Der Kaninchenstall

Buch von Tess Gunty, Sophie Zeitz

  • Kurzmeinung

    mapefue
    Provokantes und herrlich lakonisches düsteres Gesellschaftsporträt
  • Kurzmeinung

    drawe
    Reizüberflutung: verbal, inhaltlich, stilistisch, von allem etwas

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Der Kaninchenstall

Tess Gunty ist die jüngste Preisträgerin des National Book Award seit Philipp Roth und das größte Talent der amerikanischen Literaturgeschichte seit David Foster Wallace. »Der Kaninchenstall« verspricht eine solch intensive Lektüre, dass man kaum noch von »lesen« sprechen mag. »Durchleben«, »durchstaunen« wären bei diesem Meisterwerk weitaus angebrachter, gar »Erlebnis« kommt einem in den Sinn. »Lebensverändernd« ist sie mindestens, die Lektüre dieses Romans. Die ätherische Blandine, die eine Obsession für Hildegard von Bingen entwickelt hat und durch das System gefallen zu sein scheint, lebt nur durch die dünnen Wände eines schäbigen Apartmentkomplexes in einem ehemaligen Industrieort in Indiana von ihren skurrilen Nachbarn getrennt: einer Frau, die online Nachrufe schreibt, einer jungen Mutter mit einem dunklen Geheimnis, und jemandem, der im Alleingang einen Feldzug gegen Nagetiere führt. Willkommen im Kaninchenstall. Ein Roman über den amerikanischen Rust Belt und seine Bewohner, die keineswegs alle über einen Kamm zu scheren sind, wie man fälschlicherweise annehmen könnte. Eine schonungslos schöne und beißend komische Momentaufnahme des zeitgenössischen Amerikas, eine hinreißende und provokante Geschichte über Einsamkeit und Sehnsucht, Verstrickung und schließlich: Freiheit.
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Bewertungen

Der Kaninchenstall wurde insgesamt 4 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,3 Sternen.

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Meinungen

  • Provokantes und herrlich lakonisches düsteres Gesellschaftsporträt

    mapefue

  • Reizüberflutung: verbal, inhaltlich, stilistisch, von allem etwas

    drawe

  • Mein neues Lieblingsbuch der Alltagsphilosophie und nerdiger Charaktere. Einfach toll!

    nichtsalsguteworte

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Der Kaninchenstall

    Mit „Kaninchenstall“ hat KiWi einen unerwarteten? Volltreffer gelandet. Und mit Tess Gunty und Sophie Zeitz, geniale Autorin und perfekte Übersetzung. Es ist schier unglaublich was der 30jährigen Gunty mit ihrem Erstlingswerk gelungen ist: „The Rabbit Hutch“ (im englischen Original), ein atemberaubender Roman.
    Apartment C4, Vacca Vale, Indiana: Gunty hat kein Erbarmen mit den Lesern; (eine) Blandine Watkins liegt aufgeschlitzt am Boden. In dieser heißen Nacht verlässt Blandine ihren Körper: „Sie ist nicht alles. Nicht ganz. Sie ist nur das Gegenteil von nichts.“ Es folgen noch über 400 Seiten, auf denen wir mehr über den Hauptcharakter des Romans erfahren und „wie es dazu kam und wer sie aufgeschlitzt hat“. Vacca Vale ist eine fiktive Stadt in Indiana, ähnlich vieler Städte im Rust Belt wie South Bend, wo Gunty aufwuchs.
    „Der Kaninchenstall“, im La Lapinière Affordable Housing Complex, einem abgewrackten Gebäudekomplex mit zu dünnen Wänden; jeder hört jeden, aber niemand kennt seine Mitbewohner. Joan in C2: Checkt die Nachrufe ihrer Firma RIP auf respektlose, um sie dann zu löschen. C4: Drei Teenager-Burschen - vor Kurzem aus dem staatlichen Pflegesystem entlassen -, die aus Langeweile Tiere töten und mit denen sich unsere Blandine das Apartment teilt. Wird das spannend! C6 Ida und Reggie, altes Ehepaar.
    C8 Hope, die unter einer postnatalen Depression zu leiden scheint und panische Angst vor den Augen ihres Neugeborenen hat. Gibt es Hoffnung für Hope? Ehemann Anthony liebt Hope, sollte ihr Hoffnung geben.
    In Teil II, von insgesamt fünf, hat mich emotional am meisten das Kapitel Variablen berührt. Tiffany Watkins, hochintelligente siebzehnjährige Schülerin der St. Philomena Highschool, Haare gebleicht, ätherischer Teint, hübsch auf eine außerirdische Art mit weit auseinanderstehenden Augen. In diesem Augenblick assoziiere ich Tiffany mit Tess Gunty – autobiographisch? Sie ist das X und der vierzigjähriger James Yager, ihr Musiklehrer und Mentor das Y. Nach „dieser Nacht“ wird Tiffany zu Blandine.
    Vor 10 Monaten in „Die Flut“ liegen Hop und Anthony in einem Motel-Bett, September, Hochwasser, der Vacca Vale River hat die Innenstadt überflutet, aus dem Kaninchenstall zwangsevakuiert. „Zeig mir, was du willst“ sagt Anthony. Hochemotional zu lesen.
    Gunty bearbeitet eine Fülle an Themen, die Diskrepanz zwischen Arm und Reich, Verfall und Neubeginn, Rebellion gegen das kapitalistische System, die Abgründe der digitalen Welt: „Im Internet toben sich die Raubtiere aus“ und den irrealen „Mamablogs“.
    Der Roman ist ein Feuerwerk, verwirrend, aber auch beeindruckend. Wegen der wechselnden Erzählperspektiven verlangt er volle Konzentration, es ist kein Buch zum Nebenbei-Lesen. Ich habe es jedenfalls genossen, für die Rezension Teile des Buches nochmals zu lesen.
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  • Rezension zu Der Kaninchenstall

    Der Klappentext ist außerordentlich vollmundig, und um es gleich zu sagen: das Buch fand ich überhaupt nicht "lebensverändernd".
    Mein Lese-Eindruck:
    „Springende, boxende Wörter“ - Reizüberflutung!
    Der Kaninchenstall – das ist, siehe Cover, eine Wohnanlage, in der sich gleichförmige Wohnungen wie Kaninchenkäfige in einem Stall aufeinandertürmen. Und in einige dieser Kaninchenkäfige lässt uns die Erzählerin zu Beginn hineinschauen und stellt die Bewohner vor. Nein, keine putzigen Kaninchen, die uns an Ostern, Maiengrün und Fruchtbarkeit erinnern, sondern hier wohnen Verbitterte und Hoffnungslose, eine frustrierte Mutter, ehemalige Fürsorgezöglinge und sozial Isolierte: alles Menschen, wie sie vielleicht typisch sind für eine abgewirtschaftete Stadt wie das fiktive Vacca Vale im Rust Belt der USA.
    In einem der Käfige aber ereignet sich Ungeheuerliches: drei junge Männer schlitzen eine junge Frau auf.
    Diese junge Frau, Blandine, steht im Mittelpunkt des Geschehens. Sie hat Schlimmes hinter sich, wurde von einer Pflegefamilie zur nächsten geschoben, ist traumatisiert durch eine Liebesbeziehung zu ihrem Musiklehrer und gerät in dieser WG an drei junge Männer, die ihren Spaß daran finden, Tiere zu töten. Blandine versucht sich der trostlosen Wirklichkeit zu entziehen, indem sie sich der Mystik Hildegards von Bingen zuwendet und ihren Körper in mystischer Selbstentgrenzung verlassen will.
    Von Beginn an wird der Leser mit nicht enden wollenden Aufzählungen konfrontiert. Das wirkt, als ob die Erzählerin die Wirklichkeit in viele kleine Einzelteile zertrümmert, die sie dann aufzählt. Aber sie setzt sie nicht mehr zusammen, sondern geht zur nächsten Aufzählung über. Diese Wortfülle versperrt den Sinn des Ganzen, sie scheint mir im Fortgang des Romans immer mehr reiner Selbstzweck zu sein. Allerdings passt diese Wortflut zur Reizüberflutung durch die Medien,denen wir ausgesetzt sind.
    Dieses Spiel mit der Reizüberflutung spielt Gunty temporeich durch. Perspektiven wechseln, externe Personen tauchen auf, Handlungsorte wechseln, die Zeitebenen verschieben sich, Randfiguren werden kurz fokussiert, und eine Fülle an Textstilen – mails, Zeitungsberichte, innere Monologe, Polizeibericht, eine grafische Bilderfolge – all das prasselt auf den Leser nieder.
    Neben dem Panoptikum an Figuren führt die Autorin dem Leser ein Panoptikum der derzeitigen US-amerikanischen Gesellschaft vor. Im Schnelldurchgang werden alle möglichen Zustände und Probleme mehr oder weniger motiviert in den Roman eingeflochten, teilweise mit abgestandenen Formulierungen, und man hat den Eindruck, dass es ausreicht, dass sie nur erwähnt werden. Reizüberflutung auch hier...
    Die Reizüberflutung wird weiter gesteigert durch eine Fülle von Motiven, die sich durch den Roman ziehen. Immer wieder hoppeln Kaninchen durchs Bild, Lichtreflexe zeigen sich und dergleichen – alles jedoch nur Beiwerk, ohne weitere Bedeutung.
    Schade auch, dass die Autorin bei ihrem offensichtlichen Sprachtalent ihren Figuren keine authentische Sprechweise verleiht. Alle sprechen gleich, und zwar so, wie die Autorin erzählt.
    Unbestritten ist aber das Talent der Autorin für witzige und überraschende Formulierungen. Sie kann schreiben, sie kann einem Roman Strukturen geben, und einige ihrer Kapitel wirken wie in sich abgeschlossene und gut durchdachte Kurzgeschichten. Sie beobachtet Missstände bzw. Absonderlichkeiten ihrer Umwelt und gibt diese teilweise komisch überspitzt wieder, aber durch diese Überspitzung kann sie das Wesentliche deutlich konturieren.
    Jedenfalls bin ich neugierig auf alles, was noch aus ihrer Feder kommt.
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  • Rezension zu Der Kaninchenstall

    Klappentext/Verlagstext
    »Der Kaninchenstall« verspricht eine solch intensive Lektüre, dass man kaum noch von »lesen« sprechen mag. »Durchleben«, »durchstaunen« wären bei diesem Meisterwerk weitaus angebrachter, gar »Erlebnis« kommt einem in den Sinn. »Lebensverändernd« ist sie mindestens, die Lektüre dieses Romans.
    Die ätherische Blandine, die eine Obsession für Hildegard von Bingen entwickelt hat und durch das System gefallen zu sein scheint, lebt nur durch die dünnen Wände eines schäbigen Apartmentkomplexes in einem ehemaligen Industrieort in Indiana von ihren skurrilen Nachbarn getrennt: einer Frau, die online Nachrufe schreibt, einer jungen Mutter mit einem dunklen Geheimnis, und jemandem, der im Alleingang einen Feldzug gegen Nagetiere führt. Willkommen im Kaninchenstall. Ein Roman über den amerikanischen Rust Belt und seine Bewohner, die keineswegs alle über einen Kamm zu scheren sind, wie man fälschlicherweise annehmen könnte.
    Eine schonungslos schöne und beißend komische Momentaufnahme des zeitgenössischen Amerikas, eine hinreißende und provokante Geschichte über Einsamkeit und Sehnsucht, Verstrickung und schließlich: Freiheit.
    Die Autorin
    Tess Gunty ist in South Bend, Indiana, geboren und aufgewachsen. Sie hat Kreatives Schreiben an der NYU studiert und lebt heute in Los Angeles. "Der Kaninchenstall" ist ihr erster Roman. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet und lebt in Berlin.
    Inhalt
    Blandine Watkins lebt im „Affordable Housing Komplex La Lapinière“ in C4, die junge Mutter Hope, die den ganzen Tag noch mit niemand gesprochen hat, in C8 und Joan Kowalski, die beruflich Kommentare auf Trauerwebseiten moderiert, in C2. Ob ein A4-Blatt ausreichen würde, um die Beziehungen zwischen den Wohnschachteln zu notieren, fragte ich mich zu Beginn des Romans. Es reichte aus, als ich der Geschichte folgte, die von einem unerhörten Ereignis wie ein Countdown rückwärts in die Vergangenheit der Bewohner erzählt wird.
    Blandine war als 17-Jährige nach einem Leben als Pflegekind in den Appartment-Komplex gezogen, als Jack, Todd und Malik eine MitbewohnerIN suchten, in der Annahme, so leichter einen Mietvertag zu erhalten. Ihre Absprache mit dem Jugendamt lautete, dass sie ein weiteres Jahr finanziell unterstützt würden, wenn sie an einem Coaching für junge Sozialwaisen teilnehmen würden.
    Blandine, mit Abstand die sonderbarste Bewohnerin, interessiert sich für Hildegard von Bingen und Mystikerinnen im Allgemeinen und ahnt, dass sie nicht nur eine soziale Störung hat, sondern weitere psychiatrische Diagnosen. Als sie im Waschsalon Joan trifft, die auf sie uralt wirkt, illustriert die Begegnung, dass wohl kaum ein Bewohner des „Kaninchenstalls“ in der Lage ist, Kontakt zu seinen Nachbarn aufzunehmen. Wahr ist, was im Internet steht, und Moderatoren von Video-Tutorials werden zu Bezugspersonen. Vacca Vale in Idahos Rustbelt ist geprägt vom wirtschaftlichen Niedergang nach dem Bankrott der Automobilfabrik Zorn. Bis auf Gastronomie, Schule und Krankenhaus scheint es keine normalen Arbeitsstellen mehr zu geben, von deren Lohn jemand ohne zusätzliche staatliche Stütze leben kann. Der Housing-Komplex war als Wohltat eines Mäzens geplant, der vermutlich nicht auf die Idee kam, dass Arbeitnehmer, die gerechte Löhne erhalten, keine Almosen benötigen.
    Neben den vier Jugendlichen, Joan und Hope treten weitere Personen auf, deren Schicksale für drängende soziale Probleme stehen, an denen die Industriestaaten bisher kläglich scheiterten. Von Drogensucht, Umweltschäden, Sozialwaisen, Einsamkeit, dem Internet als Realitätsersatz und dass man sich Krankheit und Altern überhaupt erst leisten können muss, wird alles geboten, selbst Autoritäten, die sexuelle Beziehungen zu Minderjährigen unterhalten. Verknüpfungen zwischen Guntys Figuren in Vacca Valle können offenbar nicht absurd genug sein – und nicht alle Auftretenden konnten mich so berühren wie Blandine und ihre Jungs.
    Fazit
    Tess Gunty legt den Finger in die Wunde von Exzentrik, Einsamkeit und wirtschaftlichem Abstieg. Ein schonungsloser wie kapriziöser Roman, wegen der Gewaltszenen nicht uneingeschränkt zu empfehlen.
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Ausgaben von Der Kaninchenstall

Hardcover

Seitenzahl: 416

E-Book

Seitenzahl: 390

Besitzer des Buches 7

Update: