Hier sind Löwen

Buch von Katerina Poladjan

  • Kurzmeinung

    Emili
    Fragmentarisch erzählte Geschichte zu einem interessanten Thema. Lakonische und reduzierte Sprache.

Zusammenfassung

Inhaltsangabe zu Hier sind Löwen

Die alte Bibel einer armenischen Familie an der Schwarzmeerküste ist das Einzige, was den Geschwistern Anahid und Hrant auf ihrer Flucht bleibt. Hundert Jahre später in Jerewan wird der Restauratorin Helen eine Bibel anvertraut. »Hrant will nicht aufwachen«, hat jemand an den Rand einer Seite gekritzelt. Helen taucht ein in die Rätsel des alten Buches, in das moderne Armenien und verliebt sich in einen Mann. Sie wird erschüttert von Geschichte und Gegenwart, und sie bricht auf zu einer Reise an die Schwarzmeerküste und zur anderen Seite des Ararat.
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Bewertungen

Hier sind Löwen wurde insgesamt 12 mal bewertet. Die durchschnittliche Bewertung liegt bei 3,9 Sternen.

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Meinungen

  • Fragmentarisch erzählte Geschichte zu einem interessanten Thema. Lakonische und reduzierte Sprache.

    Emili

Rezensionen zum Buch

  • Rezension zu Hier sind Löwen

    Bei diesem Roman bin ich definitiv eine Geisterfahrerin.
    Der Plot ist an sich sehr interessant: Eine junge Frau reist in das Land ihrer Vorfahren, Armenien, und zwar nach Jerewan. Was für ein Stoff für einen informativen, lehrreichen und emotionsreichen Roman. Im Jerewan soll sie neue Techniken der Buchrestauration erlernen. Während sie an eine Familienbibel arbeitet, begibt sie sich auf die Spurensuche. Nicht nur die verzeichneten Einträge in der Familienbibel sind von Bedeutung, sondern auch die Suche der Protagonistin nach eigenen Wurzeln.
    Es hätte so interessant sein können. Doch im Großen und Ganzen habe ich von dem Roman null Vorteil gehabt, ich habe nichts erfahren, was ich noch nicht wusste. Und Unterhaltung bat mir die Geschichte auch nicht.
    Eigentlich bin ich eher verärgert über die Autorin und den Hauptcharakter. Über Helen erfahren wir nicht viel, denn sie redet nicht viel, und wenn doch, dann sehr reduziert. Ihre Seele, ihr Inneres, ihre Gefühle und Gedanken bleiben überwiegend auf der Strecke oder erscheinen nur fragmentarisch.
    Innere Zerrissenheit, hin oder her, das konnte man auch so darstellen, dass der Leser, in dem Fall ich, sich nicht langweiligen braucht.
    Auch wenn man zu wenig von Helen erfährt, weiß man doch recht bald, wie sie zu Treue hält. Sie hat einen Freund, mit dem sie häufig telefoniert, und man spürt dabei, wie vertraut die beiden sind. Das hindert sie jedoch nicht daran, gleich am Anfang ihres Aufenthaltes in Armenien fremdzugehen. Als ob sie für Dauer des Aufenthalts eine Affäre unbedingt nötig hat. Was sollte das bloß symbolisch darstellen?
    Der weitere Punkt, der auf meine Ungnade stößt, ist die Sprache.
    Vieles bleibt offen, die Erzählung ist fragmentiert, die Sätze oft abgehackt, und die Sprache bei weitem nicht so eloquent, wie ich es erwartet hätte.
    Ich hätte es nicht schlechter schreiben können. Doch dabei weiß jeder, dass ich nicht über die Gabe, meine Gedanken in Worte zu fassen, verfüge.
    Die Autorin des Romans dagegen wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert...
    Ich weiß nicht, wie so etwas passieren kann, wenn man in dem Roman zuhauf solche Passagen liest:
    […]
    Ich wollte den Roman unbedingt lesen und bin auch froh, dass ich es getan habe, allerdings war es für mich keine Bereicherung.
    Von mir gibt es gut gemeinte Sterne.
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  • Rezension zu Hier sind Löwen

    Katerina Poladjan - Hier sind Löwen
    Wer bin ich und woher komme ich?
    Ein wirklich interessantes Buch. Es werden mehrere Geschichten in diesem Buch erzählt. Einigen Lesern waren es zu viele Geschichten, dem kann ich aber nicht zustimmen, ich fand diese Mischung äußerst interessant und ich denke auch gerade dadurch bekommt das Buch auch seine besondere Aura/seinen so besonderen Charme. Um welche Geschichten geht es: Die Restauratorin Helen möchte sich in Jerewan den Geheimnissen armenischer Buchbindekunst widmen, gleichzeitig spürt sie aber auch den eigenen Wurzeln in Armenien und den ehemaligen armenischen Gebieten der Türkei nach und sucht nach Informationen für den Völkermord an den Armeniern und ebenso ist sie auch auf einer Suche nach sich selbst. Weiterhin wird noch eine Geschichte zweier Kinder in der Zeit des Völkermords erzählt, die über die Familienbibel wieder ihre Verbindung ins Jetzt hat. Insgesamt hat mich dieses Buch sehr neugierig gemacht, neugierig auf Armenien, neugierig auf den gesamten Kaukasus. Er ist schließlich auch eine der Wiegen der europäischen Kultur, Standort einer sehr interessanten und eigenen Kultur. Die alten Griechen reisten schließlich schon in den Kaukasus, nur waren sie nicht auf der Suche nach Löwen, sondern eher nach Schafen, bzw. nach deren veränderten Resten.
    "Hier sind Löwen." Was für ein Titel! Hic sunt leones schrieb man in vergangenen Zeiten auf unbekannte Gebiete der Welt. Und in diese unbekannten Gebiete reist die Protagonistin des Buches, einerseits landschaftlich, in die armenischen Gebiete, um ihren eigenen familiären Wurzeln nachzuspüren, eine fremde Welt zu erkunden, eine schöne/interessante/melancholische Welt, von der ich sehr gern noch mehr erfahren hätte und andererseits reist sie auch in sich selbst, denkt über familiäre Geschehnisse nach und ebenso kreisen ihre Gedanken um sie selbst, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Hat mir sehr gefallen diese Reise.
    "Hier sind Löwen" ist das vierte Buch aus der Feder von Katerina Poladjan und ich bin sehr auf das gespannt, was die Autorin noch so kann.
    Lesenswerte Geschichte und das vierte Buch von der Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises für mich. Unbedingt lesen!
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  • Rezension zu Hier sind Löwen

    Und inzwischen ist es gelesen! Hier ein Teil meiner Eindrücke:
    Katerina Poladjans Roman ist mir zunächst aufgrund des Titels aufgefallen - "hic sunt leones", "hier sind Löwen", steht über dem Eingang zum Finis Africae im Bibliothekslabyrinth des genialen Romans "Der Name der Rose" von Umberto Eco. Mit diesen Worten, wahlweise auch "hic sunt dracones", "hier sind Drachen", wurden im Mittelalter die unbekannten Regionen auf Landkarten beschriftet.
    Dass es auch in diesem Roman um weiße Flecken auf den Landkarten des eigenen Lebens geht, wird gleich in den Eingangskapiteln deutlich: Die Protagonistin Helen, Tochter eines Deutschen und einer in Moskau aufgewachsenen Armenierin, weiß nicht so recht, wer sie eigentlich ist, und bis zum Ende bleibt es spannend, ob und wie sie sich selbst im Laufe des Geschehens entdecken wird.
    Schon der Einstieg hat mich sofort gefesselt, dieses Eintauchen in eine Welt alter Bücher und alten Wissens an einer der Schnittstellen von Orient und Okzident. Von dort aus spannt die Autorin den Bogen über das Leben der Armenier im damaligen Osmanischen Reich, den Völkermord und die Verstreuung der verbliebenen Westarmenier in die Diaspora bis zu den Geschicken der Ostarmenier im Staat bzw. der Sowjetrepublik Armenien mit den dort herrschenden Spielarten des Ost-West-Konflikts sowie später den Verwerfungen im Zuge des Systemwechsels in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Historisch sehr spannend und oft auch traurig - wer sich mit diesen Hintergründen noch nicht so gut auskennt, kann zum besseren Verständnis der im Roman teilweise nur angedeuteten Entwicklungen z.B. den Wikipedia-Artikel über die Armenier lesen.
    Die Familiengeschichten, die Poladjan auf dieser Folie entfaltet, sowie die Entwicklungen der Hauptfigur haben mich von Anfang bis Ende gefesselt. Anders als in anderen Romanen, wo ich das Herumspringen zwischen verschiedenen Zeitebenen nicht sonderlich schätze, hätte ich bei diesem sogar gern noch mehr Lebensgeschichten aus den Randnotizen der alten Familienbibel, die die beiden Erzählstränge zusammenhält, erfahren.
    Neben den vielen interessanten Details über das Buchbindehandwerk, die Lust auf eine intensivere Beschäftigung damit machen, hat das Setting mich auch mehrfach an Romane von Orhan Pamuk erinnert und an diverse verwandte Titel auf meinem SuB gemahnt, sodass das Buch bei mir viele Türen zu weiteren (Rereads von) Büchern aufgestoßen hat. Auch die Autorin selbst werde ich im Blick behalten und gern weitere Bücher von ihr lesen.
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  • Rezension zu Hier sind Löwen

    Verlagstext
    Die alte Bibel ihrer Familie an der Schwarzmeerküste ist das Einzige, was den Geschwistern Anahid und Hrant auf ihrer Flucht bleibt. Doch in den Wirren von Mord und Vertreibung des 20. Jahrhunderts geht das Buch verloren. Hundert Jahre später ist die Restauratorin Helen in Armenien. Ihr wird ein Heilevangeliar anvertraut. »Hrant will nicht aufwachen«, hat jemand an den Seitenrand gekritzelt. Helen taucht ein in die Rätsel des alten Buches, in das moderne Jerewan, verliebt sich in einen Mann und folgt schließlich den Zeichen der Vergangenheit auf eine Reise an die Schwarzmeerküste.
    Die Autorin
    Katerina Poladjan wurde in Moskau geboren, wuchs in Rom und Wien auf und lebt in Deutschland. Sie schreibt Theatertexte und Essays, auf ihr Prosadebüt »In einer Nacht, woanders« folgte »Vielleicht Marseille« und gemeinsam mit Henning Fritsch schrieb sie den literarischen Reisebericht »Hinter Sibirien«. Sie war für den Alfred-Döblin-Preis nominiert wie auch für den European Prize of Literature und nahm 2015 bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt teil. Für »Hier sind Löwen« erhielt sie Stipendien des Deutschen Literaturfonds, des Berliner Senats und von der Kulturakademie Tarabya in Istanbul.
    Inhalt
    Helen Mazavian reist nach Erewan/Armenien zu einem wissenschaftlichen Austauschprogramm für Restauratoren. Im Dreiländereck zwischen Armenien, Iran und der Türkei verläuft nicht nur eine sprachliche und kulturelle Grenze, sondern auch eine handwerkliche. Die armenische Bindetechnik mit im Buchrücken versenkten Kordeln (Bünden?) soll Helen im Zentralarchiv von den armenischen Kollegen lernen, ehe sie als Beweis ihres handwerklichen Könnens ein wertvolles Evangeliar aus dem 18. Jahrhundert restaurieren wird, dessen Einband sich vom Buchblock gelöst hat. Roter Faden, weißer Faden, blauer Faden, die Routine armenischer Buchbinder beim Stechen des Kapitalbands wird ihr bald in Fleisch und Blut übergehen. Helen betrachtet ihr Meisterstück wie einen Patienten, der von Schimmel, Parasiten oder Kupferfraß befallen sein kann und den sie behandeln wird. Frühere Buchbinder müssen über Wundertinkturen verfügt haben, die ihre Bücher bis heute haltbar machten. Als Leser taucht man in Helens Fachkenntnisse ein, folgt ihren bei der Arbeit mäandernden Gedanken. Was dachte der Mönch wohl, der kurz nach der Wende zum 18. Jahrhundert den Text kopierte?
    Helen spricht kein Armenisch, mit den Kollegen verständigt sie sich auf Russisch. Vor 10 Jahren hatte sie ein Semester Orientalistik in Istanbul studiert; der Blick vom Bosporus nach Europa ist ihr nicht fremd. Durch die Bekanntschaft mit ihrer Fachbetreuerin Evangelina und deren Familie wird Helen mit dem Alltag in Armenien konfrontiert. „Wenn man auf die Gegenwart nicht stolz sein kann, sorgt man sich um die Vergangenheit“, bringt Evangelina die aktuelle Lage auf den Punkt.
    „Hrant will nicht aufwachen“, steht auf den Rand gekritzelt in einer alten Bibel, in einer Schrift, die Helen nicht lesen kann. In Fortsetzung der Tradition, Geburten, Hochzeiten oder Fürbitten in die Familienbibel einzutragen, hat hier offenbar jemand mit letzten Kräften geschrieben. „Nehmt unser Buch und lauft“, hatte ihre Mutter den Geschwistern Anahid und Hrant eingeschärft. Vor 100 Jahren wurden die Kinder offenbar aus der Stadt Ordu allein auf die Flucht geschickt, um mitten in der Vertreibung der Armenier wenigstens ihr Leben zu retten. Die Bibel war nicht nur magisches Objekt, das man Kranken unter ihr Kopfkissen legte, sondern zugleich Schatulle für Fotos und Erinnerungsstücke. Als Familiengeschichte in Kurzform bezeugt das Dokument Anahids und Hrants Existenz. Man glaubte damals an die Kraft des Buches und dass sie sich auf den Menschen überträgt. Wie vielen Armeniern vor ihnen wurde die Familienbibel den Kindern zur tragbaren Heimat (ein Gedanke Heinrich Heines, wie Evangelina weiß). Helens eigene Suche nach armenischen Vorfahren führt sie schließlich auf die andere Seite des Ararat, wo Tarik sich als Reiseführer anbietet, bei dessen Mutter Helen vor Jahren ein Zimmer gemietet hatte. Helen und ihre armenische Mutter spielten gern mit Abwandlungen von Helen, Lena, Lenka, selbst Helens Puppen wurden auf Varianten ihres Vornamens getauft. Der beinahe chamäleonartige Wechsel von Namen und Ländern könnte symbolisch für den Lauf der Geschichte oder für den Perspektivwechsel stehen, den Helen im Lauf der Handlung vollziehen muss.
    Fazit
    Katerina Poladjan verknüpft hier eine berufliche und eine private Spurensuche über Ländergrenzen hinweg. Die Entwicklung einer kleinen, leichten und robusten armenischen Bibel scheint in weiser Voraussicht für ein Volk vollzogen worden zu sein, das während Flucht und Emigration nur das Wichtigste mitnehmen konnte. Ein starkes Symbol und ein starker Roman über Menschen, deren Land ihre Liebe nicht erwidert und die die Frage nicht so einfach beantworten können, woher sie kommen …
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Ausgaben von Hier sind Löwen

Hardcover

Seitenzahl: 320

E-Book

Seitenzahl: 284

Besitzer des Buches 15

Update: