autostunden von Dublin entfernt (für irische Verhältnisse praktisch tiefste Provinz). Die Familie wirkt auf den ersten Blick harmonisch, aber seit eine (nicht näher beschriebene) Wirtschaftskrise das Geschäft im Autohaus hart getroffen hat, gerät das Familienleben in gehörige Schieflage. Die drohende Katastrophe lauert im Schatten der Zukunft, ihre Wurzeln reichen aber bis in die ferne Vergangenheit.
    Ein vielstimmiges Familiendrama
    Murray erzählt aus der Perspektive dieser vier Charaktere, wobei jeder sein eigenes Kreuz zu tragen hat. Imelda, deren Lebensstil der extravaganteste ist, ist entsetzt über den mangelnden Einsatz, den Dickie beim Handling der Krise an den Tag legt, und versucht, ihren vermögenden Schwiegervater um Hilfe anzugehen, der den Betrieb einst aus dem Boden gestampft hatte. Doch dieser Plan zeitigt ungeahnte Folgen, die Imelda mit den Geistern ihrer Vergangenheit konfrontiert wie auch mit ungewollter Aufmerksamkeit vom örtlichen Unternehmer "Big" Mike. Dickie hingegen verhält sich rätselhaft unbeeindruckt von den finanziellen Schwierigkeiten und flüchtet sich in ein Hobbyprojekt, den Ausbau eines alten Steinhäuschens im Wald, der auf dem weitläufigen Familienbesitz liegt. Ein apokalypsetauglicher Bunker soll daraus werden, ein befreundeter Handwerker / Prepper-Enthusiast hilft ihm dabei. Auch Dickie bleibt von den Geistern der Vergangenheit nicht verschont.
    Den Kindern geht es kaum besser: Cass erlebt die Höhen und Tiefen in ihrer ambivalenten Freundschaft mit Elaine und beginnt während der Vorbereitungen auf das Examen zur Erlangung der Hochschulreife, sich zu betrinken. Sie verliert die Kontrolle. Der einige Jahre jüngere PJ ist auch mit Kontrollverlust konfrontiert; er wird von einem Rowdy gezwungen, Geld zu besorgen, dass PJ ihm angeblich schulde, und trägt sich mit dem Gedanken, von zu Hause auszureißen. Ausgerechnet eine Internetbekanntschaft bietet ihm an, in Dublin Unterschlupf zu finden. Keiner findet bei den Eltern Halt und Unterstützung, da alle mit sich selbst beschäftigt sind.
    Gelungenerweise erzählt Murray, wie soll ich sagen, konsekutiv, d.h. er schildert nicht ein und das selbe Zeitfenster aus mehreren Blickwinkeln, sondern wechselt zwischen den Erzählstimmen, während die Handlung voranschreitet. Er tut dies auch überzeugend mit unterschiedlichem Sound. Am deutlichsten wird das bei Imelda, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und mit dem Bildungsgrad ihres Ehemanns und ihrer Kinder nicht mithalten kann. Zudem gilt sie als sprunghaft und unruhig (zumindest in den Augen ihrer Tochter), was sich in ihren Kapiteln darin spiegelt, dass es keine Interpunktion gibt. Ob es das wirklich gebraucht hätte, bleibe mal dahingestellt, sind es doch immerhin locker 25 % des Buches, die auf diese anstrengende Weise zu lesen wären. Aber auch die übrigen Charaktere haben ihren eigenen Klang, sodass jeder Part sich liest, als ob man in den Kopf der Figur eintauchte. Besonders beeindruckend finde ich es, wie wie Murray zu den eigenständigen Kinderstimmen findet.
    Ein langer Schatten der Vergangenheit
    Unterbrochen wird dieses Spiel mit den Perspektiven von Rückblenden auf die Vergangenheit Imeldas und Dickies. Diese Rückblenden sind sehr lang und ausführlich erzählt, sie sind auch sehr wichtig für eines der Hauptthemen des Buches, nämlich wie die Vergangenheit und die Fehler, die darin liegen, an einem haften bleiben und eine Hypothek für die Zukunft darstellen. Murrays Blick auf die Art und Weise, wie Vergangenes die Gegenwart belastet, ist zutiefst pessimistisch. Durch diese Rückschauen und dadurch, dass die einzelnen Familienmitglieder weitestgehend auf sich allein gestellt sind, fühlen sich die einzelnen Erzählstränge leicht disparat an und werden auch zum Schluss erst miteinander verflochten, es gibt gelegentliche Kreuzungen und ein aufsehenerregendes Ende, aber keine große Zusammenführung oder Auflösung, die man eigentlich erwarten könnte.
    Ich mag dicke Bücher und bin auch bereit, ausladenden Erzählungen sehr weit zu folgen, aber an dieser Stelle scheint mir "Der Stich der Biene" voluminöser als unbedingt nötig zu sein, zumal einige Aspekte sich auch wiederholen. Zumindest kann ich sehen, dass das ungeduldigeren Lesern sauer aufstoßen wird. Das ist mein größer Kritikpunkt, aber das ist auch Gemecker auf hohem Niveau.
    Fazit
    Im Vorfeld des Erscheinens der deutschen Übersetzung fiel gelegentlich der Verweis auf die Buddenbrooks als Referenztitel. Das ist meines Erachtens weit hergeholt, sofern die Gemeinsamkeit einer generationenübergreifenden Familiengeschichte und eine gewisse Länge nicht bereits als hinreichend gelten. Aber dennoch ist Der Stich der Biene ein grandioser Roman mit starken Bildern, detailfreudig skizzierten Charakteren, einer kraftvollen Prosa und einer aufwühlenden Familiengeschichte.
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Ausgaben von Der Stich der Biene

E-Book

Seitenzahl: 854

Hardcover

Seitenzahl: 700

Taschenbuch

Seitenzahl: 656

Der Stich der Biene in anderen Sprachen

  • Deutsch: Der Stich der Biene (Details)
  • Englisch: The Bee Sting (Details)

Besitzer des Buches 4

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